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Zischup-Schreibwettbewerb Frühjahr 2016

Nicht das Gelbe vom Ei

  • Lisa Rebecca Hoffmeister, Klasse 9, Heimschule St. Landolin & Ettenheim

  • Mo, 30. Mai 2016, 11:56 Uhr
    Schreibwettbewerb Zischup

Auch Sprache verändert sich mit der Zeit. Wie, versucht Lisa Rebecca Hoffmeister, Schülerin der Klasse 9 der Heimschule St. Landolin in Ettenheim, in ihrem Wettbewerbstext zu beschreiben.

Warmer Regen prasselt auf die mit dem elektronischen Surren der Autos erfüllten Straßen. "Gattentoiletta zum halben Preis", rief die Frau vor dem Pucomarkt, dem örtlichen Flohmarktstand für Zoo,- und Haustierartikel. Und damit meinte die Frau nicht das, was man auch darunter verstehen könnte, nämlich die Hinterlassenschaften eines Ehemannes.

Ja, ab und zu wünsche auch ich mir diese hippen Ausdrücke zum Mond. Entschuldigen Sie bitte, falscher Himmelskörper. "Zum Mars", korrigiert mich mein automatischer Regenschutz-Assistent, der sich in der Zwischenzeit um meinen Körper aufgespannt hatte.

Recht hat er, das sagt man heutzutage schließlich so. Ein freundliches "Habe ich dir schon einmal die wichtigsten Fakten über den für die Forschung wichtigsten Planeten übermittelt?" kommt aus dem Ärmel. Gefolgt von einem "Dankeschön, aber haben wir nicht schon eine Million mal über den Mars geredet?" Skeptisch blicke ich zum Himmel, es nieselt. Kein besonders gutes Wetter, um meine, wie ich schon oft bemerkt habe, völlig veraltete Tradition des Fahrradausflugs fortzuführen. Langsam überquere ich den Zebrastreifen und betrachte dabei gedankenverloren das kleine Tannenwäldchen vom "Baumzuchtlabor e.V.", das direkt am Busbahnhof liegt.

Mein Blick fällt auf die kleinen runden Autos, die noch immer automatisch anhalten. Ein Igel denkt sich wohl im selben Moment wie ich, er könne doch auch einmal die Straße überqueren. Sehr zum Leid der Autofahrer. "Stau!" ruft eine rot gelockte Dame wütend.In solchen Momenten wünsche ich mir die Autofahrer zum Teufel. Sie müssen doch wissen, dass es nicht der Natur des Igels entspricht, sich einen Zebrastreifen zu suchen, um die Straße zu überqueren.

Ein dürrer, grauhaariger Mann am Steuer verflucht den Igel, der sich gerade gemütlich auf den Weg macht, als Miststück. Vor lauter Ärger knüllt er ein Papier zusammen und schmeißt es aus dem Fenster seines silbergrauen Kleinwagens. Richtig lag diesmal auch sein Assistent: "Na? Umweltverschmutzung! Der Betrag wird umgehend von Ihrem Konto abgebucht."

Ein kleiner blonder Junge, der gerade gelangweilt vom Spazierengehen mit seiner Familie an einer Säule stehenbleibt, deutet hämisch kichernd auf mein, wie ich finde, cooles Gefährt. Er sagt: "Bicicletta, Bicicletta di Montagna!" "Früher sagte man dazu noch "Mountainbike"!" sage ich und wende mich mit einem gequälten Lächeln an die Mutter des Kindes, die wohl vor lauter Erstaunen vergessen hat, wie man den Mund wieder zumacht. Ich schob mein Rad weiter in Richtung "Memservada- Café".

Dass Begriffe wie "Mountainbike" mit der Zeit in Vergessenheit geraten sind, ist für mich immer noch befremdlich. Aber jetzt mal ehrlich, der Begriff "Bergfahrrad" wäre auf die Dauer auch nicht das Gelbe vom Ei gewesen.

Ressort: Schreibwettbewerb Zischup

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