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Afrika

Internetsperre – eine Strafe für aufmüpfige Bürger

Johannes Dieterich
  • Fr, 05. Mai 2017, 00:01 Uhr
    Ausland

In mehreren afrikanischen Staaten legen die Regierungen die Onlinedienste lahm, wenn ihnen das Volk zu anstrengend wird. Ganze Regionen sind betroffen. Das jüngste Beispiel: Kamerun.

Für viele Afrikaner ist das Internet d...lt – wenn es denn funktioniert.   | Foto: Daniel Fleck (Fotolia.com)
Für viele Afrikaner ist das Internet das Tor zur Welt – wenn es denn funktioniert. Foto: Daniel Fleck (Fotolia.com)

Afrikas Präsidenten haben eine neue Waffe entdeckt. Ist das Volk aufmüpfig, wird es kurzerhand vom weltweiten Netzwerk abgeschnitten. Allein im vergangenen Jahr griffen die Regierungschefs des Kontinents elf Mal zu dieser Strafmaßnahme.

Nji Gbah hatte Glück. Sieben Wochen lang schuftete der 17-jährige Schüler an den 20 Aufgaben von Googles diesjährigem Kodier-Wettbewerb, bevor er seine Lösungen am 16. Januar nach Kalifornien mailte. Dort wurde Gbah unter 1300 Teilnehmern aus 62 Nationen zum ersten afrikanischen Preisträger des prestigereichen Wettbewerbes gekürt. Hätte er einen Tag länger gewartet, wäre seine jetzt strahlende Zukunft ruiniert gewesen.

Denn am 17. Januar klemmte Kameruns Regierung die Internet-Verbindungen im Westteil ihres Landes ab – mehr als drei Monate lang sollten die zornigen englischsprachigen Kameruner von der digitalen Nabelschnur abgeschnitten bleiben. "Der angerichtete Schaden ist kaum zu beziffern", klagt Angela Lumneh, Gründerin des kamerunischen Onlinedienstes Opportunity Space: "Mit einem Streich haben sie alles zerstört, was wir über Jahre aufgebaut haben."

In Kamerun wurde die im Westteil des Landes lebende englischsprachige Bevölkerungsminderheit mit Internet-Entzug bestraft, weil sie mehr Selbstbestimmung forderte. Das Abklemmen hat in Afrika Methode: Uganda unterbrach wie Gambia, Gabon und der Tschad während der Wahlen die Verbindung zum Netz, damit die Opposition nicht gegen Unregelmäßigkeiten protestieren konnte. Und in Äthiopien blieb die gesamte Oromo-Region über Monate hinweg offline, um die Aufständischen untereinander und von der Welt getrennt zu halten.

Für ihre Feindseligkeit gegenüber dem Internet haben Afrikas Staatschefs gute Gründe. Schon während des Arabischen Frühlings zeigten die Sozialen Netzwerke, welches aufrührerische Potential in ihnen steckt: Über Twitter und Facebook wurden Proteste organisiert und das Informationsmonopol der repressiven Staaten umgangen. In ganz Afrika sorgte der Siegeszug der Mobiltelefone für überraschende Triumphe der Informations- und Meinungsfreiheit: Erstmals können sich selbst Provinzler in Echtzeit über Ereignisse und Ideen in der Hauptstadt, im ganzen Land, auf dem Kontinent und in der Welt auf dem Laufenden halten.

Die libertären Protagonisten der neuen Technologie hatten nicht zu viel versprochen: Mit dem Handy lässt sich die korrekte Behandlung von Wahlstimmen überprüfen, Übergriffe von Polizisten filmen, von offizieller Seite unterschlagene Informationen verbreiten und ganz generell die auf Kenntnisse basierende Mündigkeit der Bevölkerung steigern. Ein für Autokraten viel gefährlicheres Instrument als ein Molotow-Cocktail.

Aus diesem Grund haben sich Afrikas Herrscher inzwischen ein ganzes Arsenal an Abwehrwaffen zugelegt. Fest installiert wurden Aufsichtsbehörden, die wie das angolanische Amt zur Regulierung der Sozialen Kommunikation ständig über die in den Netzwerken verbreiteten Inhalte wachen. Stehen besondere Ereignisse wie Wahlen an, können die Dienste ganz abgeschaltet werden, was angesichts der flexiblen Technologie allerdings nur kurzfristigen Erfolg verspricht. Pfiffige Technologiefreaks weichen in diesem Fall auf Virtuelle Private Netzwerke (VPN) aus, die als Ersatzplattformen für WhatsApp- oder SMS-Botschaften dienen. Die Aktivistengruppe "Access Now" bietet Netzwerkblockierten mit ihrer rund um die Uhr aktiven "Digital Security Helpline" Verbindungshilfe an: Innerhalb von zwei Stunden, versprechen die subversiven Experten, könnten im Ernstfall Gegenstrategien für die Blockade gefunden werden.

Um solche Partisanenkämpfe zu verhindern, gehen Regierungen wie in Kamerun und Äthiopien inzwischen dazu über, gleich ganze Regionen vom Internet und Mobilfunknetz abzuschneiden – selbst wenn ihre Volkswirtschaft damit beträchtlichen Schaden erleidet. Nach Berechnungen der Washingtoner Brookings Institution kostete eine einmonatige Internetblockade in der äthiopischen Oromo-Region 8,5 Millionen US-Dollar. Weltweit sollen 81 Unterbrechungen in 19 Ländern 2016 einen Schaden von 2,4 Milliarden Dollar angerichtet haben.

Familien, die von den Überweisungen ihrer ins Ausland abgewanderten Angehörigen leben, sind von den Strafmaßnahmen besonders hart getroffen: Mit Internet und Mobilfunknetz wird auch ihr Geldtransfer gekappt. Die UNO stufte die Trennung der elektronischen Nabelschnur seitens des Staates schon vor zwei Jahren als Verletzung des Menschenrechts auf freie Meinungsbildung ein. Dies hielt die afrikanischen Regierungen allerdings nicht davon ab, 2016 zum Jahr der Internetattacken zu machen. Der Autokratenstaat Simbabwe ließ sich außerdem etwas vermeintlich Raffiniertes einfallen. Er erhöhte die Gebühren für die Datenübertragung kürzlich um das Fünffache. Die Wirtschaft der Staatsruine des 93-jährigen Präsident Robert Mugabe wird auf diese Weise allerdings noch gründlicher zerstört.

Ressort: Ausland

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Fr, 05. Mai 2017: PDF-Version herunterladen

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