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"Ich bemühe mich um kurze Urteile"

  • Laeticia Löneke und Mila Streck, Klasse 4b, Tunibergschule (Freiburg)

  • Fr, 01. April 2022
    Zisch-Texte

ZISCH-INTERVIEW mit der Richterin und Pressesprecherin des Freiburger Landgerichtes, Stefanie Ulrich, über ihre Arbeit.

Zisch-Reporterinnen Mila Streck (links...gerichtssaal des Landgerichts Freiburg  | Foto: privat
Zisch-Reporterinnen Mila Streck (links) und Laeticia Löneke (rechts) mit Richterin Stefanie Ulrich im Schwurgerichtssaal des Landgerichts Freiburg Foto: privat

Mitte Februar besuchten die Zisch-Reporterinnen Mila Streck und Laeticia Löneke aus der Klasse 4b der Tunibergschule Freiburg die Vorsitzende Richterin des Landgerichtes, Stefanie Ulrich. In einem Interview erklärt Ulrich, warum sie diesen Beruf gewählt hat, und erzählt von ihrem bisher spektakulärsten Gerichtsfall.

Zisch: Was wollten Sie früher werden?

Ulrich: Eigentlich wollte ich immer Richterin werden. Aber in meiner Abi-Zeitung habe ich (nicht ganz ernst gemeint) geschrieben, dass ich das Amt der ersten deutschen Bundeskanzlerin anstrebe. Das war im Jahr 1991, lange bevor Angela Merkel 2005 Bundeskanzlerin wurde.

Zisch: Wann kamen Sie auf die Idee, Richterin und Pressesprecherin zu werden, und warum wollten Sie das werden?

Ulrich: Richterin wollte ich schon werden, als ich begonnen habe, Jura zu studieren. Sowohl von meinem Vater, der Richter war, als auch durch meinen Nebenjob als Schülerin in einer Anwaltskanzlei wusste ich, dass sich in den dicken Akten oft spannende Fälle aus dem wirklichen Leben befinden. Pressesprecherin bin ich erst seit dem Jahr 2020. Ich finde es wichtig, dass die Leute erfahren und verstehen, wie Gerichte arbeiten.

Zisch: Was mögen Sie an Ihrem Beruf und was nicht?

Ulrich: An meinem Beruf mag ich, dass man immer wieder mit Menschen zu tun hat. Zudem kann man Streitigkeiten beilegen und manchmal streitenden Personen helfen, sich zu einigen, eine gute Lösung zu finden und auch ihr persönliches Verhältnis zu befrieden. In meinem Beruf mag ich es nicht, wenn Leute nur ums Prinzip streiten.

Zisch: Was machen Sie als Richterin?

Ulrich: Ich lese die Akten, bereite die Verhandlungen vor, berate mich mit meinen Kolleginnen und Kollegen vor der Verhandlung und leite die Verhandlung. Das heißt, ich spreche mit den Beteiligten im Gerichtssaal. Ich bemühe mich, mit ihnen eine Lösung zu finden, und wenn es nicht klappt, berate ich mit meinen Kollegen, welches Urteil das Gesetz vorsieht.

Zisch: Was war Ihr spannendster Fall?
Ulrich: An einen außergewöhnlichen Fall erinnere ich mich: Ein Richterkollege musste einen Haftbefehl gegen einen Verdächtigen erlassen. Dazu wurde dieser Verdächtige wie üblich dem Richter im Gericht durch die Polizei vorgeführt. Dem Mann gelang es, durch ein geöffnetes Fenster aus dem ersten Stock des Gerichtsgebäudes zu fliehen. Dabei hatte er sich wohl am Fuß verletzt. Nach Dienstschluss ging mein Richterkollege dann als Zuschauer zu einem Spiel des SC Freiburg ins SC-Stadion. Dort sah er zu seinem Erstaunen den humpelnden Verdächtigen, der sich ebenfalls das Fußballspiel anschauen wollte. Mein Kollege verständigte sofort die Polizei, die den Verdächtigen festnahm und zunächst ins Krankenhaus brachte. Ich wurde informiert, weil ich inzwischen als Bereitschaftsrichterin dafür zuständig war, den Haftbefehl auszustellen. Ich wies die Polizei an, den Verdächtigen über Nacht im Krankenhaus zu lassen und dort auf ihn aufzupassen, um ihn am nächsten Tag wieder zum Gericht zu bringen.

Zisch: Wie lang war Ihr längstes Urteil?
Ulrich: Ich bemühe mich, immer möglichst kurze Urteile zu schreiben und hoffe, dass ich auch in den kompliziertesten Fällen nie mehr als 30 Seiten schreibe.

Zisch: Warum tragen Sie eine Robe?
Ulrich: Eine Robe trägt man bei der Verhandlung im Gerichtssaal und die Robe soll die Neutralität des Gerichts symbolisieren, hinter der die private Person des Richters zurücktritt.

Ressort: Zisch-Texte

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Fr, 01. April 2022: PDF-Version herunterladen

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