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Unwetter

150 Rettungskräfte im Dauereinsatz

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  • Mo, 06. Juni 2016
    Heitersheim

Nach dem Starkregen in Heitersheim: Die Aufräumarbeiten sind abgeschlossen, zwei unterspülte Straßen bleiben weiterhin für den Verkehr gesperrt.

Innerhalb weniger Minuten stieg das Wasser am Freitagnachmittag in den Straßen an, Gullideckel wurden weggespült, Wasser drückte in die Kellergeschosse. Foto: Alexander Huber, Volker Münch (2)
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HEITERSHEIM. Mehr als 50 überflutete Keller, Erdrutsche und unterspülte Straßen – aber keine Personenschäden: So lautet die vorläufige Bilanz des Unwetters vom Freitagabend, das nach ersten Schätzungen alleine im öffentlichen Raum wohl einen Schaden im mittleren fünfstelligen Bereich verursacht hat. Bis auf weiteres bleiben zwei Straßen gesperrt, der Schulbetrieb in der Grund-und Werkrealschule kann am heutigen Montag hingegen weitergehen.

In der Grund- und Werkrealschule wurden gerade erst neu eingerichtete Räumlichkeiten beschädigt, in der Realschule war zunächst nicht klar, ob es zu Unterrichtsausfällen kommen würde. Auch mehrere Betriebe im Heitersheimer Gewerbegebiet waren betroffen, dort ließen sich die Schäden aber nach Auskunft von Bürgermeister Martin Löffler, der zusammen mit den Rettungskräften bis tief in die Nacht im Einsatz war, gut in den Griff bekommen. "Einige Privathaushalte aber hat es ganz schön heftig erwischt", so Löffler, der unter anderem von einer Familie berichtete, bei der die Fluten im Keller bis unter die Decke gestiegen waren und die Stromversorgung des Hauses lahmlegten.

Mittlerweile sind die Aufräumarbeiten weitgehend abgeschlossen, jetzt wird es auch darum gehen, wie und ob sich die Stadt künftig besser gegen derartige Wetterereignisse wappnen kann. Genauer ansehen wolle man sich vor allem die Situation an der Unterführung der B3, sagte Bürgermeister Löffler, der nach ersten vorsichtigen Schätzungen von einem entstandene Schaden alleine im öffentlichen Raum von 20 bis 70 000 Euro ausgeht. Als erste Sofortmaßnahme wurden am Wochenende zunächst 3000 zusätzliche Sandsäcke ausgegeben. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich in den kommenden Tagen erneut ein derartiges Blitz-Unwetter über der Malteserstadt zusammenbrauen könnte ist zwar gering, doch die durch den Starkregen vollgesogenen Böden können auch geringere Regenmengen momentan kaum aufnehmen.

Bis auf weiteres gesperrt bleibt ein kurzer Abschnitt auf der Hattensteiner Straße in Heitersheim und auch die ebenfalls unterspülte Verbindungsstraße zwischen Heitersheim und Betberg muss umfahren werden.

In einer letzten Lagebesprechung der Einsatzkräfte wurde die Zahl der Helfer auf 150 Personen nach oben korrigiert. Nachdem sich Feuerwehrkommandant Kai Ullwer und dessen Stellvertreter Marc Schlicksupp gemeinsam mit Bürgermeister Martin Löffler ein abschließendes Bild vom Einsatzgeschehen machen konnten, kristallisierten sich mehrere Schwerpunkte der Einsätze heraus. Besonders Schlamm spülte es die Honiggasse bis zum Ufer des Sulzbaches hinunter, eine Böschung wurde am Samstag mit Planen abgedeckt, um bei weiteren Regenfällen weitere Hangrutschungen zu vermeiden. Hier wurde auch ein Ablauf für ein Nebengebäude hergestellt, um zusätzliches Regenwasser von der Böschung abzuleiten. "Die Höhe der Schäden an Privatgebäuden ist für uns längst nicht überschaubar", sagte Bürgermeister Martin Löffler. Nahezu alle Haushalte seien aber mehr oder weniger von dem plötzlichen Hochwasser betroffen gewesen. Getroffen hatte es auch die Schulen. "Trotzdem können alle Schulen am Montag ihren Betrieb wieder aufnehmen", betonte der Bürgermeister. Etwas Wasser drang auch ins Rathaus ein. Ferner registrierte die Stadtverwaltung zahlreiche kleinere Schäden an einigen Straßen.

Der Wolkenbruch, der am Freitagabend gegen 19.30 Uhr einsetzte, und ungefähr eine Dreiviertelstunde dauerte, ließ den Sulzbach, der mitten durch Heitersheim fließt, an mehreren Stellen über die Ufer treten. Das Abwassersystem war nicht mehr in der Lage, die Wassermassen abzuleiten, Gullideckel wurden hochgespült und das Wasser drückte in die Kellergeschosse. Ein Schwerpunkt bildete sich im Bereich der Zollmattenstraße und im Gewerbegebiet Tiergarten, wo zahlreiche Wohnhäuser, Rohbauten und Unternehmen im wahrsten Sinne des Wortes abgesoffen waren.

