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Pfiffe sorgen für dicke Luft

Michael Dörfler
  • Mo, 17. August 2015
    SC Freiburg

Der SC Freiburg verliert zu Hause gegen den VfL Bochum mit 1:3 und hat den Schuldigen gleich ausgemacht: Schiedsrichter Peter Sippel, der zwei Mal Rot zieht.

FREIBURG. Peter Sippel, wohnhaft in München, ist seit 1997 Schiedsrichter in der zweiten Fußball-Bundesliga, seit dem Jahr 2000 pfeift der 45-jährige Diplom-Betriebswirt auch erstklassig. Mehr als 330 Spiele hat er in den beiden Bundesligen seither geleitet – und das in einer Art und Weise, die ihn nicht zu den umstrittensten seiner Zunft werden ließ. Auch international hat er die Regeln bis 2011 auf dem Platz ausgelegt. Kurzum: Sippel darf wohl zu den profilierteren Pfeifenmännern dieses Landes gezählt werden.

Am Samstag war Sippel mal wieder im Freiburger Schwarzwaldstadion im Einsatz, wo jedoch ein paar der von ihm getroffenen Entscheidungen in unguter Erinnerung bleiben dürften. Mehrheitsfähig waren sie nämlich nicht ausgefallen, was nach dem Schlusspfiff des 1:3 (0:0) verloren gegangenen Spiels gegen den VfL Bochum unter anderem an der Mimik von Amir Abrashi deutlich wurde. Mit hochrotem Kopf und grimmigem Blick trat der Schweizer vor die wartenden Journalisten und befand kurz und bündig: "Das war absolut unmöglich. Der hat mit seiner Roten Karte alles kaputtgemacht."

Dabei meinte Abrashi nicht den Ausschluss seines Kollegen Marc Torrejón, der nach einer etwas zu ungestüm ausgefallenen Aktion in der 89. Minute mit Rot bedacht wurde. Abrashis Unmut und der seiner Mitspieler galt vielmehr einem Vorfall nach knapp einer Stunde, als Mensur Mujdza nach einem Zweikampf mit Bochums Stürmer Simon Terodde seiner zweiten Gelben Karte ansichtig wurde und mit Gelb-Rot das Feld räumen musste. Seinen Ellenbogen hatte Mujdza bei der Aktion nicht regelkonform eingesetzt. Blöd nur, dass sich der Bosnier vor der Pause schon eine Verwarnung eingefangen hatte. Wofür genau, wusste hinterher aber niemand so richtig zu sagen. Und Abrashi konstatierte: "Damit hat der Schiri die Kräfteverhältnisse verschoben."

Nach Mujdzas Abgang drehte sich die Partie. Unversehens verloren die Freiburger die Kontrolle über das Spiel, die Zuordnung auf dem Platz ging verloren – und die Bochumer in Führung. Die Gäste hatten Lunte gerochen und folgerichtig auf Offensive umgestellt. Ganze zehn Minuten brauchten die in den ersten beiden Saisonspielen ebenso wie die Gastgeber verlustpunktfrei gebliebenen Westdeutschen, um durch Onur Bulut (65.) und ihren Torjäger Terodde (70., 75.) ergebnismäßig auf und davon zu ziehen. Torrejóns Schuss in den Winkel zum 1:3 (83.) war nur noch Kosmetik.

Zuvor war das Spiel, nun ja, nicht gerade der ganz große Brüller gewesen. Von einer hochklassigen Spitzenpartie, wie sie mancher Besucher wegen des guten Tabellenstandes der beiden Klubs vielleicht erwartet hatte, war der Schlagabtausch schon ein gutes Stück entfernt. Auch, weil sich die Freiburger unerwartet schwertaten. Die Bochumer, die erwartet kompakt und mit guter Ordnung auftraten, versuchten gleich gar nicht, einen offenen Schlagabtausch zu erzwingen. Sie zogen sich zurück, machten die Räume eng, doppelten die ballführenden Freiburger Spieler – und bohrten ihnen damit gewaltig am Nerv.

Gleichwohl kam in den Freiburger Reihen und auf den Rängen keine große Nervosität auf. Der Sportclub, bei dem Vegar-Eggen Hedenstad für den an einer Seitenstrangangina erkrankten Maximilian Philipp im rechten Mittelfeld Spielminuten sammeln durfte, war die spieltechnisch bessere Mannschaft, sie kontrollierte das Spiel. Und sie hatte auch zwei veritable Chancen. Beide Mal jedoch war Nils Petersen (10., 32.) in bester Position das Glück nicht hold. Mehr noch: Im zweiten Durchgang schlich Petersen ebenso wie Kollege Hedenstad vom Platz. Wobei die Gestik der beiden unmissverständlich war. Sie hielten sich die Leiste.

Wie Abrashi missfiel auch Vinzenco Grifo das Endergebnis "ganz gewaltig". Gleichwohl fiel die Analyse des früheren Frankfurters weniger emotional aus. "Kleinigkeiten" nur seien es gewesen, die Statik habe nach Mujdzas Platzverweis nicht mehr gestimmt und bis zu diesem habe man dem VfL "keine Chance gegönnt". Und zum Ende hin sei halt die Kraft ein wenig ausgegangen im Spiel Zehn gegen Elf. Das alles werde man aber in der kommenden Woche besprechen und entsprechend abarbeiten. Ganz ohne ein Wort zum Referee wollte sich auch Grifo nicht verabschieden. "Auffällig" sei für ihn gewesen, dass viele taktische Foulspiele der Bochumer nicht geahndet worden seien. "Der Schiri", beschied er, "hat da keine gute Arbeit geleistet."

Es bedarf keiner hellseherischen Kräfte, um zu ahnen, dass auch Christian Streich die Aussagen seiner Spieler teilte. Durch "die Einflussnahme von außen" sei die Partie "völlig aus den Fugen geraten", beschied Freiburgs Coach, der mit seinen Gedanken schon beim Spiel am kommenden Samstag in Düsseldorf schien. Dort muss der Sportclub ohne die gesperrten Mujdza und Torrejón auskommen, nach den Eindrücken vom Bochum-Spiel ist es zudem nicht ausgeschlossen, dass auch Petersen und Hedenstad womöglich nicht werden mitmachen können. Gute Perspektiven sehen anders aus.

Ach ja, und dann war da noch die Vergangenheit. Bochums Coach Gertjan Verbeek und Christian Streich, die sich im März 2014 – noch zu Verbeeks Zeiten beim Nürnberger Club – mal ein schlagzeilenträchtiges Scharmützel geliefert hatten, würdigten sich am Samstag keines Blickes. Und auf die Frage eines Reporters, ob die Sache ausgestanden sei, sie sich ausgesprochen und die Hand gegeben hätten, machte der Niederländer Sprachschwierigkeiten ("Verstehe nicht") geltend – und Streich schüttelte kommentarlos den Kopf. Noch so ein Vorgang, den man sich an diesem Tag auch anders hätte vorstellen können.

Ressort: SC Freiburg

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Mo, 17. August 2015: PDF-Version herunterladen

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