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Haltungsbedingungen

Tierwohllabel für Schweine: Agrarminister erntet Kritik

  • Tanja Tricarico

  • Do, 27. April 2017, 00:00 Uhr
    Wirtschaft

Künftig will der Staat Schweinefleischprodukte mit einem Tierwohllabel auszeichnen. Tier- und Verbraucherschützern gehen die Kriterien aber nicht weit genug.

Sollen mehr Platz bekommen: Schweine im Stall   | Foto: dpa
Sollen mehr Platz bekommen: Schweine im Stall Foto: dpa
Mehr als drei Monate sind seit der Grünen Woche in Berlin und damit seit der ersten Vorstellung eines staatlichen Tierwohllabels vergangen. Nun lüftet Landwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) das Geheimnis um die Kriterien – wenigstens ein bisschen. Wie nun bekannt wurde, soll es ein Label mit zwei Stufen geben, einer Eingangs- und einer Premiumstufe. Bauern, die ihre Produkte mit dem freiwilligen Siegel auszeichnen möchten, müssen bereits in der ersten Stufe deutlich mehr als die gesetzlichen Standards erfüllen. Es geht um mehr Platz für die Tiere, um geringere Transportzeiten, um Vorgaben für Futter und Schlachtung oder für die Gesundheit der Tiere.

Insgesamt geht es Schmidt um deutlich bessere Haltungsbedingungen für die Tiere. Zum Beispiel müssen die Schweine ein Drittel mehr Platz haben, als vom Gesetz vorgeschrieben, in der Premiumstufe mindestens 70 Prozent mehr. Rund ein Dutzend Kriterien bilden die Grundlage für die Vergabe des Siegels. Zunächst soll es das Label für Produkte aus Schweinefleisch geben. Ein Gesetzesentwurf ist den Angaben nach in Arbeit. Der Kriterienkatalog stößt bereits jetzt auf scharfe Kritik. Von einem übereilten Vorpreschen des Ministers ist die Rede, von einer voreiligen Entscheidung, von einer Mogelpackung. Die Grünen halten das Label für gescheitert. Sie fordern stattdessen eine Haltungskennzeichnung. Der Deutsche Tierschutzbund hat sich entschieden, das geplante Label nicht länger zu unterstützen. Bei der Vorstellung des Labels im Januar stand der Präsident der Organisation, Thomas Schröder, noch auf dem Podium, neben dem Minister.

Tierschützer: Mit mehr Platz allein ist es nicht getan

Nun sagt Schröder: "Solch ein Vorpreschen mit einem unfertigen Label belastet das Vertrauen in den Prozess und in ein Label im Grundsatz." Für ihn bleiben mehr Fragen als Antworten. Ein nachhaltiger Tierschutz im Stall könne so nicht geschaffen werden. Die Tierschützer fordern nicht nur Kriterien, die die Tierhaltung betreffen, sondern auch effektive Kontrollen und Beratung für Landwirte.

Ähnlich sehen dies Verbraucherschützer. Kann der Kunde, der im Supermarkt Fleisch mit dem Tierwohllabel kauft, sicher sein, dass das geschlachtete Tier ein besseres Leben hatte? "Wir brauchen schnell klare Informationen dazu, wie die Betriebe kontrolliert werden und welche Sanktionen es gibt, wenn gegen die Vorgaben verstoßen wird", sagt Sophie Herr vom Bundesverband der Verbraucherzentralen. Der Kunde im Laden müsse genau wissen, was er kauft.

Die aktuellen Kriterien der Einstiegsstufe sind für Herr nur ein erster Schritt. "Es müsste zumindest eine Dynamik im Gesetz verankert werden, damit sich Standards für die Tiere konsequent verbessern", sagt Herr. Nach mehr Tierwohl für Schweine, sollte es auch Vorgaben für verbesserte Bedingungen für Geflügel und Milchkühe geben. Herr spricht von einem "Riesenbatzen", den das Landwirtschaftsministerium bearbeiten muss. Die Zeit dafür wird in dieser Legislaturperiode vermutlich nicht mehr reichen.

Um ein wirkungsvolles Label zu schaffen hat der Minister die unterschiedlichsten Interessengruppen an einen Tisch geholt. Tierschützer und Verbraucherschützer sitzen in den Arbeitsgruppen, die über die Vorgaben beraten, mit den Bauern, Vertretern des Lebensmitteleinzelhandels, aus den Schlachtbetrieben. "Wer das Label nutzt, muss nachweisen, dass es einen deutlichen Unterschied zum gesetzlichen Mindeststandard gibt", sagt Denise Schmidt, Kampagnenleiterin bei der Tierschutzorganisation Vier Pfoten. "Den Tieren muss es gut gehen." Allein mit mehr Platz sei es aber nicht getan.

Ohne Preiserhöhung wird mehr Tierwohl nicht zu haben sein. Auch Landwirtschaftsminister Schmidt hat daraus nie einen Hehl gemacht. Er rechnet mit einer Kostensteigerung von rund 20 Prozent für Fleischprodukte, die das Tierwohllabel tragen. Bereits 2018 soll das Siegel am Markt eingeführt werden.

Ressort: Wirtschaft

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Do, 27. April 2017: PDF-Version herunterladen

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