Fragen & Antworten

Straftaten in Sozialen Medien: Was ist im Internet strafbar – und wie wehrt man sich?

Ein Freiburger Schüler kritisiert den Besuch eines Bundeswehr-Offiziers an der Schule mit Memes – nun droht ihm ein Strafprozess. Doch was ist im Internet eigentlich verboten und wie können sich Geschädigte wehren? Ein Überblick.  

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Wer im Internet beleidigt wird, hat Möglichkeiten, sich zu wehren.  | Foto: Karl-Josef Hildenbrand (dpa)
Wer im Internet beleidigt wird, hat Möglichkeiten, sich zu wehren. Foto: Karl-Josef Hildenbrand (dpa)

Ein ehemaliger Schüler des Freiburger Angell-Gymnasiums hat den Besuch eines Bundeswehr-Offiziers an seiner Schule kritisiert. Der Jugendliche, der im Sommer Abitur gemacht hat, soll Memes, also Bilder, verbreitet haben – eines davon mit SS-Bezug. Der Offizier hat nun Anzeige erstattet, dem Schüler droht ein Strafprozess wegen Beleidigung. Die fällt unter die sogenannten Äußerungsdelikte. Und davon gibt es etliche. Also: Was ist im Internet strafbar? Und was können Geschädigte tun? Ein Überblick.

Welche Äußerungsdelikte können im Netz eine Rolle spielen?

  • Beleidigung (§ 185 StGB): Laut des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) begeht jener eine Beleidigung, der eine andere Person beschimpft oder etwas sagt, um die Person als wertlos zu bezeichnen. Wer gegenüber einer Person, die zu einer bestimmten Gruppe gehört, gegen diese Gruppe hetzt (zum Beispiel sie beschimpft oder verleumdet), kann eine verletzende Beleidigung (§ 192a StGB) begehen.
  • Üble Nachrede (§ 186 StGB): Behauptet eine Person etwas über eine andere Person, das nicht erweislich wahr ist und die Ehre dieser Person verletzen kann, kann üble Nachrede vorliegen.
  • Verleumdung (§ 187 StGB): Wer besseren Wissens eine unwahre Tatsache behauptet oder verbreitet, kann wegen Verleumdung belangt werden.
  • Gegen Personen des politischen Lebens gerichtete Beleidigung, üble Nachrede und Verleumdung188 StGB): gegen Politikerinnen und Politiker gerichtete Straftatbestände.
  • Volksverhetzung (§ 130 StGB): Dieser Tatbestand liegt vor, wenn gegen Personen oder Gruppen gehetzt wird. "Manchmal werden sogar Gewaltaufrufe gegen ausländische Bürgerinnen und Bürger veröffentlicht", heißt es vom BMJV. Solche Äußerungen würden hart bestraft.

*weitere mögliche Delikte am Ende des Artikels

Was ist mit Fake News, Hate Speech und Cybermobbing?

"Ob Fake News strafbar sind, kommt darauf an", sagt Tobias Reinbacher. Der Rechtswissenschaftler ist Leiter des Lehrstuhls für Strafrecht, Strafprozessrecht und Medienstrafrecht an der Universität Würzburg und betreut ein Forschungsprojekt, das sich mit Straftaten in Sozialen Medien befasst. Falschnachrichten seien zum Beispiel im Fall von Beleidigungsdelikten nur dann strafrechtlich relevant, wenn damit ein Angriff auf die Ehre einer Person einhergehe. "Dann könnte beispielsweise eine Verleumdung infrage kommen", so Reinbacher. Hass und Hetze fielen vor allem unter Beleidigungsdelikten, Cybermobbing ebenso. Dabei könnten aber auch Nötigung, Stalking oder Doxing – das Veröffentlichen personenbezogener Daten – eine Rolle spielen.

Was ist die Besonderheit bei der Beleidigung?

"Bei Beleidigungen kann man zwischen einer normalen Beleidigung und einer öffentlichen unterscheiden", so Reinbacher. Eine öffentliche Beleidigung beispielsweise in Sozialen Medien werde härter bestraft. Schließlich haben es womöglich viele Menschen gelesen, geliked und geteilt. "Das ist nach Ansicht des Gesetzgebers gravierender als eine Beleidigung unter vier Augen."

