Account/Login

Verkehr

Per Tretroller durch die Blechlawine

  • dpa

  • So, 21. Oktober 2018, 20:30 Uhr
    Panorama

Viele Innenstädte der USA ersticken im Stau. Immer häufiger wuseln deshalb Tretroller durch die Blechlawinen. Die E-Scooter werden per App freigeschaltet und können überall abgestellt werden.

Mit «Lime» geht in Wien das erste Unte...retroller in der Stadt verteilen wird.  | Foto: dpa
Mit «Lime» geht in Wien das erste Unternehmen an den Start, das Elektro-Leihtretroller in der Stadt verteilen wird. Foto: dpa
In den USA sind sie der absolute Renner und in Großstädten an vielen Straßenecken zu finden: E-Scooter. Die Tretroller mit Elektroantrieb sind der neue Trend. Sie können auf den Fahrradwegen gefahren werden oder sind am rechten Fahrbahnrand unterwegs. "Ich nutze die Scooter vor allem für kurze Distanzen, um von der Metrostation zum Büro zu fahren", sagt Robert Price aus Washington. Nicht ganz ungefährlich beim Tänzeln durch den Berufsverkehr, bieten die Roller immerhin eine Alternative zu Auto oder Bussen. Sie bleiben nicht im Verkehr hängen und kosten keine Parkgebühren - man stellt sie einfach irgendwo ab. Neben Pendlern nutzen auch Touristen die Scooter.

"Das ganze Konzept ist eine coole Idee", sagt John Lawrence, ein Deutsch-Brite aus der Nähe von München, der gerade Washington besucht. Mit bis zu 24 Kilometern pro Stunde düst er auf dem Roller durch die Straßen. Die Nutzer müssen eine App des jeweiligen Rolleranbieters auf das Smartphone herunterladen. Verschiedene Verleiher stehen zur Wahl. Abgerechnet wird je nach Fahrtzeit über die Kreditkarte – zehn Minuten kosten 2,50 Dollar, das sind rund 2,20 Euro. Zwei, drei Mal stößt man sich ab. Der Rest funktioniert mit einem Hebel am Lenker. Es gibt auch eine Handbremse und einen Ständer zum Abstellen.

"Heute sind 40 Prozent der Autofahrten weniger als zwei Meilen lang", erläutert Travis VanderZanden, Gründer und Geschäftsführer von Bird, in der Washington Post. Zwei Meilen sind etwa 3,2 Kilometer. "Unser Ziel ist es, so viele dieser Fahrten wie möglich zu ersetzen, damit wir Autos von der Straße holen und den Verkehr und die Treibhausgasemissionen eindämmen können."

Das Datenunternehmen Populus hat von Mai bis Juli 7000 Menschen in US-Großstädten nach ihrer Meinung zu den Scootern befragt. 70 Prozent sehen die elektrischen Roller als Bereicherung für die Städte sowie als Ergänzung zum öffentlichen Nahverkehr. Trotz des schnellen Aufstiegs der rund elf Kilo schweren Scooter sind nicht alle glücklich über deren Erfolg. In San Francisco wurden die Motorroller in Bäumen oder gar im Wasser der Bucht gefunden. Im März hatten die Anbieter über Nacht versucht, Hunderte Scooter zu etablieren. Anfang Juni mussten sie alle Roller einsammeln, da die Stadt erst einmal über Regularien für den Verleih zu beraten hatte.

Diesen Ärger kennt man auch von Leihrädern in deutschen Städten. Probleme gibt es nämlich besonders deswegen, weil man die Scooter überall parken kann. "Es ist nervig, wenn sie mitten auf Gehwegen stehen oder Einfahrten blockieren", sagt Zhihao Yun, ein Student aus China. Auch das schnelle Fahren auf Bürgersteigen löst Unruhe aus. In Washington läuft seit September 2017 ein Pilotprojekt für stationslose Fahrräder, das im Februar um die E-Scooter ausgeweitet wurde. Bei diesem System müssen alle Anbieter ihre Fahrt-Daten mit der Verkehrsbehörde teilen. Diese hat in den ersten zehn Monaten bis Juni 625 000 Fahrten mit elektrischen Rädern und Scootern registriert. Allein im Mai nutzten 55 000 Leute die neuen Transportmöglichkeiten für 140 000 Fahrten. Der Anbieter Lime bezeichnet die E-Scooter als "leichtes und flexibles Fortbewegungsmittel". Allerdings fehlen auch in der Hauptstadt noch Regelungen für das Scooter-Konzept. Daher wurde die Testphase in Washington Ende August bis Jahresende verlängert, um noch mehr Daten zu sammeln und an den bestehenden Problemen zu arbeiten. "Wir denken, dass es ein brauchbares Programm gibt. Und, dass es einen rechtlichen Rahmen geben muss", erklärt Sam Zimbabwe, leitender Projektleiter der Washingtoner Verkehrsbehörde, in der Washington Post. Zumindest präsentieren die Anbieter bereits eine einheitliche Lösung für batterieleere Scooter, die je nach Marke 11 bis 23 Kilometer zurücklegen können. Freiwillige können sich auf den Webseiten der Anbieter melden und Roller einsammeln. Für das Aufladen über Nacht und das Platzieren an belebten Fußgängerstellen am Morgen zahlen die Firmen zwischen 5 und 20 Dollar.

Auch in Europa sind die Roller schon angekommen. Erst in Paris, wo Mitte dieses Jahres die ersten Scooter verliehen wurden. Systeme in Wien folgten im September. In Deutschland könnten laut Angaben des Anbieters Lime die Städte Berlin und Frankfurt die ersten Ziele sein. "Mit den Bürgern von Berlin und Frankfurt teilen wir bereits neue Fortbewegungsoptionen, indem wir unsere Fahrräder und E-Bikes dort bereitstellen", sagt Gauthier Derrien, regionaler Lime-Geschäftsführer in Europa. In der Bundesrepublik müssen aber zuerst Regeln für die Scooter verabschiedet werden.

Ressort: Panorama

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Mo, 22. Oktober 2018: PDF-Version herunterladen

Artikel verlinken

Wenn Sie auf diesen Artikel von badische-zeitung.de verlinken möchten, können Sie einfach und kostenlos folgenden HTML-Code in Ihre Internetseite einbinden:

© 2024 Badische Zeitung. Keine Gewähr für die Richtigkeit der Angaben.
Bitte beachten Sie auch folgende Nutzungshinweise, die Datenschutzerklärung und das Impressum.

Kommentare


Weitere Artikel