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170 Stunden Rentiere live

André Anwar

Von

Sa, 29. April 2017

Panorama

Ein norwegischer Sender überträgt die Frühjahrswanderung einer Herde / Fernsehmitarbeiter mit Hundeschlitten unterwegs.

NRK ist vor Ort dabei, wenn Rentiere in Norwegen ihr Sommerlager suchen.   | Foto: NRK (Screenshot)
NRK ist vor Ort dabei, wenn Rentiere in Norwegen ihr Sommerlager suchen. Foto: NRK (Screenshot)

STOCKHOLM. Norwegen folgt gespannt der Frühjahrswanderung von lappländischen Rentieren, die live im Fernsehen und Internet übertragen wird. Die Einschaltquoten von "Slow TV" brummen.

In den sonst einsamen und noch schneebedeckten Weiten des norwegischen Lapplands werden derzeit über tausend Rentiere von ungewöhnlich vielen Augen beobachtet. In einem technisch höchst aufwendigen Projekt überträgt der öffentlich-rechtliche Fernsehsender NRK die Frühjahrswanderung der Herde von der Finnmarksvidda zur Insel Kvaløy in Nordnorwegen, wo die trächtigen Kühe schließlich kalben werden.

Der Marsch wird live übertragen: 170 Stunden lang. Manchmal fressen sie, manchmal laufen sie, manchmal schlafen sie. Die Übertragung ist eine Weltpremiere. 260 Kilometer müssen die Tiere insgesamt zurücklegen bis zum Sommerlager. Seit Montag sind sie unterwegs. Sieben Tage soll es dauern. "Aber das entscheiden die Rentiere. Wir sind auf eine Verlängerung vorbereitet", sagt Paul Hivan vom samischen NRK-Kanal.

"Wir sind derzeit bei rund einer Millionen Zuschauer pro Tag", sagt Hivan. 36 Fernsehmitarbeiter sind bei der Herde. Sie sind mit Hundeschlitten, Schneemobilen, Zelten, Kameradrohnen und Stromgeneratoren ausgestattet. Weil die Tiere sich in einem Satellitenübertragungsloch befinden, mussten auf der Strecke Signalspiegel aufgebaut werden, um das Spektakel live übertragen zu können, das auch im Internet zu sehen ist.

Wie bei jeder anderen Geschichte gibt es auch beim Frühjahrsmarsch der Rentiere Protagonisten und Nebendarsteller. So genießt die Leitkuh – alle Rentierherden werden von Leitkühen geführt – inzwischen eine gewisse Prominenz. Geht sie weiter? Bleibt sie stehen? Zuschauer diskutieren im Internetchat. Rentier Muzet wurde eine Kamera ans Geweih montiert, um Bilder direkt aus der Herde zu bekommen. "Muzet hat die Kamera aber nicht gefallen. Wir mussten sie ihm wieder abnehmen", sagt Hivan.

Der Höhepunkt der Reise steht noch bevor. Die Herde muss vom Festland zu ihrem Sommerlager auf der Insel Kvaløya schwimmen. "Anfänglich befürchteten wir, dass die Rentierwanderung den Zuschauern vielleicht etwas zu langsam ist. Denn die Wanderung ist noch viel langsamer als unsere bisherigen Slow TV Programme." Der Sender NRK ist inzwischen bekannt für seine langsamen Programme. Bereits 2009 hatte NRK eine siebenstündige Live-Übertragung einer Zugfahrt von Oslo nach Bergen gezeigt. Ermutigt von den guten Quoten folgte eine mehrtägige Sendung vom Hurtigruten-Postschiff, das die Küste Norwegens von Örtchen zu Örtchen abfährt. Es folgte eine "Piip-Show", in der Vögel an einem Futterhäuschen gefilmt wurden. Dann kam jemand auf die Idee mit den Rentieren. "Mit diesen Programmen", sagt Hivan. "wollen wir allen Norwegern den Alltag in Teilen unseres Landes zugänglich machen, die sie kaum kennen."

Die Wanderung der Rentiere live unter http://www.nrk.no/rein/

Ressort: Panorama

  • Veröffentlicht in der gedruckten Ausgabe der BZ vom Sa, 29. April 2017:
  • Zeitungsartikel im Zeitungslayout: PDF-Version herunterladen

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