Account/Login

"Mädchen tragen ihre Konflikte meist anders aus"

  • Philipp Zirm, Klasse 8 a & Kepler-Gymnasiumin Freiburg

  • Mi, 23. November 2011, 18:21 Uhr
    Schülertexte

Jan Kossack arbeitet in Luxemburg als Psychologe mit jugendlichen Straftätern. Philipp Zirn traf ihn und redete mit ihm über seinen Beruf und warum Jugendliche Straftaten begehen.

  | Foto: dpa
Foto: dpa
Zischup: Was machen Sie in Ihrem Beruf und wie behandeln Sie die jugendlichen Straftäter?
Jan Kossack: Ich rede viel mit ihnen und mache verschiedene Therapien.

Zischup: Wie kamen Sie zu Ihrem Beruf und was motiviert Sie, immer weiter zu machen?
Jan Kossak: Ich habe mir gedacht, selbst wenn es nur bei einer Person hilft, wieder zurück auf den rechten Weg zu kommen, ist dadurch ihm und seinen eventuell zukünftigen Opfern geholfen. Ich hoffe natürlich, dass es bei mehr Personen hilft.


Zischup: Angenommen, es kommt eine Person zu Ihnen, die sehr aggressiv ist. Wie reden Sie dann mit dieser Person und wie helfen Sie ihr oder ihm?
Jan Kossak: Ich versuche herauszufinden, warum diese Person so aggressiv ist und helfe der Person Wege zu finden, mit dieser Aggression umzugehen.

Zischup: Mit wie vielen jugendlichen Straftätern arbeiten Sie im Schnitt gleichzeitig?
Jan Kossak: Im Schnitt sind es circa 15 Personen gleichzeitig, das ändert sich aber da bei manchen die Therapie dann abgeschlossen ist.

Zischup: Kommen die Jugendlichen freiwillig zu Ihnen oder werden sie von irgendjemand geschickt?
Jan Kossak: Meistens kommen sie nicht freiwillig, oft werden sie von den Eltern oder vom Gericht geschickt. Es gibt aber natürlich auch Ausnahmen.

Zischup: Mit welchen Straftaten haben Sie am meisten zu tun?
Jan Kossak: Am meisten mit Körperverletzung und sexuellen Übergriffen.

Zischup: Denken Sie, die Leute bereuen ihre Taten und wollen sich wirklich ändern oder glauben Sie, dass die Personen denken: "Oh nein nicht schon wieder?"
Jan Kossak: Beides, manche kommen und man kann sie motivieren, wirklich ihre Persönlichkeit zu ändern. Es gibt aber auch viele, die kommen, weil sie kommen müssen und sich denken: Jeder an meiner Schule klaut - wieso soll ich also aufhören?


Zischup: Wie viele von denen, die Sie betreuen, kommen zurück auf den rechten Weg?
Jan Kossak: Das kann man nicht genau sagen, ich bekomme meist später keine Rückmeldung mehr von den Betroffenen.

Zischup: Behandeln Sie mehr Hauptschüler, mehr Realschüler oder mehr Gymnasiasten?
Jan Kossak:Es sind schon mehr Hauptschüler, aber in den anderen Schulen gibt es genauso Jugendliche, die Grenzen überschreiten.

Zischup: Warum sind es mehr Hauptschüler?
Jan Kossak: Wahrscheinlich, weil die Wut einfach größer ist. Weil sie viel weniger Perspektiven haben, was sie später mal mit ihrem Leben anfangen können. Als Gymnasiast mit Abitur kannst du später vielmehr Berufe ergreifen als ein Hauptschüler. Oft haben die Jugendlichen auch nicht gelernt, ihre Gefühle angemessen auszudrücken.

Zischup: Was sind die meist begangenen Taten von jugendlichen Straftätern?
Jan Kossak: Die meisten sind vermutlich Drogendelikte, Diebstahl und Vandalismus.

Zischup: Gibt es bestimmte Gründe warum Jugendliche Straftaten begehen?
Jan Kossak: Es gibt viele Gründe: Zum Beispiel innerhalb einer Gruppe , weil es die anderen auch machen und man dazugehören will. Oder dass man Geschichten erzählen kann, damit man cooler ist. Auch weil manche Jugendliche wenig Schönes in ihrem Leben haben und sich dann dadurch gut fühlen wollen, indem sie sich Dinge klauen, oder anderen weh tun, um sich selbst stark zu fühlen.

Zischup: Gibt es auch Jugendliche, die klauen, weil sie von ihrem Eltern unter Druck gesetzt werden?
Jan Kossak: Wenn überhaupt, dann ganz selten.

Zischup: Was ist das Durchschnittsalter, mit dem die meisten ihrer Schützlinge die ersten Straftaten begehen?
Jan Kossak: Im Schnitt beginnt es so zwischen 14 und 15 Jahren, oft wenn Alkohol und Drogen ins Spiel kommen.

Zischup: Wie hart sind Konsequenzen für Leute die öfters schlecht auffallen?
Jan Kossak: In Luxemburg ist es so, dass wenn ein Jugendlicher öfters negativ durch Gewalt oder kriminelle Sachen auffällt, der Richter die Jugendlichen in einem Heim unterbringen kann und die Eltern dadurch das Sorgerecht an den Richter verlieren.

Zischup: Ist man in Luxemburg auch erst ab 14 Jahren strafmündig wie in Deutschland?
Jan Kossak: Nein, in Luxemburg ist man erst ab 18 Jahren strafmündig.

Zischup: Wie sieht denn der Alltag in so einem Heim aus?
Jan Kossak: Das ist von Heim zu Heim unterschiedlich, aber in manchen beginnt es mit aufstehen, Frühsport, Frühstück, dann wird geduscht, danach geht man in die Schule oder macht seine Ausbildung, dann gibt es Mittagessen. Danach hat man Freizeit, dann wird wieder geduscht, dann gibt es Abendessen und danach ist Bettruhe.

Zischup: Sind es mehr Jungs, oder mehr Mädchen, die Straftaten begehen ?
Jan Kossak: Es gibt deutlich mehr Jungs als Mädchen, was aber auch damit zutun hat, dass wenn Mädchen aggressiv werden, wird das oft weniger streng gesehen, als wenn ein Junge zuschlägt. Insgesamt tragen Mädchen ihre Konflikte aber meist anders aus als Jungen und benutzen weniger Gewalt.

Zischup: Begehen Jungs dann auch die härteren Straftaten?
Jan Kossak: Bei Körperverletzung sind die Resultate bei den männlichen Jugendlichen meist heftiger, was oft daran liegt, dass Jungs mehr Kraft haben als Mädchen. Hinsichtlich der Anzahl der Straftaten liegen die Jungs schon vorne.

Zischup: Sind es in Luxemburg mehr einheimische oder mehr ausländische Straftäter?
Jan Kossak: In Luxemburg wirkt das sehr ausgeglichen - da sind es Einheimische genauso wie Ausländer.

Ressort: Schülertexte

Artikel verlinken

Wenn Sie auf diesen Artikel von badische-zeitung.de verlinken möchten, können Sie einfach und kostenlos folgenden HTML-Code in Ihre Internetseite einbinden:

© 2024 Badische Zeitung. Keine Gewähr für die Richtigkeit der Angaben.
Bitte beachten Sie auch folgende Nutzungshinweise, die Datenschutzerklärung und das Impressum.

Kommentare


Weitere Artikel