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Wer wird Merkels Nachfolger?

Norbert Wallet
  • Di, 30. Oktober 2018
    Deutschland

Kontinuität oder Kurswechsel – Kramp-Karrenbauer und Spahn haben ihre Kandidatur für den CDU-Vorsitz bereits angemeldet.

Angela Merkels Schatten am Montag während einer Pressekonferenz im Berliner Konrad-Adenauer-Haus Foto: dpa
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Langsam wird es unübersichtlich in der Partei, für die der Begriff "Ordnung" doch eine wichtige politische Kategorie darstellt. Nachdem Angela Merkel überraschend auf eine erneute Kandidatur für den CDU-Parteivorsitz verzichtet hat, kursieren viele Namen für ihre Nachfolge. Ein Versuch, den Überblick zu wahren:

» Annegret Kramp-Karrenbauer
Die CDU-Generalsekretärin ist zweifellos die Wunschkandidatin der Kanzlerin. In der Partei wurde es ihr hoch angerechnet, dass Annegret Kramp-Karrenbauer auf ihr Ministerpräsidentenamt im Saarland verzichtete, um ein herausgehobenes Parteiamt zu übernehmen. Ihr Wahlergebnis von 98,87 Prozent im Februar dieses Jahres war triumphal und drückte ihren großen Rückhalt in der CDU aus. "AKK", wie die 56-Jährige in der Partei oft genannt wird, genießt das Vertrauen des Merkel-Lagers in der Partei und erhält auch von den Sozialpolitikern hohe Zustimmung. Sie gilt als integrierend. Der sozialpolitische Sprecher der Bundestagsfraktion, Peter Weiß, nennt es "nur logisch, dass Kramp-Karrenbauer auch für den Parteivorsitz kandidiert". Was gegen sie spricht, ist eine längerfristige Überlegung: Die Parteivorsitzende hätte das erste Zugriffsrecht auf die Kanzlerkandidatur. Da gibt es Zweifel in der Partei, ob die Saarländerin sich genug von Merkel unterscheidet, um die CDU glaubhaft als "erneuerte Partei" in einen Bundestagswahlkampf zu führen. Es gibt die Befürchtung, dass sie vor allem im Osten zu sehr als "Merkel zwei" angesehen würde. Tatsächlich wäre ihre Wahl eher ein Zeichen für Kontinuität als für Bruch. Kramp-Karrenbauer hat im CDU-Vorstand ihre Kandidatur angekündigt.
» Jens Spahn

Eigentlich galt der 38-jährige Jens Spahn immer als der geborene Gegenkandidat zu Kramp-Karrenbauer. Der Gesundheitspolitiker hat ein stärker konservatives, auch marktliberaleres Profil als das Duo Merkel/AKK und gehört einer jüngeren Generation an. Das spricht durchaus für ihn. Aber er hat gleich drei Probleme: Das erste ist, dass er eigentlich auf die Kanzlerkandidatur blickt. Er will Kanzler sein, der Parteivorsitz wäre für ihn eher ein Schritt auf dieses Ziel hin. Aber gerade der Vorsitz erfordert andere Fähigkeiten. Während ihn sein forscher Auftritt, seine kantigen Formulierungen und seine Freude an der gezielten Provokation durchaus für die Kanzlerkandidatur qualifizieren, sind das nicht unbedingt die Qualitäten, die zum Parteichef prädestinieren. Dort geht es eher um die Fähigkeit zur Integration einer Partei mit vielen Wurzeln und Strömungen. Allerdings wäre er sicher flexibel und geschickt genug, um die Zusammenarbeit mit Kanzlerin Merkel von schweren Störungen freizuhalten. Zweitens ist er nicht mehr der einzige Vertreter einer jungen, konservativ-marktwirtschaftlichen CDU-Generation, seit sich mit Ralph Brinkhaus ebenfalls ein Westfale mit einer mutigen Kampfkandidatur den Fraktionsvorsitz gesichert hat. Im Vergleich dazu sah Spahn wie ein zögerlicher Taktierer aus. Genutzt hat ihm das nicht. Problem drei könnte der neu aufgetauchte Name werden. Auch Spahn hat seine Kandidatur im Vorstand angekündigt.

