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Konkurrenz

Onlineshopping setzt zunehmend auf Beratungsangebote

  • Sina Gesell

  • Mi, 21. Oktober 2015, 00:00 Uhr
    Wirtschaft

Schlagendes Argument des stationären Handels war bisher die Beratung. Doch die gibt es zunehmend auch im Internet. Und manchen ist die anonymere Online-Beratung gar lieber.

Passt das so? Beratung in Sachen Mode gibt es vermehrt auch im Netz.  | Foto: colourbox
Passt das so? Beratung in Sachen Mode gibt es vermehrt auch im Netz. Foto: colourbox

FREIBURG. Casual oder business? Sportlich oder klassisch? Polohemd oder T-Shirt? Da kann Mann, will er sich einkleiden, schon mal den Überblick verlieren. Oft hilft eine Beratung. Und die gibt es mittlerweile nicht nur beim Händler in der Fußgängerzone, auch der Onlinehandel hat das Verkaufsargument für sich entdeckt.

"Eine Beratung auf Distanz ist mir lieber", sagt Fabian Pöhlmann, "und ich denke, da gehen viele Männer d’accord mit." Der 28-Jährige hat sich bisher zweimal vom Onlinehändler Modomoto ein Outfit zusammenstellen lassen, bald will er den Konkurrenten Outfittery testen. Die beiden Unternehmen haben sich auf Stilberatung im Netz spezialisiert, Curated Shopping nennt sich das Ganze und funktioniert folgendermaßen: Der Kunde klickt sich durch einen Fragebogen, in dem Maße wie Größe und Gewicht, Vorlieben sowie der Preis, den man zu zahlen bereit ist, abgefragt werden. Das Unternehmen ermittelt so den Stil und bietet zudem ein telefonisches Beratungsgespräch an. Der Modeberater stellt dann ein komplettes Outfit zusammen und legt dem Paket eine handschriftlich verfasste Karte bei. Ein paar Tage später bekommt der Kunde seine Bestellung und kann sich dann entscheiden, welche Teile er behält und welche er kostenlos zurückschickt.

"Ich habe nie vorgehabt, das komplette Outfit zu behalten", sagt Pöhlmann. Also behielt er Pulli, Hemd und Schal – an Wert rund 20 Prozent, schätzt der Ingenieur, der in Stuttgart lebt. Den Rest schickte er zurück. Einen Anruf bekam er erst, als er das zweite Mal bestellte. Der Berater habe mit ihm Farbpräferenzen, Passform und Vorlieben besprochen und auch gefragt, was bei der vorherigen Bestellung nicht gut angekommen ist. Als nett und unaufdringlich beschreibt Pöhlmann die Beratung.

So wie sie eben auch im Geschäft in der Fußgängerzone sein sollte. Dessen schlagendes Argument in der Konkurrenz mit Onlinehändlern war lange Zeit die Beratung. Tobias Maria Günter, Director bei der Unternehmensberatung Simon-Kucher & Partners, sieht aber keine Gefahr in der Onlineberatung, sondern eine Chance für den stationären Handel. "Der Händler vor Ort muss seine Kernkompetenz nutzen – und das ist die Beratungsleistung", sagt Günter, "und die kann er ebenso im Netz anbieten wie der Onlinehändler auch." Einige Unternehmen wie Peek und Cloppenburg bieten eine Stilberatung bereits im Internet an, der Kunde holt die bestellten Produkte in der Filiale ab und muss nicht auf seine Bestellung warten.

Pöhlmann geht es wie wohl vielen Männern: "Ich bin eher ein Shoppingmuffel", sagt er. Aus diesem Grund haben sich Modeberater im Netz bisher vor allem auf die männliche Zielgruppe spezialisiert. In diesem Jahr aber ging Zalando mit seiner Stilberatungsplattform "Zalon" online – das Angebot richtet sich an Männer und Frauen. Und die Händler stoßen in weit mehr Bereiche als Mode vor. Roomhero beispielsweise bietet Beratung für Möbel und Inneneinrichtungen an. Auch auf diesem Feld sieht Handelsexperte Günter Möglichkeiten des Händlers, die über ein Telefonat hinausgehen können: "Ganz einfach: Webcam auf den Kopf, durch die Wohnung laufen und dem Verkäufer zeigen. Der kann dann Vorschläge für Lampen oder Gardinen machen." Grundsätzlich sei die Onlineberatung in nahezu allen Bereichen denkbar. "Wer verkauft, muss erklären", sagt Günter, "das war im Kolonial- und Tabakwarenladen auch nicht anders."

Nicht nur für den stationären Handel, auch für kleine Onlinehändler sieht der Experte in den Curated-Shopping-Angeboten eine Chance. Während sich Internethändler bisher vor allem über den Preis am Markt behaupten konnten, reicht dieses Kriterium oft nicht mehr aus, meint der Handelsexperte: "Nicht jeder kann in dieser Dimension spielen, wenn es um den Preis geht." Gegen Internetgrößen wie Amazon zu bestehen, sei schwierig. "Clevere Händler schaffen andere Werte, und das kann die Beratung sein", so Günter.

Auch Fabian Pöhlmann ist bereit, für eine gute Beratung Geld auszugeben, sagt er – egal ob on- oder offline. Doch sieht er auch die Grenzen des Onlineshoppings: Viele der bestellten Sachen habe er zurückschicken müssen, weil sie schlicht nicht passten. Bei seiner zweiten Bestellung hat er keines der Teile behalten. Gerade bei Hosen sei das ein Problem gewesen. Aus diesem Grund wolle er nicht aufs Shopping vor Ort verzichten.

Der Verbraucher als Zwitter

"Als Verbraucher ist man Zwitter", sagt auch Handelsexperte Günter, "an einem Tag bestellt man sich eine Pizza, am anderen Tag geht man fein essen." Ähnlich sei es beim Shopping: Manches kauft man online, anderes offline.

Noch steckt Curated Shopping – das Konzept stammt aus den USA – in Deutschland in den Kinderschuhen: Laut einer Studie des E-Commerce-Centers Köln nutzen bislang nur knapp vier Prozent der Online-Einkäufer die Shoppingberatung aus dem Netz. Günter sieht in dem Angebot aber Potenzial: "Wenn ich als Händler im Wettbewerb bestehen will, muss ich mir was Besonderes einfallen lassen", sagt er, "und Curated Shopping bietet da viele Möglichkeiten."

Ressort: Wirtschaft

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Mi, 21. Oktober 2015: PDF-Version herunterladen

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