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Politik

In Freiburg lebende junge Spanier und Katalanen sind bei der Unabhängigkeitsfrage gespalten

Fabian Vögtle

Von

Mo, 06. November 2017

Freiburg

In Freiburg spricht man an vielen Ecken spanisch. Seit Jahren sind neben den Sommertouristen und Studierenden auch viele junge Erwachsene von der iberischen Halbinsel dauerhaft hier. Wie blicken sie auf den Konflikt um eine mögliche Unabhängigkeit Kataloniens?

Sie wollen sich die Laune von der Kris...per Antonio Escobedo in der Tapas-Bar.  | Foto: Vögtle
Sie wollen sich die Laune von der Krise in ihrer alten Heimat nicht ganz verderben lassen (von links): Eduardo Pérez, Jara López Santigosa, Wirt José Garcia und Barkeeper Antonio Escobedo in der Tapas-Bar. Foto: Vögtle

Sie haben ihrem Heimatland den Rücken gekehrt, um Arbeit zu finden. Die meisten schauen aber weiterhin, was sich Zuhause abspielt. Zur Wirtschaftskrise ist eine politische Krise hinzugekommen. Das beunruhigt Spanier und Katalanen. Die einen sehen den Ausweg in der Unabhängigkeit, andere verteidigen den spanischen Staat.

Gibt es noch Crema Catalana? Diese Frage bekommt José Garcia in den letzten Wochen oft gestellt. "Claro, que sí!", lautet die Antwort des Wirtes für die Gäste seiner Tapas-Bar "La Pepa". Und auch wenn Katalonien irgendwann nicht mehr zu Spanien gehören sollte, werde die berühmte Nachspeise weiter auf der Karte stehen und nicht in Crema Quemada (verbrannt) umbenannt, was einige schon scherzhaft vorschlugen. Für den aus Katalonien stammenden Barkeeper Antonio Escobedo sind die vergangenen Wochen mit Demonstrationen und dem illegalen Referendum "Theater" einiger seiner Landsleute gewesen. Für die Mehrheit seiner Freunde daheim sei das eine Farce, erzählt der 33-Jährige und reicht seinem zustimmend nickenden, katalanischen Kollegen ein Tablett mit Weingläsern und einer Flasche Vino tinto. Der gute Tropfen kommt aus der nordwestspanischen Region Kastilien und León. Genauso wie Jara López Santigosa, die seit drei Jahren in Freiburg lebt und an diesem Abend in der Bar zu Gast ist. Die 26-Jährige beunruhigt die Situation in ihrem Heimatland. "Für die jungen Leute wird es immer schwieriger", sagt sie und meint die hohe Arbeitslosigkeit. Die Debatte um eine mögliche Abspaltung Kataloniens verdränge auch alltägliche Probleme im Land.

Eher Europäer als Spanier oder Katalane

Die Violinistin Isabel Soteras Valenti (26) und die Musikmanagerin Judith Plana Jansana (29) sind beide aus Barcelona und bewerten die Situation anders. Sie treffen sich zur Mittagspause im argentinischen Bistro "Baires". "Jeden Tag müssen wir uns rechtfertigen, weil wir aus Katalonien kommen. Das nervt irgendwann", sagen sie. Was sich in ihrer Heimatstadt gerade abspiele, sei ein Drama. Beide zählen sich zu den "Independistas", also den Befürwortern der Unabhängigkeit. "Mit dem spanischen Staat habe ich mich noch nie identifizieren können", sagt Soteras und ergänzt: "Ich bin Katalanin." Plansa stimmt ihr zu, während beide bei der argentinischen Wirtin auf spanisch ihr Essen ordern. Untereinander sprechen sie natürlich katalanisch.

Für Plansa ist das Verhältnis zur Zentralregierung wie eine Ehe, die so stark zerrüttet sei, dass man sich nun endgültig trennen müsse. Sicher hätte eine Unabhängigkeit zunächst auch wirtschaftliche Folgen, aber eine saubere Trennung von Madrid sei für die Region langfristig besser, findet sie und hofft auf die Neuwahl am 21. Dezember.

Zurück in der Tapas-Bar: José Garcia, der aus der südspanischen Region Andalusien kommt, aber Onkel und Cousins in Katalonien hat, versteht die Nationalisten in Barcelona nicht: " Sprache, Polizei und weitgehende Autonomie – die haben doch schon alles, aber sie wollen immer mehr." Jetzt würden Familien sogar gespalten, sagt Garcia, der seit neun Jahren in Freiburg lebt. Er hält auch wenig vom spanischen Königshaus. Nicht umsonst heiße seine Tapas-Bar "La Pepa" – wie Spaniens erste parlamentarische Verfassung von 1812. Man sucht in der Bar auch vergebens nach spanischen Flaggen oder Stiermotiven an der Wand. "Wie ich sind zahlreiche Spanier, die im Ausland leben, nicht besonders stolz auf ihr Land." Garcia sieht sich eher als Europäer: "Ich bin doch das perfekte Beispiel für ein gelebtes Europa", sagt der 35-Jährige, dessen Frau Italienerin und dessen jüngster Sohn deutscher Staatsbürger ist.

Ressort: Freiburg

  • Veröffentlicht in der gedruckten Ausgabe der BZ vom Mo, 06. November 2017:
  • Zeitungsartikel im Zeitungslayout: PDF-Version herunterladen

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