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Blutsaugende Plagegeister

"In diesem Jahr sind mehr Zecken als 2021 aktiv"

Sina Schuler
  • Mi, 18. Mai 2022
    Südwest

BZ-INTERVIEWmit dem Zecken-Forscher Alexander Lindau über gute Bedingungen für Blutsauger und die gesunkene Zahl an FSME-Fällen.

Alexander Lindau  | Foto: Privat
Alexander Lindau Foto: Privat

Wer viel wandert, hat bestimmt auch in diesem Jahr schon Bekanntschaft mit Zecken gemacht. Warum die blutsaugenden Plagegeister vermehrt und früher aktiv sind, darüber hat Sina Schuler mit dem Zecken-Experten Alexander Lindau gesprochen.

BZ: Herr Lindau, stimmt denn der persönliche Eindruck: Gibt es dieses Jahr mehr Zecken?
Lindau: In diesem Jahr sind definitiv mehr Zecken als 2021 aktiv – und das auch schon ziemlich früh. Das liegt wahrscheinlich daran, dass der Winter nicht sehr kalt war bei uns.

BZ: Den Zecken reichen ja schon einstellige Temperaturen.
Lindau: Bei fünf bis sieben Grad wird der gemeine Holzbock aktiv. Ab 25 bis 28 Grad fühlen sich die Tiere dann besonders wohl.
BZ: In Tälern kann es aber auch passieren, dass es ihnen zu warm wird.
Lindau: Grundsätzlich kann es ihnen im Sommer zu warm werden. Die Problematik für die Zecken liegt bei uns aber weniger in der Temperatur – die Tiere sind sehr temperaturresistent – als vielmehr in der Trockenheit. Sie sind sehr empfindlich, was Austrocknung angeht, und sind auf eine höhere Luftfeuchtigkeit angewiesen.
BZ: Baden-Württemberg ist FSME-Risikogebiet. Weiten sich solche Gebiete aus?
Lindau: Nur weil es viele Zecken gibt, heißt es nicht, dass es auch viele FSME-Erkrankungen gibt. Borrelien, die eine Borreliose auslösen können, kommen flächendeckend vor. FSME-Viren sind auf Gebiete beschränkt, die manchmal nur 20 mal 30 Meter groß sind. Es gibt in den Zeckenpopulationen nicht überall FSME-
Viren.
BZ: Können sich die Viren dann nicht weiter verbreiten?
Lindau: Solche Gebiete wachsen nicht wirklich. Woran das liegt, ist bis heute nicht wirklich geklärt. Aktuell geht man davon aus, dass es auf die entsprechende Mäusepopulation zurückzuführen ist.
BZ: Inwiefern?
Lindau: FSME-Viren scheinen sich in verschiedenen Mäusepopulationen unterschiedlich gut entwickeln zu können. Da das Einzugsgebiet einzelner Populationen nicht wächst, dehnen sich auch FSME-Gebiete nicht aus. Es kommt hier eher zu Verschleppungen durch Wanderungen einzelner Mäuse.
BZ: Laut Daten des RKI sind bundesweit die FSME-Fälle im vergangenen Jahr von 712 auf 417 gesunken. Hängt das mit der Impfung zusammen?
Lindau: Nein, die Impfquote in Baden-Württemberg ist auf einem zu niedrigen Niveau, um einen Einfluss darauf zu haben. Die menschliche Aktivität spielt dagegen eine entscheidende Rolle: Wenn die Menschen nicht in FSME-Gebiete gehen, können sie sich nicht anstecken. Vergangenes Jahr sind mehr Menschen verreist als im ersten Corona-Sommer, als viele in den heimischen Wäldern unterwegs waren. Vielleicht ist auch ein Bewusstsein gewachsen und die Menschen ergreifen Schutzmaßnahmen, wie lange helle Kleidung zu tragen oder sich nach dem Waldbesuch auf Zecken zu kontrollieren. Wie sich Zahl der FSME-Fälle dieses Jahr entwickelt, ist schwer zu sagen.
BZ: Sie sammeln Zecken. Wie läuft das ab?
Lindau: Aktuell und schon seit vielen Jahren untersuchen wir ein Waldgebiet bei Stuttgart. Wir ziehen Zeckenflaggen aus weißem Moltonstoff wegen der besseren Sichtbarkeit über die Vegetation. Die Zecken sitzen auf Gräsern und Sträuchern und warten, bis ein Wirt sie abstreift.
BZ: Wie oft hat Sie dabei schon eine Zecke gestochen?
Lindau: Viermal. Das ist überhaupt nicht viel angesichts der Anzahl, die wir sammeln. Wir haben durchaus Tage, an denen man als Einzelner 700 bis 800 Zecken findet. Dass ich nicht von mehr Zecken gestochen wurde, zeigt, dass Zeckenschutzmaßnahmen gut wirken.

Alexander Lindau (35) ist als Biologe und Experte für Parasitologie an der Universität Hohenheim in Stuttgart tätig. Er beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit Zecken und zeckenübertragenen Erregern.

Ressort: Südwest

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Mi, 18. Mai 2022: PDF-Version herunterladen

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