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Mehrgenerationenhaushalte

Wenn Mama mit in der WG wohnt

  • kna

  • Fr, 29. Juli 2016
    Liebe & Familie

In Deutschland gibt es immer weniger Mehrgenerationenhaushalte - doch manche Menschen stellen sich gegen den Trend.

Wenn drei Generationen unter einem Dac... es Vor- wie auch Nachteile für alle.   | Foto: dpa
Wenn drei Generationen unter einem Dach leben, gibt es Vor- wie auch Nachteile für alle. Foto: dpa

BERLIN (KNA/dpa) Die Zahl ist rückläufig und überschaubar: In nur 0,5 Prozent aller Haushalte in Deutschland leben drei oder mehr Generationen zusammen. Seit 1995 ist diese Zahl von damals 351 000 um etwa 40 Prozent gesunken, wie aus Auswertungen des Statistischen Bundesamtes hervorgeht, die Aber es gibt auch Menschen, die sich gegen den Trend stellen – oder eine Renaissance womöglich vorwegnehmen.

Wenn Teresa Lange (Name von der Redaktion geändert) an das reizvolle Jobangebot zurückdenkt, muss sie über ihre erste Reaktion noch immer schmunzeln. "Ich habe zu meinem Chef gesagt: Da muss ich erst mal meine Mutter fragen", erinnert sie sich. Lange lebt mit ihrem Freund und der kleinen Tochter heute wieder mit ihrer Mutter zusammen. Sie leitet zwei Modegeschäfte und ihr Kopf ist frei von Kita-Zeiten, Einkäufen und dem ganz normalen Alltagswahnsinn junger Mütter mit Ganztagsjobs.

Für diesen Luxus sind drei Generationen vor einem Jahr im Berliner Szene-Stadtteil Friedrichshain zusammengezogen. Die Altbauwohnung haben sie gemeinsam ausgesucht und eine Art Generationenvertrag geschlossen: Die jungen Eltern arbeiten beide Vollzeit, zahlen die Miete und das Haushaltsgeld, Großmutter Rosa kümmert sich um die quirlige vierjährige Enkelin Mila.

Damit lebt Familie Lange gegen den Trend. Nach den jüngsten Berechnungen des Statistischen Bundesamts vom Donnerstag schrumpfte die Zahl der Haushalte mit drei oder mehr Generationen unter einem Dach um 40,5 Prozent. Doch die vier Berliner könnten auch Vorreiter neuer gesellschaftlicher Entwicklungen sein, die Soziologin Christine Hannemann als Interesse an Gemeinschaftlichkeit und Wandel der Lebensstile bezeichnet.

Teresa Lange ist 27 und kennt das ungläubige Staunen, wenn sie Freunden von ihrem Leben erzählt. "Viele können sich das nicht vorstellen", sagt sie. Doch nun heirateten viele Freunde und bekämen Kinder. "Und jetzt fangen sie an, genauer nachzufragen, wie das bei uns so klappt", erzählt sie.

Eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov zeigt ein gespaltenes Bild. Fast die Hälfte (44 Prozent) der rund 2000 Befragten sieht das Zusammenleben in einer Großfamilie demnach positiv. Für elf Prozent ist es der Umfrage zufolge Alltag, zwei Prozent planen es gerade. Fast ein Drittel der Befragten würde nach eigenen Angaben gern so leben – vor allem im Alter. Dagegen steht die andere Hälfte (46 Prozent), die sich dieses Lebensmodell für sich absolut nicht vorstellen kann.

Rosa Lange ist vor kurzem in Rente gegangen. Dann kam der Vorschlag ihrer Tochter, zusammenzuziehen. "Meine Freundin hat mir einen Vogel gezeigt", erinnert sich die 62-Jährige. "Sie hat gesagt: Zieh zu mir und wir haben Spaß." Doch für Lange ist die Familie wichtiger. Sie ist geschieden, eine neue Partnerschaft reizt sie nicht. Doch mit Enkelin Mila zu leben, macht ihr viel Freude. Sie bringt die Kleine zur Kita, kocht, sitzt auf der Bank am Spielplatz.

Könnte eine Renaissance der Großfamilie bevorstehen? "Der Kontakt zwischen den Generationen wird immer besser", berichtet Soziologin Michaela Kreyenfeld von der Berliner Hertie School of Governance. Es geht nicht nur um Kleidung oder Musikgeschmack, auch um eine offenere Einstellung zur heutigen Vielfalt an Lebensstilen. "Das heißt aber nicht, dass Großfamilien zusammenleben", so die Wissenschaftlerin. Generell werde die junge Generation zwischen 18 und 20 flügge. "Eine Rückkehr ins Elternhaus ist nicht das typische Muster."

Teresa Lange war es wichtig, nicht in die Wohnung ihrer Mutter zurückzukehren. "Das wäre mir wirklich komisch vorgekommen", sagt sie. Der Neuanfang sollte bewusst an einem neuen Ort gelingen. Als WG empfinden die Langes ihre Wohnung nicht. "Das fühlt sich an wie Familie", sagen Mutter und Tochter wie aus einem Mund. Milas Vater Franjo (28) fand die Idee von Anfang an "cool". "Ich bin auch mit meiner Oma aufgewachsen. Für mich ist das normal."

Ressort: Liebe & Familie

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Fr, 29. Juli 2016: PDF-Version herunterladen

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