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Marienkäfer gehen auf Tour

  • Do, 29. Oktober 2020
    Südwest

Kurz bevor sich die Tiere in die Winterruhe verabschieden, fahren sie nochmal den Stoffwechsel hoch und suchen sich ein Plätzchen.

Harlekin-Käfer schätzen die Gesellschaft ihrer Artgenossen.  | Foto: Martin Wennerwald
Harlekin-Käfer schätzen die Gesellschaft ihrer Artgenossen. Foto: Martin Wennerwald

. Wenn es jetzt im späten Herbst plötzlich kühler wird, merkt der Marienkäfer auf: Oha, es wird dringend Zeit, sich ein Winterquartier zu suchen. Er passt die letzten warmen Oktobertage für diese Wanderung ab. Und weil das alle aus der Marienkäferfamilie auf einmal tun, entsteht schnell der Eindruck einer Invasion: Sonnige Hauswände, Balkone und Fensterscheiben sind voll von den Glücksbringern. Doch sie legen dort nur eine kurze Verschnaufpause ein, menschliche Wohnungen stehen nicht ganz oben auf der Marienkäfer-Wunschliste.

"Marienkäfer machen es sich am liebsten in Hohlräumen gemütlich, etwa in Mauerritzen oder Dachsparren", sagt Claus Wurst, ehrenamtlicher Fachbeauftragter für Käfer beim Naturschutzbund (Nabu) Baden-Württemberg. Auch Laubhaufen in Gärten seien ein beliebter Unterschlupf zum Überdauern der unfreundlichen Jahreszeit, oft fänden sich hier größere Ansammlungen.

Zur Familie der Marienkäfer, lateinisch Coccinellidae, gehören europaweit mehr als 70 Gattungen und 250 Arten. Besonders verbreitet bei uns sind der Siebenpunkt-Marienkäfer Coccinella septempunctata – mit tiefroten Deckflügeln und den namensgebenden sieben schwarzen Punkten – und der Asiatische Marienkäfer. Letzterer wird auch als Harlekin-Käfer bezeichnet, er nimmt von hellrot über orange bis zu dunkelrot und fast schwarz so ziemlich alle Färbungen ein, die ihm einfallen. Weil er einen besonders großen Appetit auf Blattläuse und Gallmückenlarven hat, wurde er Ende des 20. Jahrhunderts zur biologischen Schädlingsbekämpfung nach Europa geholt und hat sich hier nun ein neues Habitat erobert.

Im Gegensatz zum Siebenpunkt-Marienkäfer, der eher als Individualreisender unterwegs ist, schätzt der Harlekin-Käfer die Gesellschaft seiner Artgenossen und geht daher eher in großer Runde auf Tour. Das ist erkennbar an den meist dichten, großen Schwärmen an südexponierten Hauswänden und Balkonen. Das gemeinschaftliche Überwintern hat zudem einen ganz pragmatischen Vorteil: Nach dem Aufwachen im Frühjahr sind potenzielle Paarungspartner direkt in Reichweite und müssen nicht erst mühsam gesucht werden.

Bevor sie sich in die Winterruhe verabschieden, fahren Marienkäfer noch einmal mit letzter Kraft ihren Stoffwechsel hoch und suchen Schutz für den Winter. "Wer das jetzt nicht schafft, wenn die Tage noch etwas wärmer sind, der droht in den kommenden Wochen zu erfrieren oder zu vertrocknen", sagt Volker Nehring, Biologe an der Universität Freiburg. "Das Gleiche gilt übrigens für die Wanzen, die derzeit oft gemeinsam mit den Marienkäfern auf Reisen gehen, diese reagieren auf die gleichen Klimaeffekte", erläutert Nehring.

Verirren sich Marienkäfer oder Wanzen auf ihrer Wanderung in Wohnungen, sollten sie so schnell wie möglich nach draußen befördert werden, so lange sie noch aktiv sind. Da die kleinen Roten auf Gefahr mit dem sogenannten Reflexbluten reagieren und dabei eine gelbe, bitter-stinkende und auch giftige Flüssigkeit absondern, fasst man sie besser nicht an und befördert sie am besten mit einem Blatt Papier oder Kehrschaufel und Besen nach draußen. Für sehr große Mengen eignet sich der Sockentrick: Man stülpt eine Socke über das Staubsaugerrohr, drückt sie nach innen, saugt auf niedrigster Stufe die Marienkäfer ein und bringt sie dann in der Socke nach draußen. Das alles bitte mit möglichst viel Gefühl.

Die Tiere aus reiner Nächstenliebe in der Wohnung überwintern lassen zu wollen, ist keine gute Idee. Unsere Innenräume sind zu warm, so dass die Winterstarre nicht einsetzen kann. Der Energieverbrauch bleibt zu hoch, während die Käfer keine Nahrung finden – sie verhungern.

Ressort: Südwest

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