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Zischup-Interview mit einem Erzieher

"Man muss seinen Platz erst finden"

Kaan Celik, Klasse 8b, Jengerschule Ehrenkirchen / Außenstelle Schallstadt

Von Kaan Celik, Klasse 8b, Jengerschule Ehrenkirchen & Außenstelle Schallstadt

Mi, 04. Dezember 2013 um 14:43 Uhr

Schülertexte

Zischup-Reporter Kaan Celik hat einen männlichen Erzieher interviewt, der ihm unter anderem erzählt hat, wie es sich anfühlt, als Mann allein unter Frauen zu arbeiten.

Ein Erzieher buddelt auf dem Spielplat...sstätte mit mehreren Kindern im Sand.   | Foto: DPA
Ein Erzieher buddelt auf dem Spielplatz einer Kindertagesstätte mit mehreren Kindern im Sand. Foto: DPA
Zischup: Seit wann üben Sie den Beruf des Erziehers aus?
Sven*: Ich habe seit zwei Jahren ausgelernt.

Zischup: Wieso haben Sie sich für diesen Beruf entschieden?
Sven: Als Erstes war ich Fliesenleger, diesen handwerklichen Beruf habe ich mit 16 Jahren erlernt, dann habe ich Zivildienst in der Tumorbiologie in Freiburg gemacht und mit Jugendlichen zusammengearbeitet, die dort ihre Sozialstunden ableisten mussten. Anschließend habe ich noch ein Frewilliges Soziales Jahr im Altersheim absolviert. Da es mir mehr Spaß macht, mit jüngeren Menschen zu arbeiten, insbesondere mit Kindern oder Jugendlichen, habe ich mich dann für den Erzieherberuf entschieden.

Zischup: Macht Ihnen ihr Beruf Spaß, wenn ja warum?
Sven: Ja, es ist schön zu sehen, wie die Kinder sich jeden Tag auf etwas freuen, wie sie lachen, und es ist schön, ihre Entwicklung mitzuerleben.

Zischup: Wie ist es, in einem Beruf zu arbeiten, in dem man als Mann fast nur unter Frauen ist?
Sven: Hier bin ich der einzige Mann und es ist sehr ungewohnt, man muss seinen Platz erst finden. Mit manchen Dingen gehe ich als Mann anders um. Aber in diesem Team ist das kein Problem. Ich bin auch nicht der erste Mann, der hier arbeitet, früher gab es schon mal einen Erzieher in diesem Kindergarten.

Zischup: Wie reagieren die Kinder auf Sie?
Sven: Sehr positiv. Ja, viele sind regelrecht dankbar darüber, eine männliche Bezugsperson im Kindergartenalltag zu haben. Von den Kindern werde ich super aufgenommen, denn die brauchen das auch. Es ist ganz wichtig, dass sie auch männliche Bezugspersonen haben.
Zischup: Gibt es ein besonders schönes Ereignis aus Ihrem Arbeitsleben?
Sven: Ja, jeden Tag hier hereinzukommen und die Kinder zu sehen.

Zischup: Kommen Sie auch mal an Ihre Grenzen?
Sven: Bis jetzt ist mir das noch nicht passiert, nicht so, dass ich verzweifelt wäre. Ich kann mich auch nicht daran erinnern, Kinder jemals angeschrien zu haben. Man stößt ja auch außerhalb des Berufslebens täglich an Grenzen, aber meistens kann man sich arrangieren oder die Dinge irgendwie hinbiegen.
Zischup: Sie werden also nur ein bisschen lauter, damit die Kinder Sie besser verstehen, wenn es nötig ist?
Sven: Nein, lauter nicht, Kinder brauchen einfach eine klare Antwort, damit sie etwas verstehen. Man darf auf keinen Fall umständliche oder langatmige Aussagen treffen, sondern muss ganz klar "Ja" oder "Nein" sagen, dann akzeptieren sie das auch. Und man darf die Arbeit nicht im Kopf mit nach Hause nehmen, denn man hat halt auch schwierigere Kinder. Es ist sehr wichtig, dass man nicht auch noch zu Hause darüber grübelt, denn das wäre so eine Grenze, die man erfahren könnte.

Zischup: Wie lange können Sie sich vorstellen, in diesem Beruf zu arbeiten?
Sven: Na ja, ich habe ja erst angefangen. Vor zwei Jahren habe ich an einer deutschen Schule in Bilbao in Spanien gearbeitet, das ist jetzt mein erstes Jahr in Deutschland. Und bis jetzt kann ich mir vorstellen, das noch ein paar Jahre zu machen. Außerdem könnte ich mir vorstellen, mich beruflich noch weiterzubilden, da gibt es zahlreiche Möglichkeiten.

Zischup: Woran könnte es Ihrer Meinung nach liegen, dass so wenige Männer als Erzieher arbeiten?
Sven: Das hat sicher mit dem Ansehen des Berufs zu tun, man wird doch schnell als Kindergärtner abgestempelt, der nur mit den Kindern spielt. Das ist so ein Klischee, das mir unbegreiflich ist. Der Beruf ist viel komplexer und sehr anspruchsvoll. Zu diesem Vorurteil kommt dann noch der vergleichsweise niedrige Lohn. Das ist für einen Mann, der häufig noch als Ernährer einer Familie angesehen wird, problematisch. Der Beruf gilt nach wie vor als Frauenberuf.

Zischup: Also könnte es sein, dass Männer da nicht arbeiten wollen, weil sie nicht nur unter Frauen sein wollen und außerdem befürchten, als Weichei abgestempelt zu werden?
Sven: Das sind sicher Gründe, der Erzieherberuf entspricht einfach nicht dem typischen Rollenbild eines Mannes, obwohl es dazu eine ganze Menge Mut braucht.

Zischup: Wollen Sie selbst auch einmal Kinder haben?
Sven (lacht):
Man soll nie "Nie" sagen, aber momentan kann ich mir das nicht vorstellen. Themenwechsel!

Zischup: Würden Sie anderen jungen Männern zu dem Beruf raten?
Sven: Ja, auf jeden Fall. Das Wichtigste ist aber, zu wissen, worauf man sich einlässt. Und um zu erfahren, was da auf einen zukommt, sollte man zum Beispiel ein Praktikum machen.

*Sven hat darum gebeten, seinen Nachnamen nicht zu veröffentlichen.

Ressort: Schülertexte

  • Zum Artikel aus der gedruckten BZ vom Fr, 13. Dezember 2013:
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