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Diplomatie

Trump soll Merkel kennenlernen: Besuch in USA

Thomas MaronChristopher Ziedler
  • &

  • Fr, 17. März 2017, 00:00 Uhr
    Deutschland

Mit großer Spannung wird das Treffen zwischen Kanzlerin Merkel und US-Präsident Trump erwartet. Die beiden könnten nicht unterschiedlicher sein. Doch man will sich um Annäherung bemühen.

Angela Merkel (Foto) stattet Donald Trump einen Besuch ab.  | Foto: dpa
Angela Merkel (Foto) stattet Donald Trump einen Besuch ab. Foto: dpa
Angela Merkel ist, was eher selten thematisiert wird, eine engagierte Frauenrechtlerin. So lässt sich gut denken, was die Bundeskanzlerin von Donald Trumps Ausfällen gegenüber ihren Geschlechtsgenossinnen gehalten hat. Entsprechend ist davon auszugehen, dass ihre erste Begegnung mit dem neuen US-Präsidenten an diesem Freitag in Washington für sie kein Treffen wie jedes andere ist. "Ihre persönlichen Gefühle", heißt es in Merkels Umfeld, "müssen in diesem Fall hinter ihrer Rolle als Bundeskanzlerin zurückstehen."

Wie das Eis gebrochen

werden soll

Offiziell dagegen ist vor dem Antrittsbesuch beim so umstrittenen neuen Mann im Weißen Haus von Vorfreude die Rede. "Miteinander reden, statt übereinander reden", sagte Merkel zu Wochenbeginn vor Wirtschaftsvertretern in Berlin, "das wird mein Motto sein bei diesem Besuch, auf den ich mich ausdrücklich freue." Nach vorne schauen – das ist Regierungskreisen zufolge denn auch das Gebot der Stunde, obwohl die vergangenen Wochen eine Reihe deutsch-amerikanischer Vorwürfe und Verletzungen mit sich gebracht haben: "Es macht in der Politik keinen Sinn, jedes Wort, das der eine oder der andere gesagt hat, auf die Goldwaage zu legen."

Diese Linie vertritt unmittelbar vor dem Besuch auch das Weiße Haus, von Merkels "katastrophaler" Flüchtlingspolitik oder zu vielen deutschen Autos auf Amerikas Straßen ist erst einmal keine Rede mehr – "das größte Land Europas" und die USA müssten stattdessen weiter gut zusammenarbeiten. Gedanken darüber, womit das Eis gebrochen werden könnte, hat man sich im Kanzleramt dennoch gemacht. Schon im ersten ausführlichen Telefonat Ende Januar kamen Trumps rheinland-pfälzische Wurzeln zur Sprache, das könne vertieft werden – ein guter Tropfen aus der Region als Gastgeschenk komme aber wohl nicht infrage, da Trump, so will man herausgefunden haben, kein Weintrinker sei. Die Gedankenspiele zeigen, dass es bei dem Besuch nicht nur um die politischen Inhalte von A wie Afghanistan bis Z wie Zölle geht, sondern vorrangig um die persönliche Chemie. "Das Hauptziel ist, sich kennenzulernen", hieß es in Merkels Umfeld, "dass eine Basis entsteht, auf der man sich versteht, ständig miteinander telefoniert, damit sich unsere gemeinsamen Probleme leichter lösen lassen."

Von Ukraine
bis Nahost
Davon gibt es genug, weshalb die Liste möglicher Gesprächsthemen lang ist. Das Weiße Haus will zum Beispiel von Merkel hören, wie sie die "strategischen Ambitionen Russlands" einschätzt, die deutsche Regierungschefin wiederum will von Trump eine Zusage, dass er weiter die Sache der Ukraine unterstützt. Die Lage im Nahen und Mittleren Osten steht auf dem Programm, die Schwierigkeiten mit dem Nato-Partner Türkei vielleicht, aber auch die Lage in Nordafrika – ausdrücklich genannt wird die Hoffnung, dass die USA ihr humanitäres und entwicklungspolitisches Engagement dort aufrechterhalten. Ähnliches gilt für die Klimapolitik, die in der neuen US-Administration kaum Freunde hat.

