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Hoffnung für Allergiker

Warum alte Sorten Apfelallergikern helfen, neuere Sorten zu essen

  • dpa

  • Mo, 12. November 2018, 20:30 Uhr
    Panorama

Apfelallergiker vertragen oft die Sorten aus dem Supermarkt nicht. Essen sie ältere Sorten, können sie auf einmal wieder gängigere Apfelsorten verzehren. Forscher wollen die genauen Gründe herausfinden.

Ältere Sorten sind für Allergiker verträglicher.  | Foto: dpa
Ältere Sorten sind für Allergiker verträglicher. Foto: dpa

Millionen Deutsche reagieren auf Obst und Gemüse allergisch. Hoffnung gibt es für Menschen, die bestimmte Apfelsorten nicht vertragen. Essen sie ältere Sorten des Obsts, können sie auf einmal wieder gängigere Apfelsorten ohne allergische Reaktion verzehren. Forscher von der Berliner Charité haben das in einer Studie entdeckt. Doch nicht bei allen Teilnehmern haben sich die Symptome spürbar verbessert.

Apfelallergiker vertragen oft die Sorten aus dem Supermarkt nicht. Zu ihnen zählt auch die Berlinerin Ursula Müller. "In der Pubertät ging es bei mir los mit den Allergien", erinnert sie sich. Neben Birkenpollen reagierte sie plötzlich auch auf Äpfel. "Beim Essen jucken Mund und Rachen. Alles schwillt an", sagt die 58-Jährige.

Ihr Fall ist laut dem Berliner Allergologen Karl-Christian Bergmann von der Charité typisch für eine Kreuzallergie. Wer gegen Birkenpollen allergisch sei, vertrage meist auch bestimmte Äpfel nicht. Der Grund: "Das Obst enthält Allergene, die den wichtigsten Allergenen in Birkenpollen ähneln", so Bergmann. In Deutschland gibt es seinen Angaben zufolge rund elf Millionen Erwachsene mit Heuschnupfen, von denen etwa jeder Zweite auch allergisch auf Obst oder Gemüse reagiert.

Die gängigen Apfelsorten wie Golden Delicious, Gala oder Jonagold machen Allergikern Probleme. "Die neueren Sorten, sogenannte Tafeläpfel, enthalten besonders viele Allergene", erläutert Bergmann. Der Allergenanteil sei so hoch, weil ein anderer Abwehrstoff der Äpfel, die Polyphenole, durch Züchtungen stark reduziert worden sei, um süßere Sorten zu erzielen. Die für Aroma und Säure zuständigen Polyphenole schützen den Apfel vor Schimmelpilzen und sind laut Bergmann gesund für den Menschen. "Der Spruch: ,Ein Apfel pro Tag erspart den Gang zum Arzt’ trifft aber eher auf alte Apfelsorten zu", so der Mediziner.

In einer Beobachtungsstudie entdeckten er und Kollegen weitere Vorteile: Alte Sorten sind nicht nur verträglicher für Allergiker, sondern ihr regelmäßiger Verzehr kann sie auch resistenter gegen Problemäpfel machen und Heuschnupfensymptome reduzieren. Jeweils zu Beginn und zum Ende der Studie aßen die rund 100 Teilnehmer einen "Problemapfel" der Sorte Golden Delicious. Dazwischen bekamen sie 90 Tage lang täglich alte Apfelsorten mit hohem Polyphenolgehalt wie Alkmene, Eifeler Rambur, Goldparmäne und Roter Boskoop. "Bis zum Ende haben etwa 70 Teilnehmer mitgemacht. Viele konnten den Golden Delicious im Anschluss besser vertragen und hatten auch in der darauffolgenden Heuschnupfensaison weniger Beschwerden", sagt Bergmann.

Ursula Müller nahm auch an der Studie teil, merkte aber keine deutliche Besserung ihrer Symptome. Allerdings isst sie inzwischen wieder bestimmte Äpfel. "Je saurer ein Apfel, desto besser vertrage ich ihn", so ihre Erfahrung.

Welche Sorten für Allergiker verträglich oder unverträglich sind, tragen Willi Hennebrüder und Mitstreiter vom Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND) in Lemgo (Nordrhein-Westfalen) zusammen. Rund 100 Apfelsorten enthält ihre im Internet veröffentlichte Liste bereits. Gute Erfahrungen machen Allergiker demnach auch mit den Sorten Berlepsch, Prinz Albrecht von Preußen und Weißem Winterglockenapfel. Bei einer Exkursion des BUND auf eine Streuobstwiese sei die Idee entstanden, Apfelallergikern zu helfen, erinnert sich Hennebrüder. Damals sei ein Mann dabei gewesen, der seit Jahren keine Äpfel mehr aß. Hennebrüder ließ den Mann alte Sorte probieren. "Er aß und aß und nichts passierte. Der war so glücklich", erinnert sich der Umweltschützer. Eine andere Allergikerin habe ebenfalls wieder Äpfel genießen können. Dieser Fall habe ihn dazu inspiriert, sich an die Berliner Wissenschaftler zu wenden.

Bergmann forscht weiter zu dem Thema. Er will verstärkt mit Kollegen aus Kasachstan kooperieren. Von dort stammt der Urvater des heutigen Kulturapfels, die Wildart Malus sieversii. "Heuschnupfenprobleme wie hier kennt man dort nicht", so der Wissenschaftler. Er will herausfinden, ob das am hohen Polyphenolgehalt der dortigen Apfelsorten liegt.

Ressort: Panorama

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Di, 13. November 2018: PDF-Version herunterladen

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