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Sogar Republikaner schätzen die First Lady

Jens Schmitz
  • Do, 20. Oktober 2016
    Ausland

IM PROFIL: Michelle Obama, die Frau des amerikanischen Präsidenten, bricht ihr bisheriges Schweigen über Donald Trump.

Michelle Obama   | Foto: DPA
Michelle Obama Foto: DPA
Der Liebesfilm ist schon in den Kinos, bevor die Amtszeit endet. "Vier weitere Jahre, vier weitere Jahre!", rufen die Zuhörer bei Veranstaltungen, bei denen eigentlich für Hillary Clinton getrommelt wird. Kurz vor der Wahl ist der Abschiedsschmerz der Amerikaner beim Blick auf ihr scheidendes First Couple mit Händen zu greifen: Die Zustimmungswerte von Präsident Barack Obama sind höher als diejenigen von Ronald Reagan. Aber sie werden noch übertroffen – First Lady Michelle ist selbst bei Republikanern beliebt.

Die 52-Jährige hat ihre Rolle neu definiert. Keine ihrer Vorgängerinnen hat sich selbst als "Mom in Chief" gesehen und dabei doch so zentrale politische Rollen gespielt. Obama ist nicht nur die erste schwarze, sondern auch eine der gebildetsten First Ladies aller Zeiten. Niemand zuvor hatte eine so breite Stilsicherheit: Ob Staatsparkett oder Sackhüpfen, ob Online-Karaoke oder Oscars – es gibt kaum ein Format, in dem Michelle Obama nicht überzeugt. Sie entkam dem Secret Service, um im Billigsupermarkt einzukaufen, und wurde weltweit zur Modeikone. Natürlich, klug und humorvoll: Auch als Rednerin gehört sie zu den besten des Landes.

Die First Lady habe die wichtigste Ansprache des laufenden Wahlkampfs gehalten, urteilte das New York Magazine nach einem Auftritt am Donnerstag. "Wir haben alles Nötige, um diesen Irrsinn zu stoppen", rief sie vor Wählern und bezog sich auf den republikanischen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump. "Unsere Mütter und Großmütter waren oft machtlos, um ihre Lebensbedingungen zu ändern, aber heute haben wir Frauen alle Macht, die wir brauchen, um das Ergebnis dieser Wahl zu bestimmen. Und am 8. November können wir als Frauen, als Amerikaner, als anständige menschliche Wesen zusammenkommen und erklären: Genug ist genug!"

Bis dahin hatte ein Auftritt beim Demokratenparteitag im Juli als Messlatte gegolten. Die Rednerin damals: Michelle Obama. "When they go low, we go high" (Wenn das Niveau der anderen unterirdisch wird, heben wir unseres erst recht) wurde zum geflügelten Wort und zum besten Schutzschild des Clinton-Camps gegen Donald Trump. Dabei weiß Michelle, wie es ist, sich auf die Zunge zu beißen: Nach dem Einzug ins Weiße Haus stürzte sie sich auf Kindergymnastik und einen Gemüsegarten, um nicht mit politischen Statements das Klischee der "zornigen schwarzen Frau" zu bedienen.

Geboren als Michelle LaVaughn Robinson in Chicago durchlief die Tochter einfacher Mittelschichtseltern an den Elite-Hochschulen Princeton und Harvard eine Ausbildung zur Juristin. Nach Jahren in einer Kanzlei entschied sie, als Stadtentwicklerin für Benachteiligte zu kämpfen. Als Anwältin hatte sie auch Barack Obama kennengelernt, den sie als Mentorin betreute. Der aktuelle Film "Southside With You" feiert diese Episode in den Kinos (deutsch: "My First Lady"). Barack glaubte an Veränderungen durch Politik. 1992 heirateten sie. Den Wandel, für den sie lokal kämpfen wollte, verkörpert Michelle heute selbst; sie ist zur Geheimwaffe ihres Mannes geworden. Als First Lady hat sie Initiativen gestartet, mit denen sie der Lebensmittelindustrie Veränderungen abrang. Gemeinsam mit ihrem Partner gestaltete sie die erste wirklich gleichberechtigte Liebes- und Elternbeziehung im Weißen Haus. Die Töchter Malia und Sasha hat sie mit ihm zu selbstbewussten Frauen erzogen.

Beruflich stehen ihr alle Wege offen. "Sie war die erste First Lady, die Frauen gezeigt hat, dass sie nicht wählen müssen", schrieb die Schauspielerin Rashida Jones in der New York Times. "Es ist ok, alles zu sein." Mit Äußerungen zur Waffengewalt oder Rassenproblemen musste Michelle zwar warten, bis die Wiederwahl ihres Mannes gesichert war. Beim jüngsten Parteitag sagte sie umso deutlicher, dass ihre Vorfahren Sklaven waren. "Ich wache jeden Morgen in einem Haus auf, das von Sklaven gebaut wurde", fuhr sie fort. "Und ich sehe meine Töchter, zwei schöne, intelligente, schwarze junge Frauen, die mit ihren Hunden auf dem Rasen des Weißen Hauses spielen."

In den Medien wird orakelt über Michelles Zukunft. Ihre Abneigung gegen den Politikbetrieb hat sie deutlich gemacht, ein Buch wird sie sicher schreiben. Zunächst aber gilt es, das Errungene gegen eine Präsidentschaft Donald Trumps zu verteidigen.

Ressort: Ausland

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Do, 20. Oktober 2016: PDF-Version herunterladen

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