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Wo hat die Meinungsfreiheit Grenzen?

"Die Meinungsfreiheit ist im Netz genauso geschützt wie offline", sagt Reinbacher. "Sie geht sehr weit in Deutschland." Der Staat müsse fast alles dulden, solange es sich um eine Meinung handle. Mit Ausnahmen: In Deutschland ist es verboten, die NS-Herrschaft zu verherrlichen und den Holocaust zu leugnen.

Die Meinungsfreiheit habe auch Schranken. "Es sind im Fall von Hate Speech zwei Grundrechte, die einander gegenüberstehen", sagt Reinbacher. In einigen Fällen sei das Persönlichkeitsrecht höher zu bewerten – wenn beispielsweise die Menschenwürde angegriffen wird. In der Praxis könne das durchaus schwierig sein, die Bewertung hänge von den Gerichten ab. Auch Schmähkritik, die nur auf eine Person abzielt und keinen Sachzusammenhang mehr hat, ist Reinbacher zufolge strafbar. Falsche Aussagen fielen sowieso nicht unter Meinungsfreiheit.

Das Internet ist kein rechtsfreier Raum.  | Foto: Fabian Sommer (dpa)
Das Internet ist kein rechtsfreier Raum. Foto: Fabian Sommer (dpa)

Was können Geschädigte tun?

"Zuerst einmal sollte man Screenshots machen", sagt Experte Reinbacher. Dabei sollte man darauf achten, dass alle relevanten Informationen zu sehen sind (wer? was? wann?). Dann könnten Geschädigte zivilrechtlich und strafrechtlich vorgehen. "Zivilrechtlich geht es erst einmal darum, den Post aus dem Netz zu bekommen, also dass dieser gelöscht wird." Dafür gibt es Meldestellen (siehe Infobox).

Meldestellen

Das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz hat mit Hilfe-info.de ein Angebot für Betroffene von Straftaten eingerichtet. Dort finden sich weitere Informationen zum Thema.

Die EU kann Organisationen den Status "Trusted Flagger" verleihen. Trusted Flagger sind Organisationen mit besonderer Sachkenntnis und Erfahrung bei der Identifizierung und Meldung von rechtswidrigen Inhalten. Diese Meldungen haben bei der Bearbeitung Vorrang. Zugelassene Trusted Flagger, an die man sich wenden kann:

"Das andere ist die Strafanzeige." Anzeige erstatten könne erst mal jede und jeder, zum Beispiel über die Onlinewachen der Polizei. Die Anzeige einer Straftat können zudem bei der Staatsanwaltschaft, den Behörden und Beamten des Polizeidienstes und den Amtsgerichten angebracht werden. Um Anzeige zu erstatten, müsse man nicht betroffen sein. Einen Strafantrag dagegen kann laut Reinbacher nur stellen, wer selbst betroffen ist. Beispiel: Jemand wird im Internet beleidigt, ein anderer erstattet Anzeige. "Da könnte die Polizei dann beim Betroffenen nachfragen, ob dieser Strafantrag stellen will." Die Verfolgung hänge ab vom Interesse des Opfers. Ausnahme sei die Volksverhetzung, da könnten auch Dritte einen Strafantrag stellen.

Eine Anzeige ist erstattet. Wie geht es weiter?

Die Anzeige erhält laut BMJV ein Aktenzeichen. Anzeigende sollten dies notieren, denn nur mit diesem können sie Informationen zum Stand des Verfahrens erhalten. "In der Regel ermittelt erst einmal die Polizei. Die Herrschaft über das Verfahren hat aber die Staatsanwaltschaft", sagt Reinbacher. Dort bekommt der Fall ein weiteres Aktenzeichen. Die Staatsanwaltschaft entscheidet dann, ob Anklage erhoben wird oder ob ein Strafbefehl beantragt wird. "Dann geht es zum Gericht", so der Rechtswissenschaftler.

Der Freiburger Schüler hatte Memes ver... wurde er wegen Beleidigung angezeigt.  | Foto: Thomas Kunz
Der Freiburger Schüler hatte Memes verbreitet. Nun wurde er wegen Beleidigung angezeigt. Foto: Thomas Kunz

Werden alle Äußerungsdelikte auch verfolgt?

