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"Hungrig auf Kunst und Kultur"

  • Fr, 23. April 2021
    Schülertexte

ZISCHUP-INTERVIEW mit der Kunstpädagogin Elena Politowa.

Pinsel bringen Farbe aufs Papier und ins Leben.  | Foto: Christopher Hall - stock.adobe.com
Pinsel bringen Farbe aufs Papier und ins Leben. Foto: Christopher Hall - stock.adobe.com

Elena Politowa ist Künstlerin und leitet eine Lörracher Kunstschule. Im Gespräch mit Florentine Krafczyk aus der Klasse 9b des Georg-Büchner-Gymnasiums in Rheinfelden erzählt sie, wie sie ihre Arbeit coronabedingt in digitale Räume verlegen musste und worauf sie hofft, wenn die Pandemie vorüber ist.

Zischup: Was fehlt Ihnen in der Zeit des Lockdowns am meisten?
Politowa: Meine Schüler und Schülerinnen. Jeder und jede einzelne. Dennoch geht es mir erstaunlich gut. Ich bin fit und voller Energie, male täglich mehrere Stunden und widme mich intensiv meinen eigenen Kunstprojekten.

Zischup: Wie versuchen Sie, die Inhalte Ihrer Kunst trotz Corona zu vermitteln?
Politowa: Das Konzept meiner Kunstschule basiert auf individueller Betreuung, auch im Lockdown. Jeder Schüler und jede Schülerin macht nur das, was ihn oder sie interessiert, und ich versuche, alle genau dort aufzufangen und zu unterstützen, wo sie es am nötigsten haben. Das bedeutet, dass jeder Schüler und jede Schülerin oder genauer gesagt, jeder Kunstschaffende sein eigenes Ausbildungsprogramm hat. Bei 70 Schülerinnen und Schülern im Alter zwischen 6 bis 82 Jahren ist das ein großes, spannendes Spektrum.

Zischup: Wie unterstützen Sie Ihre Schülerinnen und Schüler dabei?
Politowa: Im ersten Lockdown habe ich einen Youtube-Channel gestartet, doch leider recht schnell gemerkt, dass der enorme Einsatz nicht im Entferntesten an den Live-Unterricht herankommt. Jede und jeder will nach wie vor individuelle Betreuung und so schickten mir die Schülerinnen und Schüler ihre Werke mit dem aktuellen Stand und ihren persönlichen Fragen. Dazu drehte ich dann wieder individuelle Videos mit Korrekturen. Auch meine Youtube-Videos basieren auf Fragen einzelner Schülerinnen und Schüler. Im Moment nutze ich häufig Instagram beziehungsweise Facebook, um Inhalte zu vermitteln, und mache Privatunterricht in dringenden Fällen, etwa wenn Schüler eine Mappe erstellen, um sich damit bei einer Kunstschule zu bewerben.

Zischup: Also setzen Sie in der Krise hauptsächlich auf Internetpräsenz?
Politowa: Ja, klar, doch ganz ohne Illusionen. Über einen Bildschirm zu erklären, wie man bestimmte Farbnuancen mischt, ist eine Sache der Unmöglichkeit. Sogar das Zeichnen erfordert eine sehr hohe Auflösung und das bedeutet eine teure und qualitativ gehobene Ausrüstung, die ich nicht habe. Formale, einfache Sachen kann man erklären, doch dafür sind meine Schülerinnen und Schüler bereits zu fortgeschritten.

Zischup:
Was ist für Sie der größte Unterschied zwischen Präsenzunterricht und Online-Tutorials?
Politowa: Online-Kurse haben einen coolen Vorteil: Man kann beim Anschauen eines Tutorials auf Pause drücken und bestimmte Stellen nochmals ansehen. Alles andere ist eher nachteilig, besonders in der Malerei. Nichts kann unsere Augen ersetzen. Ein Blick auf das Werk im Original ist Gold wert. Exakte und effiziente Betreuung und blitzschneller Austausch, das ist im Bereich der Kunst viel besser. Online-Kurse langweilen schnell, weil der persönliche Bezug gänzlich fehlt. Auch der Druck fehlt sowie die Notwendigkeit der sofortigen Reaktion. Zudem muss man die Materialien in der Hand halten, sie spüren, Pinsel richtig einsetzen, Farbe mischen und die richtige Konsistenz haben. Wie soll das online funktionieren? Das habe ich noch nicht herausgefunden.

Zischup: Finden Sie, dass das Qualitätsbewusstsein für Kunst verloren geht, wenn man diese im Internet einfach konsumieren kann?
Politowa: Klar. Nichts kann eine Begegnung mit dem Original ersetzen. Es sei denn, es geht um Videokunst, die sowieso dank der Technik funktioniert. Im Bereich der Malerei, Zeichnung und Plastik ist die unmittelbare Begegnung mit dem Kunstwerk ein essenzieller Teil des Kunsterlebnisses. Online wäre Theorie möglich, doch ein Kunstwerk braucht eine lebendige Betrachtung von Menschen vor Ort.

Zischup: Wie können Sie Ihre Kunst zurzeit für andere erfahrbar machen?
Politowa: Dank Prozessdokumentationen in Form von Videos und Fotos kann ich ein wenig die Neugier wecken. Doch immer wieder merke ich, dass die großformatigen Werke ihre Wirkung nur in einer Ausstellung im vollem Maße entfalten können. Eine Online-Präsentation ist für kleine Werke aber ausreichend.
Zischup: Was sind Ihre Wünsche für die Zukunft?
Politowa: Durch die Erfahrung der Jahre 2020/21 habe ich recht viel gelernt und weiß, was ich noch lernen muss, um den Mut, Künstlerin zu sein, nicht zu verlieren. Ich wünsche mir, dass alle fitter, kreativer und flexibler werden, dass wir alle das Leben so richtig zu schätzen lernen und die Zeit nicht vergeuden. Ich wünsche mir, dass alle Kunstschaffenden endlich wieder ihre Werke in der Öffentlichkeit präsentieren dürfen, Veranstaltungen und Events organisieren und besuchen können. Ich wünsche mir, dass die Leute so richtig hungrig auf Kunst und Kultur werden und sie wie Luft zum Atmen brauchen. Zudem würde es mich richtig freuen, wieder mit meinen Schülerinnen und Schülern in meiner Kunstschule malen zu dürfen.

Ressort: Schülertexte

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Fr, 23. April 2021: PDF-Version herunterladen

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