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Von wegen Gleichberechtigung

  • Anna Pfister, Klasse 9b, Kepler-Gymnasium (Freiburg)

  • Fr, 18. Dezember 2020
    Schülertexte

Nach dem Grundgesetz sind Männer und Frauen in Deutschland gleichberechtigt – klingt gut, die gesellschaftliche Realität ist allerdings eine ganz andere.

Wer kümmert sich um die Kinder? Wer ar...rechtigung fängt bereits im Alltag an.  | Foto: Markus Bormann  (stock.adobe.com)
Wer kümmert sich um die Kinder? Wer arbeitet in Teilzeit? Der Kampf um mehr Gleichberechtigung fängt bereits im Alltag an. Foto: Markus Bormann  (stock.adobe.com)

Sind Männer und Frauen gleichberechtigt? Und wenn nicht, wie muss mit dieser Ungleichbehandlung umgegangen werden? Zischup-Autorin Anna Pfister hat sich zu diesem Thema in ihrem persönlichen Umfeld umgehört und die Ergebnisse zusammengetragen.

Nein, Frauen und Männer sind nicht gleichberechtigt, vielleicht in der Theorie, aber nicht in der Praxis. Dieser Meinung waren viele Menschen, die ich dazu befragt hatte. So viel Einigkeit macht eine Umfrage nicht unbedingt spannend. Spannend wird es jedoch auf den zweiten Blick, wenn man genauer nachfragt. Da gab es schon bei wenigen Befragten viele unterschiedliche Meinungen.

Ein Teilnehmer meinte, dass sich die Männer ändern müssten und dass die Problematik mit der Struktur der Gesellschaft zusammenhänge. Er ist der Auffassung, dass sich vor allem schon bei der Erziehung in der Familie etwas ändern müsse. Natürlich könne ein Mann ein Kind nicht stillen. Männer könnten sich jedoch ein Jahr freinehmen und sich um die Kinder kümmern. Genauso hat er das damals gemacht und dieses Jahr als große Bereicherung empfunden. Ohne Frage ein vorbildliches Verhalten.

Es gab aber auch Teilnehmer, die auf eine angebliche Benachteiligung der Männer hinwiesen, zum Beispiel durch Quotenregelungen. Ein anderer nutze die Frage, um sein politisches Anliegen und seine Vorurteile darzustellen. Er sieht das Problem nur bei Menschen muslimischen Glaubens, "die wir uns ins Land geholt haben und die sich nicht ändern werden".

Das ist für mich eine sehr erschreckende Aussage. Offensichtlich hat er im Islam den Sündenbock gefunden, auf den er mit dem Finger zeigen kann und somit das Problem und die Fehler nicht mehr bei sich suchen muss. Sicher gibt es Muslime, die Frauen nicht als gleichberechtigt betrachten. Es gibt aber auch fortschrittliche Muslime. Sie alle unter einen Hut zu stecken, ist ebenso falsch wie seine Behauptung, sie würden sich nie ändern. Frauenfeindliche Einstellungen finden sich nicht nur bei den Muslimen, sondern bei allen großen Religionen.

Andere Teilnehmerinnen und Teilnehmer wollten sich der Frage gar nicht stellen. Sie erklärten, das Problem sei zu kompliziert. Solche Bequemlichkeiten im Denken werden die Lage bestimmt nicht verbessern. Sie haben zwar Recht damit, dass das Problem kompliziert ist, jedoch nützt es nichts, wenn man an dieser Stelle aufhört zu denken.

Verbesserungen sind nur möglich, wenn man die Schwierigkeiten genauer analysiert. Darauf wies auch eine befragte Juristin hin. Grundsätzlich warf sie die Frage auf, ob Männer und Frauen überhaupt gleich sind. Das leuchtet mir ein, denn es ist schließlich ungerecht, wenn man Ungleiches gleich behandelt. Zum Beispiel wäre es ungerecht, wenn Arme und Reiche gleich viel Steuern bezahlen müssten. Deshalb bin ich der Meinung, sollte man Gleichberechtigung zunächst definieren.

Für mich bedeutet Gleichberechtigung nicht absolute Gleichbehandlung, sondern Chancengleichheit. Schon bei der Grundfrage, ob Männer und Frauen gleich sind, kann man unterschiedlicher Meinung sein. Die Juristin meint Männer und Frauen sind gleich, ich finde jedoch, Männer und Frauen sind nicht gleich. Ein wichtiger Unterschied ist schon die Tatsache, dass Frauen Kinder kriegen und durch die Schwangerschaft teilweise im Arbeitsleben eingeschränkt sind und Männer nicht. Diese Ungleichheit sollte berücksichtigt werden, um Chancengleichheit herzustellen.

Außerdem streben Männer in der Regel mehr nach Macht als Frauen, was mit ein Grund sein kann, warum es mehr Männer in Führungspositionen gibt. Das bedeutet aber noch lange nicht, dass die Männerüberzahl in Führungspositionen auch richtig ist. Hier setzt die Frauenquote an, was ich total richtig und wichtig finde, denn es sollten auf jeden Fall auch Frauen in Führungspositionen vertreten sein. Wenn es dadurch auch Leute in Führungspositionen gibt, denen es nicht nur um Macht geht, ist das sehr wertvoll. Sicherlich gibt es auch Frauen, denen es vor allem um Macht geht, aber es sind im Schnitt meiner Meinung nach weniger.

Zum Schluss wies die Juristin noch darauf hin, dass man nicht mehr von Frauen und Männern reden sollte, da es auch Menschen gibt, die sich weder als weiblich noch als männlich fühlen. Das ist ein wichtiger ergänzender Hinweis. Trotzdem bleibt es wichtig, über das Verhältnis von Frauen und Männern zu reden, da noch wesentliche Veränderungen nötig sind. Allein bei der Chancengleichheit und Bezahlung im Job bestehen noch viele Ungerechtigkeiten, das sahen fast alle Befragten auch so.

Erstaunlich also, dass wir in diesem Punkt noch nicht weiter sind. Wenn alle diese Ungleichheit sehen, warum ist sie dann noch nicht beseitigt? So zeigte sich beim Nachfragen zum Beispiel, dass konkrete Schritte wie die Einführung von Frauenquoten abgelehnt werden. Die Umfrage hat mir gezeigt, dass auf dem Weg zur Gleichberechtigung noch viele Vorbehalte beseitigt werden müssen.

Ressort: Schülertexte

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Fr, 18. Dezember 2020: PDF-Version herunterladen

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