"Grundsätzlich müssen Staatsanwaltschaft und Polizei jedes angezeigte Delikt verfolgen", sagt Reinbacher. Zumindest müsse eine Strafbarkeit aufgrund des sogenannten Legalitätsprinzips geprüft werden. "Bei absoluten Bagatellen kann das Verfahren aber aus Opportunitätsgründen eingestellt werden." Eine Alternative ist auch, eine Auflage – beispielsweise in Form einer Entschuldigung – zu erteilen. Die Vorgehensweise variiere von Bundesland zu Bundesland, manche gingen rigoroser vor als andere.

"Bei Äußerungsdelikten im Internet gibt es ein großes Dunkelfeld, weil viele nicht angezeigt werden oder kein Strafantrag gestellt wird", sagt Rechtswissenschaftler Reinbacher. Der Großteil werde vermutlich nie zur Anzeige gebracht. "Und die Hürde, einen Strafantrag zu stellen, ist für manche Menschen sehr hoch."

Worin liegen besondere Schwierigkeiten bei der Strafverfolgung?

"Im Internet ist das Anonymitätsproblem augenscheinlich erst mal größer", sagt Reinbacher. Vor allem wenn unter Pseudonym und mit Fake-Accounts gepostet werde, könne es unter Umständen schwierig werden, die Person zu ermitteln. Der Experte schränkt aber ein: "Viele Menschen äußern sich mit ihren Klarnamen." Manche dächten offenbar, das Internet sei ein rechtsfreier Raum.

Hinzu kommt eine möglicherweise schwierige Bewertung: "Alle Äußerungsdelikte sind Kontextdelikte", sagt Reinbacher. Also warum hat jemand was gesagt, in welchem Zusammenhang? Das müsse geprüft werden.

Was sind weitere mögliche Straftatbestände?

  • Nötigung (§ 240 StGB): Nötigung liegt vor, wenn jemand einer anderen Person ein bestimmtes Verhalten aufzwingt und dafür entweder Gewalt anwendet oder mit etwas droht, wovor die andere Person Angst hat. Laut BMJV kann das beispielsweise die Androhung sein, Fotos der betreffenden Person zu veröffentlichen. Auch eine Gewaltandrohung fällt darunter.
  • Bedrohung (§ 241 StGB): Strafbar ist es, einer Person anzudrohen, dass gegen sie oder eine ihr nahestehende Person ein Verbrechen oder eine andere schwere Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder gegen eine Sache von bedeutendem Wert begangen wird.
  • Erpressung (§ 253 StGB): Die Täterin oder der Täter wendet Gewalt gegen eine Sache an oder droht mit etwas, wovor die andere Person Angst hat, um die andere Person dazu zu bringen, etwas aus ihrem Vermögen an die Täterin oder den Täter herauszugeben.
  • Öffentliche Aufforderung zu Straftaten (§ 111 StGB)
  • Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten (§ 126 StGB); auch wer eine schwere Straftat (zum Beispiel einen Mord) im Internet billigt, kann sich nach § 140 StGB strafbar machen.
  • Verwendung verfassungsfeindlicher Kennzeichen (§ 86a StGB)
  • Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole (§ 90a StGB)
  • Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen (§ 166 StGB)
  • Gefährdendes Verbreiten personenbezogener Daten (§ 126a StGB): Dies wird auch Doxing genannt.
  • Nachstellung (§ 238): Stalking, mittlerweile auch auf Taten im Internet bezogen.
  • Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs und von Persönlichkeitsrechten durch Bildaufnahmen201a StGB)

Wo finden Geschädigte psychologische Hilfe?

"Eine Straftat hinterlässt häufig auch Spuren, die unsichtbar sind", heißt es beim BMJV, das verschiedene Hilfsangebote wie telefonische Hilfen aufgelistet hat. Hier können Betroffene Beratungsstellen finden. Wer durch eine Gewalttat einen gesundheitlichen Schaden erlitten hat, kann Hilfe nach dem Opferentschädigungsgesetz bekommen. Hierzu zählen Leistungen der Traumaambulanzen. Eine Übersicht über die vorhandenen Traumaambulanzen in den jeweiligen Bundesländern gibt es über das Projekt HilfT – Schnelle Hilfen in Traumaambulanzen.

Schlagworte: Trusted Flagger, Tobias Reinbacher, Üble Nachrede

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