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Seht her, wir sind Vielfalt!

Gabriele Schoder

Von

Di, 26. Februar 2019

Kino

Die 91. Oscar-Gala bekannte nicht nur in der Kleidung Farbe: Wann gab es zuletzt so viele Preise für Latinos und Afroamerikaner?.

Lady Gaga mit Hochkarätern Foto: AFP
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Doch, es geht schon in Ordnung mit dem Oscar für "Green Book" als bester Film. Nachdem Julia Roberts den roten Umschlag geöffnet, den Sieger verkündet und danach erstaunlich schnell den Abend beendet hatte, begannen im Netz die Diskussionen: Hätte nicht eher der dezidiert politische "BlacKkKlansman" den wichtigsten Oscar verdient, oder "Black Panther", der erste schwarze Superheldenfilm, oder gleich "Roma" von Alfonso Cuarón, den man ja mit drei wichtigen Oscars bereits zum cineastischen Highlight des Jahres gekürt hatte?

Stattdessen triumphierte da ein Film von Weißen für Weiße, monierte etwa der Spiegel, ein rührseliges Drama über den Rassismus der frühen sechziger Jahre, das es nicht für nötig hält, einen konkreten Bezug zum Rassismus im Amerika der Gegenwart herzustellen. Nun ja, ließe sich einwenden, das tut der Zuschauer ja selbst, wenn er die Diskriminierung des gefeierten schwarzen Musikers bei seiner Konzertreise in die Südstaaten sieht.

Und hey, die Oscars sind keine Preisverleihung für politisch engagierte Filme, sondern für Highlights in Hollywood, Spitzenqualität im Mainstream, Innovation in der Gestaltung, Kraft in der Erzählung, Kunst in der Darstellung. Manche Jahre blickten die Juroren auf der Suche nach den Besten kaum über die Hügel von Beverly Hills hinaus, mittlerweile haben sie es gelernt. Längst besteht die Jury der Academy Awards nicht mehr nur aus alten weißen Herren, gerade in diesem Jahr wurden sehr viele Frauen, Afroamerikaner und Junge aufgenommen.

Dass die inzwischen wohl an die 9000 Juroren am Ende das klassische Buddy-Roadmovie "Green Book" zum besten Film wählten – und nicht das als Favorit gehandelte Drama "Roma" über eine mexikanische Hausangestellte in den Wirren der siebziger Jahre – das zeigt auch: Der Oscar in der Königskategorie ist nach wie vor ein Preis für publikumsträchtige Filme. "Roma", der Netflix-Film, kam ja kaum in die Kinos. Und dennoch machte er Regisseur Cuarón zu einem der großen Gewinner der 91. Oscar-Nacht: bester Regisseur, beste Kamera, bester nicht-englischsprachiger Film – mehr Preise konnte nur das Queen-Biopic "Bohemian Rhapsody" (Bester Hauptdarsteller Rami Malek, Schnitt, Ton, Tonschnitt) davontragen.

Ein mexikanischer Film so weit oben – das war schon eine Ansage. Dieses Amerika will sich nicht einmauern. Das zeigte sich schon in den ersten Minuten, als Maya Rudolph, Tina Fey und Amy Poehler in ihrer kurzen, aber komischen Eröffnungsmoderation eine kleine Spitze gegen Trump abfeuerten. Gleich darauf wurde die Afroamerikanerin Regina King mit dem ersten Oscar der Gala ausgezeichnet, als beste Nebendarstellerin im Drama "Beale Street" (das am 7. März in unsere Kinos kommt). Zum Reigen der oscargekrönten Schauspieler gesellten sich der ägyptischstämmige Rami Malek, die Britin Olivia Colman (beste Darstellerin, "The Favourite") und der Afroamerikaner Mahershala Ali (bester Nebendarsteller, "Green Book"). Wir sind Vielfalt!

Diversität zeigte sich auch in den Roben: Höchst unterschiedliche Stile, Riesenschleifen und Rüschen, geschlitzte Röcke und Sanduhrsilhouetten, viel Farbe, gerne rosa, auch bei den Herren, bei denen Billy Porters Smokingkleid den Vogel abschoss. Wer oben Smoking und unten Ballkleid trägt, ist für alle Hochzeiten des Transgender bestens ausgestattet.

