Account/Login

Millionen-Projekt

Pariser "Zoo der Zukunft": Wo Tiere machen, was sie wollen

Axel Veiel
  • Mi, 23. April 2014, 00:00 Uhr
    Panorama

Im neuen Pariser Zoo sind Klima, Flora und Fauna der vor Ostafrika liegenden Insel Madagaskar und vier weiterer Weltengegenden für 167 Millionen Euro nachempfunden worden.

Ein Zebra tobt durch den neuen Pariser Zoo.   | Foto: Parc Zoologique
Ein Zebra tobt durch den neuen Pariser Zoo. Foto: Parc Zoologique

"Der Mensch ist hier zu Gast bei den Tieren, er hat die Privatsphäre der Gastgeber zu respektieren", stellt Thomas Grenon klar, der Direktor des Nationalen Naturkundemuseums.

Das Chamäleon ist wie vom Erdboden verschluckt. Eben noch hing es eingerollt am Ast. Nun ist da nur der Ast – für ein paar Augenblicke jedenfalls. Denn schon stürmt ein Federball auf Stelzen aus dem Gehölz. Der Vertreter einer offenbar draufgängerischen Laufvogelart stoppt erst, als Mensch und Tier, Schuhsohlen und Krallen, ernsthaft aneinanderzugeraten drohen. Vom Kaiman dagegen fehlt jede Spur. Eine Stunde harrt er nun schon, den Blicken entzogen, in Graben, Dickicht oder Wasserloch aus, denkt gar nicht daran, hervorzukommen. Auch von der 600 Kilo schweren Süßwasserseekuh ist nichts zu sehen. So ist das halt auf Madagaskar. Da machen die Tiere, was sie wollen, zeigen sich dem Menschen, wenn ihnen danach ist. Aber nur dann.

Ein Elefantengehege gibt es nicht

Unter Federführung des Nationalen Naturkundemuseums sind die fünf Lebensräume des am vergangenen Wochenende eröffneten Tierparks entstanden: Madagaskar, Patagonien, Guyana, die afrikanische Sahelzone und Europa. Das Ergebnis sei ein Zoo des 21. Jahrhunderts, sagt Grenon. Wirklich ein Zoo? Weit und breit ist kein Elefantengehege zu entdecken. Und bei so manchem durch Gräben oder Holzbalken begrenzten Areal lässt nicht einmal erahnen, was drinnen kreuchen oder fleuchen sollte. Das Wohl des Tieres sei oberstes Gebot, erläutert Grenon. Ein Bär brauche einen Hektar Platz, um sich halbwegs wohl zu fühlen, weshalb eine artgerechte Haltung auf dem insgesamt 14,5 Hektar großen Zoogelände schwer möglich sei. Elefanten lebten in Herden, beanspruchten kaum weniger Lebensraum. Andere Tierarten wiederum benötigten zwar nicht viel Terrain, dafür aber eine Menge Zeit, um sich an lärmende Zuschauer zu gewöhnen. Das treffe etwa auf die Robben zu, die man deshalb erst in ein paar Wochen zur öffentlichen Betrachtung freigeben werde.

Der Löwe freilich thront weithin sichtbar auf beheizten Felsen. Ein in freier Natur vom Aussterben bedrohter europäischer Fischotter tobt zur Freude der Zuschauer zwischen Wasserfällen, Sturzbächen und Seen herum. Und die 16 Tiere zählende Giraffenherde stolziert erhobenen Hauptes durch eine Steppe fast schon afrikanischer Ausmaße.

Ein moderner Zoo sei kein Vergnügungspark und auch kein Tierausstellungsgelände, sagt Pascal Jacob, Historiker und Spezialist für Zirkus- und Zoogeschichte. Heutzutage leite ein Tierpark seine Daseinsberechtigung aus der Bedrohung der Schöpfung her. Ein guter Zoo schärfe das Bewusstsein für die Zerbrechlichkeit der Ökosysteme und die Notwendigkeit, die Vielfalt der Arten zu bewahren. Der alte Pariser Zoo – 1934 an gleichem Ort eröffnet und 2008 als nicht mehr zeitgemäß geschlossen – war noch in ganz anderem Geiste errichtet worden. Da stand der Wunsch einer Kolonialmacht Pate, exotische Beute zu präsentieren, die Überlegenheit des Menschen zu illustrieren. Das neue Konzept, wonach die Bedürfnisse des Tieres an erster Stelle stehen, trifft auf breite Zustimmung. Obwohl Erwachsene 22 Euro Eintritt zu entrichten haben (Kinder bis zu elf Jahren 14 Euro, von zwölf Jahren an 16,50 Euro), übertrifft der Andrang alle Erwartungen.

Ressort: Panorama

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Mi, 23. April 2014: PDF-Version herunterladen

Artikel verlinken

Wenn Sie auf diesen Artikel von badische-zeitung.de verlinken möchten, können Sie einfach und kostenlos folgenden HTML-Code in Ihre Internetseite einbinden:

© 2024 Badische Zeitung. Keine Gewähr für die Richtigkeit der Angaben.
Bitte beachten Sie auch folgende Nutzungshinweise, die Datenschutzerklärung und das Impressum.

Kommentare


Weitere Artikel