Die Wassermengen waren so enorm, dass Böschungen und Weinberge ins Rutschen kamen, große Schlammmengen sich in die Straßen und in die Keller ergossen. In der Hauptstraße schob sich eine Flutwelle mit einer Höhe von rund 30 Zentimeter durch die Häuserschlucht. Die Volksbank am Lindenplatz wurde überflutet, in der Poststraße drohte eine zum Glück noch nicht angeschlossene Gasleitung, die an einer Baustelle frisch verlegt wurde, durch die Wassermassen gehoben zu werden. Die Hauptverkehrsachse B 3, die mitten durch Heitersheim führt, blieb indes durchgehend befahrbar.

Um die Wassermassen des Sulzbach ein wenig zu zähmen, wurde der Ablauf aus dem Regenrückhaltebecken zwischen Heitersheim und Ballrechten-Dottingen zwischenzeitlich gesperrt, dann aber – nach dem Ablaufen der stärksten Fluten – auch recht bald wieder geöffnet, um einen Rückstau zu vermeiden.

Lokal stark begrenztes Unwetter

Das Unwetter war lokal stark begrenzt. Betroffen war vor allem Heitersheim, Notrufe gingen im Laufe des Freitagabends aber auch aus Buggingen und Sulzburg ein. Augenzeugen aus benachbarten Orten berichteten von eindrucksvollen Bildern aus der Distanz, als sich aus einer tiefschwarzen Wolkenwand die Schleusen des Himmels über der Malteserstadt öffneten. Das meteorologische Phänomen erklärte die Internetseite kachelmannwetter.com mit einer "kleinen, leicht rotierenden Superzelle" mit einer Wolkenobergrenzen-Temperatur von minus 58 Grad.

Das geschah just zu dem Zeitpunkt, da der Festakt zur Eröffnung des neuen Vereins- und Jugendzentrums in der Malteserhalle in vollem Gang war, zu dem unter anderem auch die Staatssekretärin im Landwirtschaftsministerium Friedlinde Gurr-Hirsch aus Stuttgart angereist war. Man wollte gerade zum gemütlichen Teil des Abends übergehen, als der Heitersheimer Feuerwehrkommandant Kai Ullwer, der nur wenige Augenblicke vorher selbst als Festgast zugegen war, in die Halle gestürmt kam, einen fulminanten Vortrag des Musikvereins Heitersheim kurzerhand abbrechen ließ und die Anwesenden bat, nach Hause zu fahren, um dort nach dem Rechten zu sehen.

Die Einsatzkräfte wurden daraufhin in Windeseile zusammengezogen. Neben der Heitersheimer Feuerwehr waren Kameraden aus Ballrechten-Dottingen, Buggingen, Sulzburg, Eschbach, Müllheim, Münstertal, Staufen sowie Kräfte des Technischen Hilfswerks aus Müllheim und des DRK im Einsatz.

Die große Herausforderung für die Helfer bestand zunächst darin, sich bei den im Minutentakt eingehenden Notrufen einen Überblick zu verschaffen und die richtigen Prioritäten beim Abarbeiten der Einsätze zu finden. Kommandant Ullwer lobte in diesem Zusammenhang die Solidarität der Heitersheimer. Nachbarn halfen Nachbarn – die Bürger griffen kurzerhand selbst zu Pumpen, Eimern und Lumpen und beseitigten das eingedrungene Wasser. Auf dem Parkplatz der Firma Hirtler hatte die Müllheimer Feuerwehr einen ihrer Hochwasserschutz-Abrollcontainer gebracht, wo sich die Anwohner mit fertig gefüllten Sandsäcken versorgen konnten.

Gut 120 Einsätze zählten die Rettungskräfte, die bis tief in die Nacht unterwegs waren. Der Wolkenbruch selbst hörte so schlagartig auf, wie er eingesetzt hatte. Und als hätte die Natur einen ganz speziellen Sinn für Humor, spannte sich nach dem Guss ein schöner Regenbogen über die Felder zwischen Heitersheim und Seefelden. Die für den gemütlichen Teil des Einweihungsfestes im Vereinshaus vorbereiteten Speisen und Getränke wurden kurzerhand für die Verpflegung der Helfer umgewidmet.

Der Bürgermeister lobte die gute Organisation der Einsätze und die Besonnenheit der Bürger. "Wir sind", so Löffler, "trotz allem noch mit einem blauen Auge davon gekommen".

Weitere Bilder vom Unwetter gibt es im Internet unter: http://mehr.bz/unwetterheitersheim

Ressort: Heitersheim

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Mo, 06. Juni 2016: PDF-Version herunterladen

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