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Niedersachsen

Über den zutraulichen Wolf Kurti freuen sich nicht alle

Bernhard Honnigfort

Von

Do, 10. März 2016

Panorama

Experte aus Schweden versucht vergeblich, einen zutraulichen Wolf in Niedersachsen zu vergrämen.

Ein Wolf –  Glücksfall oder  Ärgernis?   | Foto: Colourbox
Ein Wolf – Glücksfall oder Ärgernis? Foto: Colourbox

HANNOVER/BERLIN. Niedersachsen ist längst wieder Wolfsland – doch darüber freuen sich nicht alle. Nun musste ein Experte aus Schweden ran, weil ein Tier zutraulich wurde. Doch Wolf Kurti lässt sich nicht so einfach vertreiben.

Die Spaziergängerin gerät in Panik, als sie mit ihrem Golden Retriever Sam und Nachbarshund Bolle im Wald bei Munster unterwegs ist und plötzlich vor einem Rudel Wölfe steht. Sieben Tiere, die Dame und Hunde aber nur neugierig betrachten und dann interessiert hinterherlaufen, als die Frau fluchtartig zum Auto rennt. Ein Rudel Wölfe, angeblich keine zehn Meter von ihr entfernt. Die Frau schafft es zum Wagen. Zuhause erleidet sie einen Zusammenbruch. Die Wölfe seien nicht aggressiv geworden, erzählt sie später. Aber furchtbar aufregend war es doch. Geschehen vor einem Jahr in der Lüneburger Heide.

2007 tauchte der erste Wolf wieder in Niedersachsen auf. Ein Einwanderer aus dem Osten Deutschlands, wo sich auf einem Truppenübungsplatz in Sachsen im Jahr 2000 erstmals wieder Wölfe niedergelassen hatten, die wohl aus Polen gekommen waren. Seitdem breiten sich Wölfe in Deutschland wieder aus, vornehmlich in Ost- und Norddeutschland, aber es zieht sie immer weiter nach Westen.

Mittlerweile leben 50 bis 70 Wölfe allein in Niedersachsen. Das Umweltministerium in Hannover geht von sieben ortstreuen Rudeln, einem Wolfspaar und zwei Einzeltieren aus. Ein einzelnes Tier schaffte es sogar bis an die holländische Grenze auf einen Bombenabwurfplatz der Luftwaffe. Was Umweltschützer freudig als Erfolg verbuchen, bereitet anderen Sorgen und Ängste. Der Wolf ist ein heißes Streitthema, wilde Geschichten von angegriffenen Joggern sausen durchs Internet. Das niedersächsische Umweltministerium hat auf seiner Homepage eine eigene Spalte, nur um Quatsch und Gerüchte aus der Welt zu schaffen. Seit der Wolf wieder da ist, sind zwischen Harz und Nordseeküste Dutzende Schafe gerissen worden. Und Menschen fürchten sich vor den neuen Nachbarn, die plötzlich in Wohngebieten auftauchen: Im vergangenen Frühling sagte eine Kindertagesstätte in Soltau ihre Waldwochen ab. Man traute sich nicht mehr raus in die Natur. Ein Wolf war in der Umgebung gesehen worden.

Vor allem ein Wolf in der Lüneburger Heide gibt Rätsel auf: Kurti nennen ihn liebevoll Tierschützer. "Verhaltensauffällig", befindet der grüne Umweltminister Stefan Wenzel. Kurti hat offensichtlich keine Scheu vor Menschen. Der Wolf, der schon seit längerem für Schlagzeilen sorgt, war zuletzt im Februar einer Spaziergängerin mit Kinderwagen und Hund hinterhergelaufen. Und an der Flüchtlingsunterkunft in Bad Fallingbostel soll er sich sogar zum Schlafen hingelegt haben. Es ist das erste Mal, seit wieder Wölfe in Deutschland heimisch sind, dass nun gegen eines der Tiere vorgegangen wird.

Dazu musste vergangenes Wochenende ein Wolfsexperte aus Schweden ran. Am Sonntag ortete Jens Karlsson vom Flugzeug aus das Tier in der Lüneburger Heide. Seine Aufgabe: Er sollte den Wolf ordentlich vergrämen und ihm seine Zutraulichkeit austreiben. Aber so einfach war es nicht, den Wolf auf Distanz zu kriegen. Dazu musste man erst einmal an ihn herankommen.

Montagabend zog Umweltminister Wenzel eine erste Bilanz der Vergrätzungsaktion: "Wir haben jetzt drei Tage lang hier in der Heide Maßnahmen durchgeführt", sagte er. Aber der Wolf habe sich überraschend scheu gezeigt. Man wollte ihn mit Gummigeschossen erschrecken und verjagen, kam aber nicht näher als 200 Meter an ihn heran. Möglicherweise, weil der Wolf in Begleitung eines schüchternen Wolfes war, der Herrn Karlsson nicht in Schussnähe haben wollte. Der schwedische Experte hat seine Heimreise angetreten.

Wie es mit dem momentan nicht mehr zutraulichen Kurti weitergehen soll, ist noch offen. Ein Abschuss des geschützten Tieres sei weiterhin das letzte denkbare Mittel, sagte Wenzel. Das Tier könnte aber auch eingefangen und in ein Gehege gebracht werden. Abwarten. Gegebenenfalls, sagte er, "müssen wir Herrn Karlsson bitten, noch einmal zu kommen."

Ressort: Panorama

  • Veröffentlicht in der gedruckten Ausgabe der BZ vom Do, 10. März 2016:
  • Zeitungsartikel im Zeitungslayout: PDF-Version herunterladen

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