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Meine Uroma ging zum Protestieren nach Wyhl

  • Chiara Cirelli, Klasse 8f &

  • Do, 30. April 2015
    Schülertexte

Eine Enkelin erzählt, mit wie viel Engagement ihre Urgroßmutter gegen das geplante Atomkraftwerk in Wyhl demonstrierte.

Foto ohne Uroma Maria Zieser, aber mit vielen Demonstranten   | Foto: dpa
Foto ohne Uroma Maria Zieser, aber mit vielen Demonstranten Foto: dpa
Vierzig Jahre ist es schon her, dass das Atomkraftwerk in Wyhl erfolgreich verhindert wurde. Meine Urgroßmutter war dabei. Und weil mich das Thema interessiert, bin ich in die Vergangenheit gereist. Anfang März war ich auf der Ausstellung von Manfred Richter im Emmendinger Rathaus. Es handelt sich hier um eine Fotoausstellung. Der Fotograf Manfred Richter hat damals am Bauplatz des geplanten Kernkraftwerks Wyhl, in den umliegenden Orten und bei Demonstrationen jede Menge Fotos geschossen. Die Bilder erzählen Geschichten darüber, wie der Bau des Atomkraftwerkes in Wyhl verhindert werden konnte.

Über Kern- oder Atomkraftwerke hatte ich mir eigentlich bisher noch keine großen Gedanken gemacht. Zur Ausstellung bin ich aber gegangen, weil meine Mutter mir erzählte, wie meine 1901 geborene Urgroßmutter Maria Zieser gegen das geplante Werk in Wyhl mit viel Herzblut demonstriert hat. Meine Mutter erzähle mir auch, dass meine Urgroßmutter schon immer eine sehr kampflustige Frau war. Sie konnte, wenn ihr etwas missfiel, nicht einfach tatenlos zusehen. Und tatsächlich ist sie auch auf drei der Fotografien zu sehen. Direkt am Eingang blickt sie schon stolz in die Kamera, die kleine Frau mit Brille und Kopftuch. Auf den ersten Blick würde man wirklich nie vermuten, dass so viel Kampfgeist in dieser kleinen Person steckt. Es war wirklich sehr beeindruckend für mich zu sehen, wie man mit Ausdauer und viel Engagement für eine Sache erfolgreich kämpfen kann.

Meine Mutter weiß noch gut, wie meine Urgroßmutter, die sehr religiös war, in ihrer Verzweiflung sogar den damaligen Papst Paul VI. in einem Brief um Hilfe bat. Sie kann sich auch noch gut an die Enttäuschung meiner Oma erinnern, als nach mehreren Anschreiben eine Antwort kam. Darin stand kurz und knapp, sie solle dem Fortschritt nicht im Wege stehen. Aufhalten ließ sich meine Urgroßmutter trotzdem nicht. Wie so viele Menschen aus der Umgebung wie Bauern, Hausfrauen und junge Studenten wurde sie sogar im stolzen Alter von über siebzig Jahren mit Wasserwerfern und Polizeigewalt vom Platz gejagt.

Ein Besucher der Ausstellung erzählte uns, dass er als Junge von etwa 15 Jahren mit zum Demonstrieren nach Wyhl durfte. Er erzählte uns, dass die Polizei von der Umgebung abgezogen wurde, weil ja viele selbst gegen den Bau des Atomkraftwerkes waren und stattdessen Polizisten aus Berlin eingesetzt wurden. Wie groß die Freude für meine Urgroßmutter war, als der Bau verhindert wurde, kann man sich denken. Ich, die genau 100 Jahre nach meiner Urgroßmutter geboren wurde, kann aus dieser Geschichte noch sehr viel lernen. Unter anderem: Dass man nie zu alt für Protest ist.

Ressort: Schülertexte

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