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Kaviar und Hummer im Knast

Stefan Scholl
  • Do, 15. November 2018
    Panorama

In Russland sorgen Bilder aus einem Gefängnis für Empörung / Sie zeigen, wie ein berüchtigter Verbrecher im Luxus schwelgt.

MOSKAU. Es sind Szenen wie aus einem russischen Banditenfilm über die wilden 1990er Jahre nach Zusammenbruch der Sowjetunion. Ein Mann in Häftlingskluft schaut kauend in die Kamera. In den Händen hält er einen gekochten Hummer und ein Stück weißes Fleisch, vor ihm stehen Schüsseln mit Salat und rotem Kaviar. Auf anderen Fotos sitzt er in einem Sessel, Mitgefangene stehen daneben: vor ihnen ein mit Speisen beladener Tisch. Die Zeitung "Komsomolskaja" hat diese Fotos vergangene Woche veröffentlicht – und für einen Skandal in Russland gesorgt.

Die Fotos sind auf das Jahr 2015 datiert. Aufgenommen wurden sie in der Strafkolonie Nummer 3 im Amur-Gebiet. Die besonders strengen Regeln dort gelten offenbar nicht für alle Häftlinge. Auch nicht für Wjatscheslaw Zepowjas, der auf den Bildern zu sehen ist. Das empört viele Russen. Denn Zepowjas ist Mitglied der berüchtigten Zapok-Bande. Sie tyrannisierte von 1998 bis 2010 die südrussische Kleinstadt Kuschtschjowskaja und ermordete 19 Menschen, darunter auch Kinder.

Zepowjas wurde 2013 zu 19 Jahren und acht Monaten verschärfter Haft verurteilt. Was sei das für eine Strafe, wenn es ihm hinter Gitter besser gehe, als vielen Menschen in Freiheit, schreibt die Zeitung Moskowski Komsomoljez. "Früher rechnete die Unterwelt im Gefängnis mit Kindesmördern ab. Zepowjas hat ein Baby auf dem Gewissen, auch wenn er behauptet, er habe das kleine Mädchen nicht verbrannt, sondern nur danebengestanden. Warum hat man ihn im Gefängnis nicht ,angemessen’ empfangen?"

Der Kriminelle und seine Anwälte behaupten jedoch, die Fotos seien ein Fake, dahinter stecke seine Ex-Frau, die es auf sein Vermögen abgesehen habe. Die Ex-Frau wiederum erklärte der britischen BBC, Zepowjas hätte ihr und den gemeinsamen Kindern die Fotos selbst geschickt. Sie habe allein vergangenes Jahr knapp 43 000 Euro für seinen Unterhalt im Gefängnis ausgegeben.

Die Justizvollzugsbehörde des Gebiets Amur bezeichnete die Fotos als echt. Das regionale Ermittlungskomitee leitete ein Strafverfahren gegen die Verantwortlichen in der Strafkolonie ein. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft empfing Zepowjas häufiger Besuch als erlaubt, benutzte gegen alle Vorschriften ein Handy und mehrere SIM-Karten, bewegte sich auch in den Diensträumen der Kolonie frei. Ein ehemaliger Mitgefangener sagte Moskowski Komsomoljez, Zepowjas habe offenbar eigene Räume bewohnt, normale Häftlinge hätten ihn kaum zu Gesicht bekommen.

Es gilt als offenes Geheimnis, dass korrupte Aufseher in Russland, Häftlinge gegen Geld mit Rauschgift oder Mobiltelefone versorgen. Letztere beschlagnahmen sie dann oft und verkaufen sie erneut. Privilegien allerdings, wie Zepowjas sie genoss, sind nur sehr reichen Sträflingen vergönnt. "Wenn du genug Geld hast, kannst du auch im Straflager über jede Frage entscheiden", sagt Sergei Babinjez, Chefermittler der Gefangenenrechtsorganisation "Komitee gegen Folter" der Badischen Zeitung. "Uns sind eine Menge Gefängnisse bekannt, die ihre eigenen Relaxzonen auch für VIP-Häftlinge besitzen, gebaut werden sie von einfachen Strafgefangenen." Mit Plasmafernsehern, Kühlschränken und Thermofenstern ausgestattete Luxuszellen seien keine Seltenheit. Dabei gibt der Staat für die Tagesration eines Durchschnittshäftlings nur knapp einen Euro aus. "Von 2000 Häftlingen leben 1000 nur von Kartoffelsuppe", sagt Alexei Fedjarjow, Jurist der Stiftung "Russland hinter Gittern". "Andere bekommen von Verwandten Lebensmittelpakete. 15 bis 20 sitzen aber in Gefängnissen, die den Villen an der Moskauer Millionärsmeile Rubljowka gleichen."

Ressort: Panorama

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Do, 15. November 2018: PDF-Version herunterladen

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