» Friedrich Merz
Friedrich Merz ist der Sensationsname, der am Montag wie aus dem Nichts auftauchte. Wie zu hören war, haben Vertreter des CDU-Wirtschaftsflügels seit Langem daran gearbeitet, Merz zu reaktivieren. Für die Konservativen und Marktliberalen in der Partei ist der Name Merz "ein Mythos", wie es Thüringens CDU-Chef Mike Mohring am Montag formulierte. Merz war von 2000 bis 2002 wortgewaltiger Fraktionschef der Union im Bundestag, bis Angela Merkel nach der Bundestagswahl 2002 den Posten für sich beanspruchte. Das markierte den Beginn einer harten Rivalität der beiden. 2009 schied der Sauerländer aus der Bundespolitik aus, blieb aber seither ein Kritiker des Merkel-Kurses. Wie er als Parteichef mit einer Kanzlerin Merkel zusammenarbeiten könnte, ist kaum vorstellbar. Bereits das bloße Gerücht, Merz stehe zur Verfügung, löst in der Union bereits Kontroversen aus. Während aus der CSU lobende Stimmen zu einer Kandidatur kommen, sagt etwa die Stuttgarter Bundestagsabgeordnete Karin Maag: "Wir brauchen eine neue, starke Persönlichkeit, die die Partei in die Zukunft führt und keinen Mann von gestern." Tritt Merz an, wird die Abstimmung über den Parteivorsitz zu einem Urteilsspruch über Merkels Politik. Von Merz gibt es bislang keine Bestätigung seiner Ambitionen. Sie werden in der CDU heiß debattiert. Es kursiert die Vermutung, Merz könnte Vertrauten seine Bereitschaft zu einem Zeitpunkt signalisiert haben, da er noch davon ausging, dass Merkel auf dem Parteitag für den Vorsitz kandidiert. Nun, da andere offene Kandidaturen auf dem Markt sind, rechnen viele mit einem Rückzug zugunsten Spahns.

» Armin Laschet
Im Gespräch als künftiger Parteichef ist auch Armin Laschet, der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen. Wer das größte deutsche Bundesland führt, ist ein politisches Schwergewicht und kann legitime Ansprüche anmelden. Laschet, bisher einer der stellvertretenden Parteivorsitzenden, gilt als liberaler Politiker, der den Kurs der Kanzlerin immer sehr loyal unterstützt hat. Im Ringen zwischen CDU und CSU hat er die Bayern oft hart kritisiert. Aber Laschet gilt in der Partei als umgänglich, vermittelnd. Seine offene Art wird geschätzt. In Düsseldorf führt Laschet eine recht störungsfreie Koalition mit der FDP. Sein Problem: Er steht in seiner ersten Wahlperiode als Ministerpräsident. Das könnte ihn in Schwierigkeiten bringen, wenn die Union auf Bundesebene bald einen Kanzlerkandidaten braucht, weil die Große Koalition platzt. Eigentlich sollte er durch eine Wiederwahl in NRW vorher seine Tauglichkeit für höhere Ansprüche nachgewiesen haben. Offiziell hat er sich noch nicht geäußert. CDU-Kreise, die ihm nahestehen, glauben aber an seine Kandidatur.

» Wolfgang Schäuble
Immer wieder wird auch Wolfgang Schäuble genannt. Er wäre ein Kompromiss- und Übergangskandidat, auf den sich alle einigen könnten. Doch die Variante kommt nur in Betracht, wenn die Nachfolgefrage zu einem erbitterten Richtungsstreit zu eskalieren droht. Das aber soll um jeden Preis verhindert werden.
» Sonstige Bewerber
In den vergangenen Wochen haben drei Parteimitglieder Kandidaturen angemeldet: der hessische Unternehmer Andreas Ritzenhoff, der Bonner Jura-Professor Matthias Herdegen sowie der Berliner Student Jan-Philipp Knoop. Sie gelten als chancenlos.

Ressort: Deutschland

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Di, 30. Oktober 2018: PDF-Version herunterladen

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