Bei den Damen freilich stach Lady Gaga ins Auge, die zum höchst eleganten schwarzen Abendkleid ein atemraubendes Diadem trug: das Collier mit dem berühmten Tiffany-Diamanten, 128 Karat schwer und 30 Millionen Dollar wert. Zuletzt, so heißt es, habe es Audrey Hepburn getragen. Was für ein Auftritt im Globe Theatre von Los Angeles! Ganz Lady und ein bisschen gaga – wie gut, dass Lady Gaga einen Oscar bekam (bester Song, "Swallow" in "A Star Is Born"): So konnte sie den Hochkaräter ausgiebig im Rampenlicht funkeln lassen.

Ansonsten funkelte wenig an diesem Abend, der spürbar unter dem Fehlen eines Moderators litt. Nach dem Rückzug des Comedian Kevin Hart, der über seine alten schwulenfeindlichen Witze gestolpert war, präsentierten verschiedene Stars die einzelnen Kategorien. Gleichzeitig wurde das Programm wegen drastisch gesunkener TV-Einschaltquoten gestrafft – das Ergebnis war eher ein Preisüberreichungs-Marathon als ein unterhaltsames Festprogramm mit Stil und Witz, in dem Politik, Zeitgeschehen und vor allem die anwesenden Stars genüsslich durch den Kakao gezogen werden. Vom "We Will Rock You", mit dem die Band Queen die Show so vielversprechend eröffnet hatte, konnte keine Rede sein.

Bleiben die Preise. Für die Deutschen gab es leider keine. Der Dokumentarfilm "Of Fathers and Sons" des in Berlin lebenden Syrers Talal Derki ging leer aus, beim Auslands-Oscar musste sich Florian Henckel von Donnersmarcks Künstlerdrama "Werk ohne Autor" geschlagen geben – "Roma" siegte auch hier. Immerhin hat er ja schon einen Oscar.

Diese Gala war ein Aufgalopp der Aufgebrezelten, die, aufgeheizt vom rockigen Intro, drei Stunden lang vergeblich auf einen kleinen Gag wie in den vergangenen Jahren warteten – Selfies! Pizza! Seufz … Die Highlights waren rar: mal ein Song, eine freche Anmoderation – oder eine pointierte Dankesrede. Die lustigste hielt Olivia Colman, die engagierteste Spike Lee (Oscar für das beste adaptierte Drehbuch, "BlacKkKlansman"). Der Afroamerikaner erzählte von seiner Großmutter, die Sklavin war, und rief dazu auf, bei der Präsidentschaftswahl 2020 "auf der richtigen Seite der Geschichte" zu stehen. Welche er damit nicht meinte, bestätigte ein paar Stunden später Donald Trump. Auf Twitter sprach er von einem "rassistischen Schlag" gegen ihn. Ach, Mr. President...

Die Gewinner

» Bester Film: "Green Book"
Regie: Alfonso Cuarón für "Roma"
» Hauptdarsteller: Rami Malek für "Bohemian Rhapsody"
Hauptdarstellerin: Olivia Colman für "The Favourite – Intrigen und Irrsinn"
» Nebendarstellerin: Regina King für "If Beale Street Could Talk"
Nebendarsteller: Mahershala Ali für "Green Book"
» Nicht englischsprachiger Film: "Roma"
Kamera: Alfonso Cuarón für "Roma"
» Original-Drehbuch: Nick Vallelonga, Brian Currie und Peter Farrelly für "Green Book"
Filmmusik: Ludwig Göransson
für "Black Panther"
» Filmsong: Lady Gaga, Mark Ronson, Anthony Rossomando, Andrew Wyatt für "A Star Is Born"
Visuelle Effekte:Paul Lambert, Ian Hunter, Tristan Myles und J.D. Schwalm für "Aufbruch zum Mond"
» Animationsfilm: "Spider-Man: A New Universe von Bob Persichetti, Peter Ramsey und Rodney Rothman
Doku: "Free Solo" von Elizabeth Chai Vasarhelyi und Jimmy Chin

Ressort: Kino

  • Veröffentlicht in der gedruckten Ausgabe der BZ vom Di, 26. Februar 2019:
  • Zeitungsartikel im Zeitungslayout: PDF-Version herunterladen

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