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"Ich bemühe mich immer noch, akzeptiert zu werden"

  • Gymnasium (Freiburg)

  • Fr, 18. Dezember 2020
    Schülertexte

Jahrelang war unklar, warum die Autorin ist, wie sie ist – dann wurde bei ihr Asperger diagnostiziert.

Als ich* vier oder fünf Jahre alt war, habe ich meiner besten Freundin so hart auf den Kopf geschlagen, dass sie genäht werden musste. Meiner Mutter wurde geraten, strenger mit mir zu sein, weil ich mehr als andere Kinder nach Grenzen verlangen würde. Das war eigentlich immer so, allerdings wussten meine Eltern zu dem Zeitpunkt noch nicht, dass ich Autist bin.

Ich wurde zu einer Psychotherapeutin geschickt, aber sie hat nicht erkannt, dass ich Autist bin. Herausgefunden haben meine Eltern es erst, als ich in der vierten Klasse war und es einfach nicht hinbekommen habe, meine Hausaufgaben zu machen. Sie wollten wissen warum, deswegen habe ich ein paar Tests gemacht, bei denen schließlich herausgekommen ist, dass ich Asperger (eine Form des Autismus) habe. Von da an ging es dann besser, ich bin zur Heilpädagogin gegangen und habe eine Schulbegleitung bekommen.

Aber von Anfang an: Mit zwei Jahren war ich sehr ruhig und anständig, was wahrscheinlich auch nicht ganz normal ist, aber zumindest kein Aufsehen erregt hat. Irgendwann war mir zuhause so langweilig, dass meine Mutter mich in eine Krabbelgruppe gebracht hat. Dort habe ich dann angefangen, mich merkwürdig zu verhalten. Ich war sehr laut und habe Sachen gemacht, die andere Kinder und auch Erwachsene einfach nicht verstehen konnten. Ich habe beispielsweise den anderen grundlos den Weg versperrt.

Dann kam mein Bruder zur Welt, und ich habe angefangen mit ihm Quatsch zu machen. Erwachsene fanden es toll und irgendwie auch süß, dass ich so ein aktives und lebendiges Kind war, was auch ein Grund für mein Verhalten sein könnte, da ich mich immer bemüht habe und mich auch immer noch darum bemühe, akzeptiert zu werden. Ich war zwar sehr lebhaft, aber teilweise konnte ich auch sehr aggressiv werden, da ich Gefühle nicht oder auch nur sehr schlecht ausdrücken kann. Deswegen bin ich dann auch zu einer Psychotherapeutin gegangen – und wie gesagt, sie konnte auch nicht erkennen, dass ich Autist bin. Allerdings habe ich mich bei ihr immer sehr ruhig verhalten, weil ich es mochte, zu ihr zu gehen und ich sie nicht mit dem, was ich mache, verärgern wollte.

Ich wusste nicht, wie man sich verhalten muss, was man tun darf und was nicht, also habe ich einfach gar nichts gemacht. Irgendwie wurde mein Verhalten besser. Aber als ich dann zur Schule kam, habe ich wieder angefangen, mich anders zu verhalten. In der vierten Klasse hatte ich dann sehr große Probleme, meine Hausaufgaben zu machen. Ich saß jedes Wochenende vier Stunden dran und habe es einfach nicht geschafft, irgendetwas auf die Reihe zu bekommen. Nach kürzester Zeit wurde ich dann wütend und habe nicht selten meine Schulbücher durch die Gegend geschmissen. Wenn ein "normales" Kind sagt "ich kann das nicht" oder "ich mache das nicht", hat das normalerweise etwas mit dem Willen des Kindes zu tun – und oft schaffen Eltern es, ihr Kind zu ermutigen. Aber wenn ich das gesagt habe, war es für mich keine Frage des Willens, sondern ich konnte es wirklich nicht machen.
Ich mag keine Geräusche,

Licht und Veränderungen
Deswegen haben meine Eltern mit mir dann in der vierten Klasse ein paar psychologische Tests gemacht und dabei ist eben heraus gekommen, dass ich Asperger habe. Es hat vor allem mir geholfen, zu verstehen, was mit mir los ist, aber auch sehr meinen Eltern. Von da an bin ich dann zur Heilpädagogin gegangen und hatte eine Schulbegleitung. In der Heilpädagogik habe ich vor allem gelernt mich "normal" zu verhalten und die Schulbegleitung hat mir dabei auch geholfen. Außerdem hat die Schulbegleitung mir im Umgang mit meinen Klassenkameraden geholfen, mich zumindest teilweise in die Klasse einzugliedern. Hätte ich keine Schulbegleitung gehabt, hätte ich wahrscheinlich größere Probleme bekommen und früher oder später die Schule gewechselt.

Aber neben meinem merkwürdigen Verhalten anderen gegenüber hatte oder habe ich immer noch ein paar andere merkwürdige Verhaltensweisen. Ich mag keine Geräusche, Licht und Veränderungen, allerdings können Autisten lernen sich anzupassen. Außerdem beteilige ich mich eher passiv an Gesprächen und bin seit dem Kindergarten um einiges ruhiger geworden. Im Vergleich zu früher bin ich jetzt eine sehr ruhige Person, die vielleicht den ein oder anderen Tick hat.
*Schülerin wollte anonym bleiben.

Ressort: Schülertexte

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Fr, 18. Dezember 2020: PDF-Version herunterladen

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