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Eurovision Song Contest

"Sorry, Germany": Deutschland landet beim ESC auf dem drittletzten Platz

Stefan Rother

Von

So, 19. Mai 2019 um 17:21 Uhr

Rock & Pop

So kann es wohl nicht funktionieren: Deutschlands ESC-Beitrag wurde vom NDR erst kurzfristig nachnominiert – und verlor. Favorit Holland gewann in Tel Aviv in einem spannenden Rennen.

So lachen Sieger: Duncan Laurence mit seiner ESC-Trophäe  | Foto: Antti Aimo-Koivisto (dpa)
So lachen Sieger: Duncan Laurence mit seiner ESC-Trophäe Foto: Antti Aimo-Koivisto (dpa)
Es war eine der spannendsten Punktevergaben seit langem – und am Ende siegte beim Eurovision Song Contest (ESC) dann doch der haushohe Favorit: Duncan Laurence aus den Niederlanden mit der Ballade "Arcade". Für das deutsche Duo "Sisters" reichte es in Tel Aviv dagegen nur für den drittletzten Platz. Das war zwar geringfügig besser als die noch düstereren Prognosen, die die Bundesrepublik im Vorfeld gar als Schlusslicht sahen. Dafür versetzte die israelische Moderatorin Bar Refaeli den deutschen ESC-Fans mit bedauernder Miene einen besonders schmerzlichen Stich ins Herz. Zwar hatte es zuvor bei der Jury-Wertung von Irland, Australien, Litauen, der Schweiz, Dänemark und Weißrussland insgesamt 32 Punkte gegeben. Doch bei der Zusammenfassung der Publikumsstimmen musste das Supermodel "Sorry, Germany" sagen: Als einziges Land hieß es hier "Null Punkte", sogar der öde letztplatzierte britische Beitrag erhielt von den Zuschauern ein paar Gnadenpunkte.

Dass man es hierzulande mit Gleichmut nahm, mag zum einen an den niedrigen Erwartungen im Vorfeld gelegen haben – zum anderen daran, dass ein weitaus größeres Debakel die Diskussion vor den Fernsehern und in den sozialen Medien beherrschte. Denn der mit enormem Tamtam inszenierte Gastauftritt von Madonna geriet zum Debakel. Der 60-jährige Superstar schien fast gar keine Töne zu treffen. Nachdem sie ihren Klassiker "Like A Payer" massakriert hatte, präsentierte Madonna auch einen neuen Song, bei dem zwei Tänzer mit Israel- und Palästinenserfahne auf dem Rücken einander bei der Hand hielten. Während diese nicht abgestimmte Einlage noch als Aufruf zur Versöhnung gesehen werden konnte, setzte das Anarcho-Kollektiv Hatari aus Island berechenbar auf Konfrontation und hielt bei der Punkteverkündung ein Palästinenser-Banner in die Kameras, was im Saal für hörbaren Unmut sorgte.

Der Veranstalter des Wettbewerbs, die europäische Rundfunkunion, droht der Band und möglicherweise auch dem Land mit Konsequenzen. Die gab es in einem anderen Fall wohl schon bereits während der Sendung: Die weißrussische Jury wurde disqualifiziert, weil sie im Vorfeld zu freizügig über ihr Abstimmungsverhalten geplaudert hatte. Stattdessen kam ein ominöser "Algorithmus" zum Einsatz und bescherte Deutschland überraschende acht Punkte – ohne die man sonst wohl noch einen Platz abgerutscht wäre, und das pikanterweise hinter Weißrussland.

Reichlich Spektakel jenseits der Musik also – die Auftritte selber waren dieses Jahr zwar nicht überragend, aber unterhaltsam-abwechslungsreich. Der reduzierte und überzeugende Siegertitel aus den Niederlanden stach dabei zwischen all den schrillen Inszenierungen klar heraus und sicherte sich die beste Gesamtwertung. Beim Publikum hatte dagegen ein anderer Song auf dem ersten Platz gelegen: "Spirit in the Sky" aus Norwegen.

Die Nummer im Stile des "Eurotrash" der 1990er Jahre sorgte für gute Laune und gewann enorm durch die Einlage eines Rappers in der Sprache der samischen Minderheit des Landes; am Ende reichte es für Platz fünf. Die Jurys favorisierten dagegen die professionelle, aber etwas glatte Ballade "Too Late for Love" von John Lundvik aus Schweden. Die Zuschauer waren weitaus weniger begeistert, machte in der Summe Platz 6.

Ein ähnlicher Gegensatz im Stimmverhalten fand sich auch bei der wohl größten Überraschung des Abends: Wie aus dem Nichts stürmte Tamara Todevska aus Nordmazedonien bei den Jury-Wertungen auf den zweiten Platz und sah zwischenzeitlich wie eine ernsthafte Titelanwärterin aus. Die Sängerin der ernsten Ballade rutschte in der Gesamtwertung dann aber auf den achten Platz. Für das erstmals unter seinem neuen Namen angetretene Land war es dennoch ein beachtlicher Erfolg. Gleiches gilt für den Schweizer Kandidaten Luca Hänni, der mit seinem tanzbaren Song "She Got Me" hinter Italien und Russland auf dem vierten Platz landete. Und Deutschland? Die Sängerinnen waren sympathisch, das Lied aber glatt – dem Auftritt fehlte Natürlichkeit. Hoffentlich eine Lehre für den NDR, der beim nationalen Vorentscheid sein hochkompliziertes Auswahlsystem in Frage gestellt und den Beitrag kurzfristig nachnominiert hatte.

Ressort: Rock & Pop

  • Zum Artikel aus der gedruckten BZ vom Mo, 20. Mai 2019:
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