Der Sonntag
Stand-up-Paddling ist ein gesunder Sport mit vielen Möglichkeiten
Gerade für Menschen, die viel sitzen, kann Stand-up-Paddling ein optimaler Ausgleich sein. Doch man sollte einiges beachten, bevor man sich zum ersten Mal aufs Brett wagt.
Sa, 19. Jul 2025, 17:00 Uhr
Südwest
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Der Hype, sagt Thomas Mießeler, ist fast schon wieder vorbei. "Wir bieten noch Kurse im Stand-up-Paddling an, aber das läuft jetzt normal nebenher, die Nachfrage hat sich auf niedrigem Niveau eingependelt", sagt der Inhaber von des Kanufahrtanbietes "Wildsport Tours" in Neuenburg am Rhein. Der Markt sei gesättigt, jeder, der wollte, sei inzwischen mal mit einem Stand-up-Paddle in Berührung bekommen. Heißt: Wer jetzt noch stehend auf einem Board den See erkundet, der ist wirklich Fan. "Das Stand-up-Paddling hat seine Nische gefunden und gehört jetzt als fester Bestandteil zum Wassersport", sagt Mießeler. In seine Kurse kommen vor allem diejenigen, die technische Kniffe lernen möchten, oder Menschen, die überlegen, sich ein eigenes Board zuzulegen, den Sport aber erst mal ausprobieren möchten.
"Das Tolle am Stand-up-Paddling ist, dass es auf eine sehr niederschwellige Art wirklich viele Menschen aufs Wasser bringt, die sich das bislang nicht vorstellen konnten", sagt Mießeler. Der Reiz daran sei, dass es zwei Welten verbinde – das Paddeln mit dem Surfen. Dass das Ganze im Ergebnis dann auch noch eine besonders ergonomisch gesunde Form der Fortbewegung sei, sei das Tüpfelchen auf dem I.
In Europa wird seit mindestens dem Frühmittelalter gepaddelt: Der irische Mönch Hl. Fridolin wird um 1500 nach Christus auf einem Relief gezeigt, wie er auf einem aus Reisig geflochtenen Board auf dem Rhein schippert. In Polynesien standen Fischer schon vor Jahrhunderten in ihren Kanus und manövrierten sie mit langen Paddeln durch die Gewässer. Eine Idee, die im 20. Jahrhundert Surflehrer auf Hawaii überzeugte: Sie nutzten diese Technik, um schneller vom Ufer zu den vorgelagerten wellenbrechenden Riffen und wieder zurück zu gelangen.
cfr
Obwohl es das Stehpaddeln schon sehr lange gibt (siehe Infobox), ist es hierzulande vor allem während der Corona-Pandemie richtig populär geworden. Die aufblasbaren Boards passen in jeden Kofferraum und bieten mit ihrer Wabenstruktur besonders guten Halt für Anfänger. Das Stehpaddeln zu lernen, ist nicht schwer: "Da genügt es im Prinzip, sich ein paar Youtube-Videos anzuschauen, bevor man das erste Mal aufs Board steigt", sagt Mießeler. Geübtere tauschen das aufblasbare Board gern gegen das Hardboard. Das ist steifer, die Kraftübertragung direkter, man kann damit schneller und präziser fahren. Dafür ist es instabiler und verzeiht Paddelfehler nicht so leicht.
Koordination schulen, Gleichgewicht trainieren
"Das Stand-up-paddling hat eine ganze Reihe von positiven Effekten", sagt Thomas Schneider, Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, Akupunktur, manuelle Therapie und Sportmedizin an der Orthopädischen Gelenk-Klinik Gundelfingen. So schule es beispielsweise enorm die Wahrnehmung der eigenen räumlichen Position sowie die Koordination, auch das Gleichgewicht wird trainiert. "Das ist eine Art von Sturzprophylaxe, die man nicht besser machen könnte", sagt Schneider.
Wer auf einem Board steht, muss zwei Dinge tun: aufrecht stehen bleiben und das Ding per Paddel voranbringen. Das Stehen funktioniert über die sensorische Wahrnehmung der Oberfläche und die motorische Antwort darauf, damit wir diese Stellung halten können. Das fordert Gelenke und ganze Muskelketten. "Viele Menschen haben eine Haltungsschwäche, die profitieren von so einem Training", sagt Schneider, "wer Probleme mit den Sprung- oder Kniegelenken hat, kann das hier gezielt trainieren, so lange die Schäden noch nicht zu groß sind."
Eine fordernde Ganzkörperaktivität
Aus dem Stand wird gepaddelt: mit gestreckten Armen und Drehung des Oberkörpers nach links oder rechts, die Belastung ist symmetrisch, da die Seite regelmäßig gewechselt wird. "Das ist eine fordernde Ganzkörperaktivität und ein extrem guter Trainingsanreiz", sagt Schneider. Geübte Paddler können sich sehr gerade halten auf dem Board, den Kopf stabil, Blick nach vorn – eine Haltung, die wir im bildschirmlastigen Alltag kaum noch einnehmen. "Das hat absoluten Erholungswert für den Körper", sagt Schneider.
Weil die Drehbewegung intensiv und dynamisch ist, sollten Menschen mit akutem Bandscheibenvorfall erst mal nicht aufs Board. Auch bei sehr instabilen Schultern, Knie- oder Sprunggelenken rät Schneider zur Vorsicht. Alle anderen dürfen sich bedenkenlos mal ausprobieren. Am besten in kleinen Dosen beginnen und langsam steigern. Und daran denken, dass es auch ein Verletzungsrisiko gibt: "Wenn man fällt, gerade als Anfänger, kann man schon übel mit dem Rücken auf dem Brett aufkommen", sagt Schneider.
Stehendes Wasser ist berechenbarer als fließendes
Wer neu auf dem Board ist, der sollte Thomas Mießeler zufolge ein paar Dinge beachten: eine Schwimmweste tragen zum Beispiel und jemandem Bescheid sagen, wo man unterwegs ist. Für Anfänger eignen sich windstille Tage besser, wenn Wind herrscht, sollte man schauen, dass der möglichst landgängig ist, also zum Ufer hin. Eine die Leine, mit der man das Board notfalls zu sich zurückholen kann – die sogenannte Leash – sollte auch nicht fehlen. Im Idealfall dreht man die ersten Trainingsrunden auf einem See, stehendes Wasser ist berechenbarer als fließendes. "Man sollte sich auch darüber im Klaren sein, dass die Temperatur in einem See sehr unterschiedlich sein kann und es nicht überall so warm ist wie im Uferbereich", sagt Mießeler, "wenn ich dann von der Sonne aufgeheizt an einer kalten Stelle reinfalle, kann das schnell mal gefährlich werden."
Beherrscht man die Technik einmal, steht dem Genuss nichts mehr im Wege: den Sonnenuntergang bestaunen, Yoga machen oder eine Wildwassertour – das Board bietet viele Möglichkeiten.
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