Schach auf dem Bau
Baumanagement verlangt strategischen Weitblick.
Ob Wohnbauprojekt mit 300 Einheiten, Luxushotel oder Forschungs- und Bürogebäude mit 16 000 Quadratmeter Grundfläche: Beim Bau von Immobilien planen Ingenieurbüros nach Standards. Wer seinen Auftraggebern mehr bieten will als 08/15, blickt beim Baumanagement über den Tellerrand hinaus. Tipps, wie der Bauablauf zur Ingenieurskunst wird, gibt Peter Weis, Vorstandsvorsitzender der Augsburger Leitwerk AG.
Egal, ob Groß- oder Kleinprojekt, Ingenieurbüros, die für Planung, Bau- und Projektmanagement zuständig sind, arbeiten auf einer Baustelle mit vielen an Spezialisten zusammen. Neben den Architekten sind das vor allem die Verantwortlichen der einzelnen Gewerke. Das können schnell bis zu 30 Firmen sein. Die Ablaufstruktur muss daher wie ein Uhrwerk aufgestellt werden, alle Zahnräder müssen ineinandergreifen. Allerdings sind Störungen im Bauablauf nahezu immer vorprogrammiert. Ein guter Baumanager ist daher wie ein guter Schachspieler: Er denkt über die gesamte Bauphase hinweg voraus und für die Gewerke mit, plant alle Eventualitäten ein, bereitet sein Team darauf vor und kann so im richtigen Moment den richtigen Zug machen.
Zu Beginn eines neuen Projekts oder eines Projektabschnitts kommen Bauleitung und die Vertreter der Gewerke stets zusammen und besprechen die einzelnen Abläufe und Aufgaben. Ein erfahrener und geschulter Baumanager beobachtet die Anwesenden und erkennt, wer sich zu einer Schwachstelle entwickeln könnte. Dafür braucht er Menschenkenntnis. Ist die Schwachstelle erkannt, ist meist ein offenes Gespräch das Beste. In diesem kann der Bauleiter seine Befürchtungen offen erläutern und dann dem Gesprächsverlauf entsprechend Konsequenzen ziehen. Dazu sollten leitende Mitarbeiter in Gesprächs- und Menschenführung geschult sein. Sie sollen mehr können als Bauphysik, Betriebs- und Stoffkunde.
Ein Bauleiter steht oft gleichzeitig vor 100 Problemen. Er kann versuchen, diese nacheinander zu lösen und läuft damit Gefahr, dass zwischenzeitlich aus 100 Konflikten 300 entstanden sind. Besser ist es, er identifiziert wenige für den Gesamtablauf entscheidende, gewichtet diese noch einmal und nimmt sie dann nacheinander in Angriff. Denn: Baustellenprobleme existieren häufig in einer Abhängigkeit zueinander. Ist Problem drei dann gelöst, kann es sein, dass sich Problem vier und fünf von selbst erledigt haben. Zu dieser Systematik gehört auch der Mut, sich nicht zwingend sofort um denjenigen zu kümmern, der auf der Baustelle am lautesten bezügliche seines Problems schreit.
Treten trotz aller Vorbereitungen gravierende Störungen auf, die den Gesamtablauf durcheinanderbringen, schaut ein guter Bauleiter über den Tellerrand hinaus. Dann stellt er den Plan so um, dass dieser schlussendlich doch funktioniert. Standardabläufe werden umgeworfen und trotzdem soll die Arbeit auf dem Baufeld professionell und ohne qualitative Fehler weitergehen.
Es ist aufwändig, aber es zahlt sich aus. Ein Bauleiter, der die Qualitätsmerkmale der einzelnen Gewerke kennt und die Arbeiter vor Ort regelmäßig beobachtet, sieht frühzeitig, wo Fehler gemacht werden, die massive Folgen haben können. Dazu gehört auch, zu prüfen, ob die verarbeiteten Produkte zueinander passen beziehungsweise für die Art der Verarbeitung zugelassen sind. Ein Handwerker, der Geld sparen möchte und deshalb Baustoffe verschiedener Marken mixt, kann schlussendlich großen Schaden anrichten, der den Bauherren in der Nachbesserung teuer zu stehen kommt. So müssen die Styroporplatten der einen Marke nicht zwingend zu einem Kleber oder Putz einer anderen Marke passen. Die Räder für einen Mercedes können auch nicht auf einen BMW geschraubt werden.
Stichwort Styroporplatten: Zum Anbringen der Dämmung an das Mauerwerk gibt es verschiedene Varianten. Jedoch verspricht nur das sogenannte Einschwemmen eine langfristige Qualität. Dabei bringt der Handwerker die mit Kleber bestrichene Platte in kreisenden Bewegungen an der Wand an. So können sich die einzelnen Werkstoffe miteinander verbinden. Ein guter Bauleiter weiß daher: Wackelt ein Handwerker beim Anbringen mit der Hüfte, ist alles in Ordnung. Steht er an der Wand und klopft auf die Platten, ist die Chance groß, dass die Dämmung zeitnah abfällt. Ist der ausführende Handwerker nicht fähig, für den Schaden aufzukommen, wird das Baumanagement in die Pflicht genommen. Baumanager sollten daher ein Repertoire an Tricks haben, um fehlerhaftes Arbeiten schnell zu erkennen.
Es gibt zahlreiche hervorragend arbeitende Gewerke. Und doch erledigen die meisten ihre Arbeit nur bis zu 97 Prozent vor Abschluss wirklich gut. Die letzten drei Prozent vernachlässigen sie.
Allerdings: Bei der Abnahme sieht der Bauherr tatsächlich nicht die vielen kleinen Schritte, die zum Ergebnis geführt haben. Er sieht aber, dass zum Beispiel die Fliesen verschmutzt oder am Türrahmen beim Einsetzen kleine Kratzer entstanden sind. Wird er die eigentlich gut arbeitenden Firmen auf der nächsten Baustelle wieder engagieren? Eher nicht. Ein gewissenhafter Baumanager aber erkennt die Qualität der Betriebe und führt die Arbeiter dahin, 100 Prozent Qualität zu liefern.
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