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BZ-Interview

Ornithologe zur Frage: Soll man Vögel im Winter füttern?

Michael Saurer
  • Do, 03. Dezember 2015, 15:55 Uhr
    Panorama

Viele Naturliebhaber wollen den Piepmätzen in der Winterzeit helfen und stellen Vogelhäuschen auf den Balkon. Dabei kann man aber einiges falsch machen. Ein Experte dazu im Interview.

Kohlmeise am Futterplatz  | Foto: dpa
Kohlmeise am Futterplatz Foto: dpa
Die Bäume sind kahl, Insekten überwintern gut versteckt, der Boden ist oft hartgefroren – für Vögel ist es im Winter schwer, an Futter zu kommen. Ein Gespräch mit dem Ornithologen Lars Lachmann zu dem Thema.

BZ: Herr Lachmann, sollte man Vögel im Winter überhaupt füttern?

Lachmann: Es gibt keinen Grund, das nicht zu tun. Man darf aber nicht denken, dass man damit den Vogelarten das Überleben sichert. Der Hauptgrund, warum der Nabu empfiehlt, im Winter zu füttern, ist ein naturpädagogischer. Die Vogelfütterung ist ein ganz tolles Naturerlebnis, so nah kommt man sonst fast nie an wilde Tiere heran.

BZ: Würden Vögel ohne die Hilfe der Menschen denn verhungern?

Lachmann: Einzelne Vögel vielleicht schon, aber das gehört zur normalen Selektion und ist wichtig, um die Bestände gesund zu halten. Wie gesagt, das Füttern ist aus Sicht des Naturschutzes – von Spezialfällen abgesehen – nicht notwendig.

BZ: Schadet man mit dem Füttern nicht? Es wird ja immer wieder geraten, zum Beispiel Enten in einem See kein Brot zu geben.

Lachmann: Das ist etwas anderes. Wenn man Enten und Schwäne füttert, dann führt das dazu, dass ein Gewässer zu stark mit Nährstoffen angereichert wird und es so leichter umkippen kann. Hinzu kommt, dass man so künstliche Konzentrationen von Vögeln schafft, die dann bestimmte Bereiche mit ihren Ausscheidungen verunreinigen. Deshalb darf man ja auch Tauben in vielen Städten nicht füttern.

BZ: Aber mit Singvögeln gibt es da keine Probleme?

Lachmann: Normalerweise nicht. Es gibt da manchmal Ärger mit den Nachbarn, gerade wenn sie unten drunter wohnen und den Dreck auf ihren Balkon abbekommen. Da gibt es aber auch schon Urteile dazu: Man kann den Menschen das Füttern nicht verbieten, kann aber von ihnen verlangen, dass sie Vorkehrungen treffen, damit die Balkone unter ihnen nicht verschmutzt werden.

BZ: Wann sollte man mit der Fütterung beginnen?

Lachmann: Klassischerweise fängt man Mitte November an und füttert dann bis in den März durch. Früher hat man gesagt, dass man nur bei langen Frostperioden füttern sollte. Da man aber sowieso nur füttert, um die Vögel besser beobachten zu können, ist es ratsam, den ganzen Winter durchzufüttern. Die Tiere gewöhnen sich so an die Futterstelle und kommen dadurch regelmäßig wieder.

BZ: Wie sollte eine Futterstelle aussehen?

Lachmann: Wichtig ist, dass man keine traditionellen Futterhäuschen verwendet, wie man sie noch vor einigen Jahren überall gesehen hat. In denen laufen die Tiere im Futter herum und verunreinigen sie durch ihren Kot. Dadurch verbreiten sich Krankheitserreger schnell und die Vögel können sich leicht gegenseitig anstecken. Besser sind sogenannte Futtersilos, also Häuser, in denen Vögel nur das Picken, was unten aus einem geschlossenen Behälter nachrutscht. Die Vögel sitzen dann nicht im Futter drin, sondern auf Stangen davor. Der Kot geht so direkt auf den Boden und nicht ins Futter.

BZ: Sollte man die Häuschen reinigen?

Lachmann: Bei Futtersilos ist das während der Saison nicht notwendig, während traditionelle Futterhäuschen täglich gereinigt werden müssten. Wichtig ist immer: Wenn man kranke oder tote Vögel an der Futterstelle findet, sollte man mit der Fütterung aufhören und eine Pause von zwei bis drei Wochen einlegen, bis man sicher sein kann, dass keine Krankheitserreger mehr dort lauern.

BZ: Welches Futter soll man verwenden?

Lachmann: Als Grundfutter bieten sich Sonnenblumenkerne an, am besten die schwarzen, die noch in der Schale sind. Das macht zwar mehr Dreck durch die herunterfallenden Schalen, dafür bleiben die Vögel aber länger an der Futterstelle. Es gibt auch Mischfutter in den Bau- und Supermärkten. Da sollte man sich aber bewusst sein, dass das Futter umso minderwertiger ist, je mehr Getreide wie etwa Weizen dort enthalten ist. Viele Vögel mögen das nicht und schmeißen es gleich herunter. Vögel sind wählerisch wenn genug Futter da ist. Manche Vögel wie etwa Rotkehlchen oder Amseln mögen auch Weichfutter wie Haferflocken, Rosinen oder Kleie.

BZ: Was ist mit den Meisenknödeln?

Lachmann: Das ist das sogenannte Fettfutter und das kann man auch selber herstellen. Man macht dazu Sonnenblumenkerne und Haferflocken in etwas warmes Rinderfett und lässt es abkühlen. Das kann man dann an einen Baumstamm schmieren oder man rollt die Mischung zu den klassischen Kugeln. Natürlich kann man das auch fertig kaufen, dann würde ich aber empfehlen, die Variante ohne Netz zu kaufen. In seltenen Fällen können Vögel in dem Netz mit den Füßen hängenbleiben.

BZ: Und Küchenabfälle oder altes Brot?

Lachmann: Das sollte man unbedingt vermeiden. Das sind Futterquellen, die leicht verderben und verdorbenes Essen ist für Vögel genau schlecht wie für Menschen. Und außerdem sind Küchenabfälle und auch Brot oft stark gesalzen, wodurch die Vögel übermäßigen Durst bekommen, den sie im Winter aber nicht so leicht stillen können.

BZ: Und wenn es warm wird, muss man dann aufhören mit Füttern?

Lachmann: Nein. Es geht ja wie eingangs erwähnt um die Naturbeobachtung. Und das kann man auch im Sommer tun. Im Sommer ist es aber viel schwerer, die Vögel anzulocken, weil es viele andere Nahrungsquellen gibt und Körnerfutter dann nur bei wenigen Arten gefragt ist. Man kann aber zum Beispiel im Anglerladen Mehlwürmer kaufen und die verfüttern. Die Vögel nehmen die gerne an und werden einen dann das ganze Jahr über besuchen.
Lars Lachmann

Der 40-Jährige arbeitet als Referent für Ornithologie und Vogelschutz beim Nabu-Bundesverband in Berlin. Dort koordiniert er die bundesweite Vogelschutzarbeit des Naturschutzbunds.

Ressort: Panorama

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