Gut vier Stunden sind für Merkels Gastspiel bei Trump anberaumt. Miteinander geredet wird in unterschiedlichen Formaten. Erst ist ein halbstündiges Vier-Augen-Gespräch anberaumt, zu dem im Anschluss die engsten Berater hinzustoßen. Es folgen eine Runde mit Wirtschaftsvertretern und Auszubildenden beider Länder zum Thema Berufsausbildung, gegen 13 Uhr Ostküstenzeit eine Pressekonferenz und ein Arbeitsmittagessen. Kurz nach 15 Uhr (21 Uhr MEZ) soll der Kanzlerflieger wieder Richtung Berlin abheben.



Die Handelsbeziehungen
Nach dem Besuch soll der US-Präsident die Kanzlerin nicht nur als Gesprächspartnerin schätzen, sondern auch um die Vorzüge des deutsch-amerikanischen Wirtschaftsaustausches wissen. "Dieser Handel ist für beide Seiten von Vorteil", betonte Merkel am Montag und ließ durchblicken, wie sie Trump von protektionistischen Alleingängen, Strafzöllen oder Unternehmensteuerreformen mit ähnlichem Effekt abhalten will. So will sie Trump klarmachen, dass die USA von Deutschland – mit 165 Milliarden Euro aktuell drittgrößter Handelspartner – selbst profitieren. So summieren sich deutsche Direktinvestitionen über die Jahre auf 271 Milliarden Euro und sichern direkt 810 000 Arbeitsplätze. Die Vorstandschefs von BMW, Siemens und Schaeffler sind deshalb in Washington dabei.

"Bei Merkels Besuch darf es nicht nur um die Wirtschaft gehen", warnt angesichts dieser Agenda die Opposition in Gestalt von Grünen-Chef Cem Özdemir: "Sie muss noch mal klarmachen, dass unsere liberalen Werte Basis für eine Zusammenarbeit sind." Seine Parteifreundin Franziska Brantner fordert von Merkel, "Menschenrechte und liberale Demokratie als nicht verhandelbar" darzustellen.

Die Rüstungsfrage
Linken-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht fordert "Selbstbewusstsein statt Unterordnung" und ein Nein zu mehr Militärausgaben: "Statt eilfertig Trumps Hochrüstungswahnsinn mitzumachen, wäre eine klare Ansage hilfreich, dass wir unser Geld für sinnvolle Dinge brauchen." Der Bau der Mauer zu Mexiko oder der Ausschluss von Journalisten aus Pressekonferenzen wird in Regierungskreisen als "inneramerikanische Frage" behandelt. Und zu einer Stärkung der Bundeswehr hat sich die Bundesregierung längst bekannt. Die militärische Frage nahm am Montag jedoch auch Merkels SPD-Herausforderer auf: "Nur wenn wir eine erneute Aufrüstungsspirale verhindern, werden wir in der Lage sein, mehr Geld für die Bekämpfung von Konfliktursachen aufzubringen." Dies war ein weiteres Zeichen dafür, dass die SPD Trumps Forderung nach höheren Militärausgaben der Nato-Partner innenpolitisch zum Wahl-    kampfschlager ausbauen  wird.

Zurückhaltung
bei der SPD


Allerdings vermied es Schulz, der Kanzlerin konkrete Handlungsaufträge mit auf den Weg in die USA zu geben – wohl wissend, dass die Situation im transatlantischen Verhältnis derzeit zu heikel ist, um die Kanzlerin ausgerechnet jetzt durch markige, womöglich unerfüllbare Forderungen aus rein innenpolitischem Kalkül unter Druck zu setzen. Eher allgemein warnte er deshalb bei einem Treffen sozialdemokratischer Vertreter aus allen Winkeln der Welt vor einer "neuen autoritären Internationalen", die nach "Sündenböcken" sucht, der die "Ungerechtigkeiten des herrschenden Wirtschaftssystems" zugeschrieben werden könnten. Das bedeutet freilich nicht, dass der Umgang mit Trump im Wahlkampf keine Rolle spielen wird. Im Gegenteil: Schulz kann als Nicht-Regierungsmitglied Trump deutlich härter attackieren als die Kanzlerin. Sie muss mit Trump erst einmal zu einer einigermaßen gedeihlichen Zusammenarbeit finden. Wie sehr sie sich wirklich darauf freut, wird vermutlich ihr Geheimnis bleiben.

Ressort: Deutschland

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Fr, 17. März 2017: PDF-Version herunterladen

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