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Studie

Ost- und West Deutschland: Klischees werden weniger

Bernhard Walker
  • Do, 23. Juli 2015, 00:00 Uhr
    Deutschland

Die Wiedervereinigung beider deutschen Staaten ist aus Sicht des Berlin-Instituts für Bevölkerung eine Erfolgsgeschichte. Vor allem bei jungen Menschen nehmen die Vorurteile ab.

Überreste der Berliner Mauer: Was trennt die Deutschen heute noch?  | Foto: dpa
Überreste der Berliner Mauer: Was trennt die Deutschen heute noch? Foto: dpa
Viele Unterschiede wirkten aber bis heute nach, sagte Institutsdirektor Reiner Klingholz am Mittwoch in Berlin. Trockene Studien gibt es viele. Und was die demografische Entwicklung oder das Zusammenwachsen der Deutschen aus Ost und West anbelangt, hat auch das Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung schon klassisch-wissenschaftliche Erhebungen mit Fußnoten und komplizierten Tabellen vorgelegt. Die neue Studie des Instituts zum Stand der Deutschen Einheit ist eher ein Potpourri durchaus skurriler und amüsanter Tatsachen – Tatsachen, die gleichwohl sehr erhellend sind.

So stellt die Expertise fest, dass es die Redewendung "Fakt ist...", die in der DDR gebräuchlich war, jetzt in ganz Deutschland verbreitet ist. Die Worte Kombinate, Brigaden und Traktoristen hingegen sind genauso verschwunden wie das Wink-Element (DDR-Sprache für Fähnchen) oder das Erdmöbel. So hieß im Arbeiter- und Bauernstaat der Sarg.

Im Erdmöbel liegt seit knapp 25 Jahren die DDR. Überall, so Klingholz, zeichne sich aber immer noch die alte Ost-West-Grenze nach. In den alten Ländern gibt es deutlich weniger Arbeitslosigkeit, deutlich kleinere Landwirtschaftsbetriebe und viel weniger Stimmen für die Linkspartei, dafür aber höhere Vermögen, höhere Erbschaften, mehr Engagement im Ehrenamt, mehr Bindung an die Kirchen, mehr privaten Waffenbesitz, den Sitz sämtlicher DAX-Konzerne und sämtlicher Fußballvereine der ersten Bundesliga. Von den 14 Mannschaften, die in der letzten DDR-Oberliga-Saison 1990/91 spielten, kommt heute keine über die dritte Liga hinaus.

Zusammengewachsen sind Ost und West bei den Bildungsabschlüssen, der Zahl der Kinder und den Konsumgewohnheiten. Die Wessis trinken auch mal ein Radeberger-Bier oder Rotkäppchen-Sekt, während die Ossis zu Milka-Schokolade greifen. Gleich ist inzwischen auch die Lebenserwartung, womit sich enorme Unterschiede eingeebnet haben.

Die Bürger zieht es in die Großstädte

Schreibt man die Lebenserwartung der DDR fort, zeigt sich, dass Frauen und Männer beim Fortbestand der DDR einige Jahre früher verstorben wären, als es heute im vereinten Deutschland der Fall ist (Frauen haben eine Lebenserwartung von knapp 81,4 Jahren, Männer von knapp 75 Jahren). Trotz aller Unterschiede gerade auch bei ökonomischen Aspekten wie der Produktivität oder der Höhe der Einkommen bewertet Klingholz die Wiedervereinigung positiv: "Kein Zusammenschluss einst getrennter Staaten mit derartig unterschiedlichen politischen Systemen hat je so reibungslos geklappt."

Mit dem Abbau von Klischees geht es laut Studie auch voran. Zwar sehen viele Ostdeutsche die Wessis als arrogant, während knapp fünf Prozent der befragten Westdeutschen meinen, dass Ossis zu anspruchsvoll seien. Je jünger aber die Befragten sind, umso weniger spielen Stereotype eine Rolle.

Die Ost-West-Spaltung schwindet auch an einer anderen Stelle. Seit dem Mauerfall verließen zwei Millionen Ostdeutsche ihre Heimat gen Westen. Inzwischen hat sich der Wanderungssaldo ausgeglichen: Es wandern so viele von Ost nach West ab wie umgekehrt.

Zudem ziehen viele Bürger in die Großstädte und Ballungsräume, während das flache Land immer mehr Einwohner verliert: Diese Entwicklung findet in den neuen wie in den alten Bundesländern statt.

Ressort: Deutschland

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Do, 23. Juli 2015: PDF-Version herunterladen

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