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Tierschutz

Strommasten sollen für Vögel nicht länger zur Todesfalle werden

Jens Schmitz
  • Fr, 08. Juli 2022, 15:30 Uhr
    Südwest

Viele Vögel sterben, weil sie sich an Stromleitungen einen Schlag holen. Umweltministerium, Naturschützer und Netzbetreiber einigen sich darauf, wie die Vögel besser davor geschützt werden können.

Dieser Nistplatz soll nicht länger lebensgefährlich sein für die Störche.  | Foto: Patrick Seeger (dpa)
Dieser Nistplatz soll nicht länger lebensgefährlich sein für die Störche. Foto: Patrick Seeger (dpa)
Jedes Jahr sterben ungezählte Großvögel wie Eulen und Störche an Masten durch Stromschlag. Die Rechtslage zur Sicherheitstechnik ist unklar. Zusammen mit Netzbetreibern und Naturschützern hat das Landesumweltministerium am Donnerstag eine Vereinbarung unterzeichnet – nach eigenen Angaben mit wegweisendem Charakter.

Ein Mast lockt als Sitz-, Schlaf- oder Brutplatz

"Hier in der Fichte direkt vor uns, da ist das Nest eines Mäusebussards", sagt Umwelt-Staatssekretär Andre Baumann (Grüne) und deutet an einem Strommast vorbei über das benachbarte Maisfeld. "Da fliegt er grad weg, der hat eben Nahrung dagelassen." Nabu-Landeschef Johannes Enssle weist auf zwei typische Silhouetten weiter nordöstlich am Himmel: "Der Rotmilan ist auch da. Die fühlen sich hier wohl", sagt er.

Hier, auf den Agrarflächen des Dorfes Malmsheim bei Renningen, könnte Großvögeln wie den genannten Beutegreifern unter normalen Umständen durchaus Gefahr drohen. Gleich neben Baumann und Enssle lockt der Endmast einer Mittelspannungsfreileitung als Sitz-, Schlaf- oder Brutplatz. Weil die spannungsführenden Bauteile hier näher am Mast liegen als im Hochspannungsbereich, können größere Vögel Isolatoren überbrücken oder Leitungen kurzschließen – und dabei verenden. Der Malmsheimer Mast aber ist nach neuesten Standards isoliert – und soll Vorbild für andere werden.

"Wir haben deutschlandweit nach Untersuchungen anderthalb bis drei Millionen Verletzungen im Jahr", warnt Baumann. "Das kann für manche Arten populationsbedrohend sein." Enssle verweist auf Schätzungen, wonach der Stromtod im Mittelspannungsbereich zusammen mit Leitungskollisionen im Hochspannungsnetz pro Jahr 2,8 Millionen Vögel das Leben koste. In Deutschland sind dem Nabu zufolge vor allem Störche, Bussarde und Rabenvögel betroffen.

Masten sollen vogelfreundlich nachgerüstet werden

In Baden-Württemberg soll sich das bessern. Zusammen mit dem Verband für Energie- und Wasserwirtschaft Baden-Württemberg (VfEW) und bislang neun Netzbetreibern haben sich das Umweltministerium und der Nabu auf eine Vereinbarung zum Vogelschutz an Mittelspannungsfreileitungen geeinigt. Die Betreiber sind für 70 Prozent dieser Leitungen im Land zuständig. "Als Netzbetreiber haben wir nicht nur Verantwortung für eine sichere Stromversorgung, sondern auch für den Natur- und Artenschutz", erklärte VfEW-Präsident Klaus Saiger bei der Unterzeichnung an einem Malmsheimer Feldweg. "Diese Verantwortung nehmen wir ernst."

Die Vereinbarung klassifiziert fünf Masttypen im Hinblick auf ihr Gefährdungspotenzial und sagt, wie sie vogelfreundlich nachgerüstet werden sollen, etwa durch isolierende Abdeckungen. Priorität haben Abzweig- und Endmasten sowie Masten mit Zusatzeinrichtungen, an denen die Arbeit spätestens in fünf Jahren abgeschlossen sein soll. Der Plan betrifft insgesamt 26 000 Masten. Künftig soll die Erdverkabelung forciert werden.

Enssle betonte, die Vereinbarung sei auch wichtig, um den Druck auf Populationen zu mindern, bei denen der Schutz von Einzelexemplaren künftig zugunsten des Windkraftausbaus gelockert werde.

Das Land will jetzt vorangehen

Das Bundesnaturschutzgesetz schreibt für Mittelspannungsleitungen schon seit Langem Maßnahmen zur Sicherung gegen Stromschlag vor. Die bis dahin üblichen Schritte wurden aber 2011 als teils unzureichend erkannt. In ihrer Vereinbarung beklagen die drei Unterzeichner eine seither bestehende Rechtsunsicherheit. Da eine gerichtliche Klärung gedauert hätte, gehe man im Land nun voran. "Wir haben den Schnabel vorn", scherzte Baumann. Die anderen 15 Bundesländer seien eingeladen, sich anzuschließen.

Ressort: Südwest

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