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Ran an die virtuellen Bauklötze!

Nele Harms

Von Nele Harms

Do, 12. März 2015

fudder

Trotz Retro-Optik ist Minecraft das erfolgreichste Computerspiel der Welt – denn jeder Spieler kann seine eigene Welt erbauen.

Die Optik von Minecraft istdurch und durch Retro.  | Foto: Illustration:Nils Oettlin
Die Optik von Minecraft istdurch und durch Retro. Foto: Illustration:Nils Oettlin

Auf den allerersten Blick hat Minecraft wenig zu bieten: Als ziemlich eckiges Männchen bewegt man sich in einer ziemlich eckigen Welt aus Bauklötzen – immer auf der Suche nach Rohstoffen wie Holz, Metal und Blättern, um sich damit seine eigene Welt zu erbauen. Doch Minecraft ist das erfolgreichste Computerspiel der Welt. Wir wagen den Erklärungsversuch des Phänomens.

Wild hackt Marcel Müller auf einen Zombie ein, der sich ihm bedrohlich nähert. Als der Untote sich in Luft aufgelöst hat, geht der 18-jährige Freiburger weiter dem Aufbau seiner selbstgestalteten Welt nach.

Marcel spielt Minecraft – und zeichnet sein Spiel auf, um es auf seinen Youtube-Kanal "Freiburger Free Entert4inment" hochzuladen. So können Minecraft-Fans auf der ganzen Welt anschauen, wie der Hotelkaufmann-Azubi mit seiner Spitzhacke Holz abbaut, um später ein Haus daraus zu bauen und hinter Kühen und Schafen her rennt, um diese mit einem gezielten Schlag seiner Steinaxt zu Fleisch zu verarbeiten. Weiter geht’s für Marcel in den Minen; hier klopft er die Wände nach verwendbaren Rohstoffen ab und findet Eisen, das er später zu weiteren Werkzeugen verarbeiten wird.

Minecraft ist das zur Zeit weltweit erfolgreichste Computerspiel. "Es ist das Lego dieser Generation", urteilte der Computerspielforscher Ian Bogost in einem Porträt des Magazins "Forbes" über Minecraft-Erfinder Markus "Notch" Persson. "Das Spiel ist eine Revolution, wie es der Heimcomputer war."

Minecrafts Faszination kennt keine Altersgrenzen: Grundschulkinder verbringen ihre Nachmittage mit dem Spiel, Teenager zocken mit ihren Freunden und Erwachsene bauen das gesamte Land Dänemark nach – basierend auf den Daten des dänischen Landesvermessungsamts. Fans der TV-Serie "Game of Thrones" bauten gar die Städte des fiktiven Kontinents Westeros nach. Marcel, der seit sechs Jahren spielt, mag das. "Minecraft ist ein Spiel für jedermann", sagt er. Die breite Altersstruktur der Spieler führe aber auch zu Konflikten. "Ältere Spieler beleidigen jüngere Spieler im Game häufig", sagt Marcel. "Und die machen das dann nach."

Den durchschlagenden Erfolg des Spiels erklärt Marcel mit dem offenen Spielekonzept. "In Minecraft kann man unendlich viele Dinge tun. Außerdem spielt man es aus der eigenen Perspektive, so fühlt man sich besonders in die Spielwelt hinein versetzt", sagt er. Es gibt kein Ende, keinen vorgeschriebenen Spielverlauf. Spielerinnen und Spieler können immer wieder neu beginnen.

Doch was macht man als Spieler in Minecraft überhaupt? "Entweder baut man so lange, bis einem langweilig wird oder man spielt im Quest-Modus", erklärt Marcel die Grundfunktionen. Bei den sogenannten Quests erledigt der Spieler einfache Aufgaben, muss einen Diamanten finden oder Eisen abbauen. Innerhalb von vier oder fünf Stunden können diese Aufgaben meist bewältigt werden.

Um der selbst erschaffenenen Welt oder dem eigenen Charakter einen anderen Look zu verpassen, können Spieler "Texturepacks" oder "Skins" herunterladen. Will ein Spieler bessere Grafik-Effekte oder ein anderes Spielformat, kann er so genante "Mods" dazukaufen. "Minecraft unterscheidet sich von anderen Spielen, weil es einen herausfordert, kreativ zu sein", sagt Marcel. "Man bewegt sich in der von eigener Hand erbauten Welt und konstruiert immer wieder neue Dinge: Häuser, Schlösser, Villen."

Selbst in den Schulunterricht hat es Minecraft schon geschafft: Ein kalifornischer Physiklehrer legte Schwerkraftversuche für seine Schüler im Spiel an, ein australischer Geschichtslehrer Erlebnislandkarten in historischen Welten und an einer Schule in Stockholm ist Minecraftspielen für 13-Jährige sogar verpflichtend. "Sie lernen etwas über Stadtplanung, Umweltschutz, kollaborieren und üben ein, wie man Projekte plant und durchführt", zitierte die New York Times eine betreuende Lehrerin.

In Foren, Wikis und auf Youtube dokumentieren Minecrafter ihre Spiele und Bauwerke. Auf Youtube kann man Auch Marcel hat schon versucht, ein Haus aus Freiburg nachzubauen. "Manche Leute brauchen nicht mal zwölf Stunden, um das SC-Stadion nachzubauen", sagt er voller Bewunderung. Damit man nicht ganz allein ein Bauwerk bauen oder bewundern muss, kann man als Spieler die eigene Welt auch für andere Server öffnen. So können sich auch andere Spieler in die erschaffene Welt begeben. Je größer und detailreicher man baut, desto wahrscheinlicher ist, dass man zum Minecraft-Star wird. "Man könnte den Kölner Dom bauen und dadurch Tausende verdienen", ist sich Marcel sicher. "Man müsste nur entdeckt werden, schon wäre man im Business."

Marcel befürchtet, dass Minecraft durch den Verkauf an Microsoft und den Ausstieg von Entwickler Notch im vergangenen Jahr an Reiz verliert. "Noch zwei Jahre – dann hat das Spiel ausgedient." Er selbst findet durch seine Ausbildung immer weniger Zeit zum Spielen – in letzter Zeit greift er statt zu Minecraft zum Actionspiel "Grand Theft Auto ".

MINECRAFT

Der schwedische Computerspielentwickler Markus "Notch" Persson, 35, veröffentlichte Minecraft 2009 – auf eigene Faust mit seiner Firma Mojang, ohne Support durch ein etabliertes Computerspiel-Studio. Das Indie-Game wurde ein Verkaufsschlager – Spielerinnen und Spieler haben bisher mehr als 60 Millionen Ausgaben des Games für PC, Mac und diverse Spielekonsolen gekauft. Im Herbst 2014 stieg Persson aus – er verkaufte Mojang für 2,5 Milliarden US-Dollar an Microsoft. Die Luxus-Villa, die er sich danach in Beverly Hills kaufte, gibt’s mittlerweile auch in Minecraft .

Ressort: fudder

  • Veröffentlicht in der gedruckten Ausgabe der BZ vom Do, 12. März 2015:
  • Zeitungsartikel im Zeitungslayout: PDF-Version herunterladen

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