"Hungertod ist Mord"

Jean Ziegler über sein neues Buch "Was ist so schlimm am Kapitalismus?".
Jean Ziegler ist wohl der legendär unerbittlichste Linksintellektuelle der Schweiz. Am heftigsten reagiert er dennoch auf die Erwähnung seines Alters. Schließlich hat er gerade ein neues Buch geschrieben: "Was ist so schlimm am Kapitalismus?" Und das soll in keinster Weise altersmilde wirken.
Nein. Das Buch ist ein Buch der Hoffnung, es will eine Kampfschrift sein für die Zivilgesellschaft, die aufsteht und auf die Straße geht für die Zukunft.
Der Sonntag: Sie blicken im fiktiven Gespräch mit Ihrer Enkelin aber auch auf Ihre Arbeit zurück: "Ich bin ein Feind des Kapitalismus. Ich bekämpfe ihn." Wie sehen Sie die Bilanz Ihres Kampfes?
Die Antwort fällt zwiespältig aus. Wir leben unter der Weltdiktatur der Oligarchien des globalisierten Finanzkapitals. Laut Weltbank kontrollierten 2018 die 500 größten Privatkonzerne 52,8 Prozent des Weltbruttosozialproduktes, also aller in einem Jahr auf der Welt produzierten Reichtümer. Eine Macht, die kein König, kein Papst auf diesem Planeten je hatte. Und die sogar die größten Staaten der Welt im Griff hat. Der kapitalistische Produktionsprozess ist sicher der dynamischste und vitalste der Menschheitsgeschichte, aber er hat eine kannibalische Weltordnung geschaffen. Ein Beispiel nur: Alle fünf Sekunden verhungert ein Kind unter zehn ...