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Wenn Kinder zu Eheleuten werden

  • kna

  • Sa, 08. Juni 2019
    Ausland

Unicef kämpft gegen die frühe Verheiratung von Mädchen und Jungen in aller Welt.

KÖLN/NEW YORK (KNA). Dass Kinder in Deutschland von Gesetzes wegen nicht heiraten dürfen, gilt hierzulande normal. Andernorts ist das aber an der Tagesordnung – auch wenn weltweit die Zahl von Mädchen in Kinderehen zurückgeht. Der Anteil der Frauen, die vor ihrem 18. Geburtstag verheiratet waren, sei im vergangenen Jahrzehnt von 25 auf 21 Prozent gefallen, heißt es in einem am Freitag veröffentlichten Bericht des Kinderhilfswerks Unicef. Insgesamt aber gebe es 765 Millionen Eheleute, die minderjährig verheiratet worden seien. Davon seien etwa 650 Millionen Mädchen. Etwa 115 Millionen der heute 20 bis 24 Jahre alten Männer seien bei ihrer Hochzeit Kinder gewesen. Etwa ein Fünftel (23 Millionen) sei damals 15 Jahre oder jünger gewesen.

"Eine frühe Ehe bedeutet das plötzliche Ende der Kindheit und eine Verletzung der Kinderrechte", erklärte die Unicef-Exekutivdirektorin Henrietta Fore in New York. Kinder-Bräutigame seien gezwungen, die verantwortliche Rolle eines Erwachsenen zu übernehmen. Eine frühe Ehe führe zu früher Vaterschaft und dadurch zu noch größerem Druck, für die Familie zu sorgen.

Kinderehen bei Jungen sind laut Unicef in einer Reihe von afrikanischen Ländern südlich der Sahara verbreitet, in Lateinamerika und der Karibik, in Südasien sowie Ost-Asien und der Pazifik-Region. Am häufigsten heiraten minderjährige Jungen in der Zentralafrikanischen Republik (28 Prozent), gefolgt von Nicaragua (19 Prozent) und Madagaskar (13 Prozent).

Mädchen befänden sich deutlich häufiger in sogenannten Frühehen, hieß es. Jede fünfte junge Frau wurde demnach als Kind verheiratet. Bei jungen Männern käme das bei jedem Dreißigsten vor. Das Risiko einer Kinderehe steige, je ärmer, ländlicher und bildungsferner eine Familie lebe. Laut Unicef werden pro Jahr etwa zwölf Millionen weitere minderjährige Mädchen verheiratet. Die Zahlen gingen trotz aller Bemühungen internationaler Organisationen nur langsam zurück.

Auch wenn hierzulande keine Kinderehe geschlossen werden dürfen, wird derzeit über die deutschen Gesetze zur Anerkennung im Ausland geschlossener Ehen Minderjähriger gestritten. Seit Juli 2017 gilt: Ehen, die im Ausland legal geschlossen wurden, sind in Deutschland unwirksam, wenn einer der Ehepartner unter 16 Jahre alt ist. Der Bundesgerichtshof (BGH) musste die Vorschrift bereits anwenden. Im Einzelfall war es um ein 2015 aus Syrien geflüchtetes Paar gegangen. Beide Partner sind nach syrischem Recht wirksam verheiratet. Der Ehemann war bei der Hochzeit 21, das Mädchen hingegen 14 Jahre alt.

Der BGH bezweifelte aber, ob die neue Regelung mit dem Grundgesetz vereinbar ist. "Der Bundesgerichtshof beanstandet, dass das Gesetz sogenannte Kinderehen automatisch für unwirksam erklärt, ohne dass eine Prüfung im Einzelfall stattfindet", erklärte damals die BGH-Presserichterin, Dietlind Weinland.

Ressort: Ausland

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