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Hunderte unbesetzte Stellen

Grundschullehrer sind weiter Mangelware in Baden-Württemberg

  • dpa

  • Fr, 10. August 2018, 13:01 Uhr
    Südwest

Der Lehrermangel hält an – Grundschulen werden im neuen Schuljahr besonders darunter leiden. Die Gewerkschaft GEW rechnet mit 500 unbesetzten Stellen im Land – Gymnasiallehrer helfen aus.

Nach Prognosen der Gewerkschaft GEW bl...500 Stellen an Grundschulen unbesetzt.  | Foto: dpa
Nach Prognosen der Gewerkschaft GEW bleiben im neuen Schuljahr voraussichtlich 500 Stellen an Grundschulen unbesetzt. Foto: dpa

"Die Lehrerknappheit bleibt auf dem gleichen hohen Niveau wie im Vorjahr", sagte die Landeschefin der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Doro Moritz, in Stuttgart. Voraussichtlich blieben 500 Stellen an Grundschulen unbesetzt.

Der Grundschulverband ist in größter Sorge, dass die Lücke nicht zu schließen ist. "Die Kollegen arbeiten bereits jetzt an der Obergrenze ihrer Leistungsfähigkeit", mahnte Landeschef Edgar Bohn. Laut Kultusministerium ist erst im September klar, wie viele Stellen noch offen sind. Zum neuen Schuljahr sind etwa 5500 Stellen zu besetzen. Zu Anfang des vergangenen Schuljahres waren 672 Stellen offen, vor allem an Grund- und Sonderschulen. Ressortchefin Susanne Eisenmann (CDU) stellt aber schon jetzt fest: "Auch im aktuellen Jahr ist die Lage auf dem Bewerbermarkt angespannt."

Mehr Bewerber als Stellen verzeichnet sie derzeit nur bei den Gymnasien. Mehrere Tausend Männer und Frauen konkurrieren um knapp 900 Stellen. Wer nicht zum Zuge komme, könne sich ja bei den Grundschulen bewerben. Zudem appelliert sie an die Bereitschaft der Junglehrer, sich auf andere Schularten und ungewohnte Regionen einzulassen – mit der Perspektive auf eine unbefristete Stelle. Hunderte an Ministerium und Schulbehörden abgeordnete Lehrer seien bereits wieder in die Schulen geschickt worden. Eisenmann: "Die Unterrichtsversorgung hat für mich absolute Priorität."

Rückschritte bei der Inklusion

Eisenmann bedient sich vieler Stellschrauben, um die Unterrichtsversorgung abzusichern. Eine davon ist die Anwerbung von Gymnasiallehrern für den Unterricht an Grundschulen. Wenn sich die jungen Leute für das Grundschullehramt qualifizieren und für mindestens drei Jahre an einer Grundschule verpflichten, werden sie im Gegenzug verbeamtet und erhalten eine Zusage für eine Stelle im gymnasialen Lehramt. Diese Aussichten ließen die Zahl nach oben schnellen: Mehr als 170 Gymnasiallehrkräfte gehen im nächsten Schuljahr an die Grundschule. Das sind mehr als fünf Mal so viele wie im Jahr zuvor. Das Ministerium rechnet nach eigenen Angaben bis Ende September mit einer noch höheren Zahl.

Bei den Sonderpädagogen, die auch in den Klassen mit behinderten Kindern an den Grundschulen unterrichten, fehlen Gewerkschafterin Moritz zufolge Bewerber für 100 Stellen. Darunter litten die allgemeinbildenden Lehrkräfte, für die es zu wenig Fortbildung zum Thema Integration behinderter Schüler (Inklusion) gebe. "Außerdem nehmen die Kollegen sie kaum wahr, weil das ihr Kollegium noch weiter belasten würde." Die Vize-Vorsitzende des Grundschulverbandes, Magdalene Haug, sieht sogar Rückschritte bei der Inklusion: "Ich würde Eltern nicht ermutigen, ihr behindertes Kind in eine Regelschule zu schicken."

Auch an den Schularten Gymnasium, Real- und Werkrealschule fällt nach Ansicht des Landeselternbeirats zu viel Unterricht aus. Das achtjährige Gymnasium sei mittlerweile zum siebenjährigen mutiert – so viel Unterricht falle an dieser Schulart über die Jahre aus, sagte Landeschef Carsten Rees. "Ministerin Eisenmann hat die undankbare Aufgabe, die Suppe auszulöffeln, die in den letzten 10, 15 Jahren angerührt worden ist."

Was kann helfen? Gewerkschafterin Moritz will Lehrer länger im Dienst halten und dafür die Altersermäßigung ausweiten. Viele ausgepowerte Pädagogen gingen mit Abschlägen im Alter von 63 Jahren in den Ruhestand. Zwei Stunden weniger unterrichten ab 63, sei kein Anreiz weiter zu machen. Moritz’ Vorschlag: "Mit fünf Stunden pro Woche könnte ein ganzer Tag freigenommen oder jeden Tag eine Stunde weniger unterrichtet werden."

Überdies schlägt die GEW-Frau vor, die Zahl pädagogischer Assistenten von 200 bis 300 an Grund- und Werkrealschulen zu erhöhen. Jeder der rund 2400 Grundschulen sollte so einen Helfer erhalten – und zwar ohne, dass dafür ein Lehrer weniger eingestellt wird. Haug, Vize-Chefin des Grundschulverbands, pocht auf bessere Rahmenbedingungen: "Grundschullehrer haben mit 28 Stunden die höchste Unterrichtsverpflichtung und das geringste Gehalt – diese Ungerechtigkeit muss beendet werden."

Ressort: Südwest

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