Todmüde am Morgen
Viele Schülerinnen und Schüler stöhnen über den frühen Schulbeginn.
MÜNCHEN. Mathe-Arbeiten morgens um 8 Uhr – für manche ein Horror. Todmüde quält man sich von Aufgabe zu Aufgabe, die Gedanken sind schwerfällig. Könnte die Schule doch bloß später starten – oder doch nicht? Eine US-Studie hat ergeben, dass sich bei späterem Unterrichtsbeginn die Leistungen verbessern.
"Frühtypen wird das frühe Aufstehen eher keine Probleme machen", sagt der Kinder- und Jugendarzt Alfred Wiater von der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM). Allerdings verändere sich bei vielen Menschen in der Pubertät die innere Uhr – in Richtung Spättyp. "Sie werden abends erst später müde, können demzufolge erst später einschlafen und brauchen morgens länger Schlaf, um ihren physiologischen Schlafbedarf zu decken", erklärt Wiater. "Schlafmangel schränkt die Leistungsfähigkeit ein, führt zu Konzentrations- und Ausdauerstörungen und macht schlechte Laune." Im US-amerikanischen Seattle war man diese Diskussionen leid und verschob den Unterricht an mehreren Schulen um eine halbe Stunde auf 8.45 Uhr nach hinten. Forscher der dortigen Universität begleiteten den Versuch. Ihre Erkenntnis: Die Schüler schliefen durchschnittlich 34 Minuten länger, ihre Leistungen verbesserten sich und die Fehlzeiten waren geringer.
Der Vorsitzende des Deutschen Lehrerverbandes, Heinz-Peter Meidinger, kennt als Rektor eines Gymnasiums das Leid mit unausgeschlafenen Schülern. Gleichzeitig sieht er die Probleme eines späteren Starts. Ein Punkt sind die Schulbusse, vor allem auf dem Land, die Schüler in einem großen Umkreis einsammeln und oft mehrere Schulen anfahren. Wenn die alle zu unterschiedlichen Zeiten beginnen, sei das problematisch. Zudem bedeute ein späterer Beginn, dass man in die Mittagszeit hineinkomme. "Sie müssten dann überall eine Mittagsversorgung anbieten und nach der Mittagspause noch mal Unterricht machen. Das findet wenig Akzeptanz."
Doch was sagen die Schüler selbst? Erst im September hatte der Kindersender Kika eine Studie unter 1300 Erst- bis Sechstklässlern veröffentlicht. Im Schnitt wünschten diese sich einen Schulstart um 8.40 Uhr. Wer sich privat umhört, bekommt erst große Zustimmung. Ein späterer Schulbeginn, vielleicht sogar erst um 9 Uhr – traumhaft. Doch gleich darauf der entsetzte Rückzieher: "Aber dann würde die Schule ja bis 14 Uhr dauern!" Das hat auch Meidinger beobachtet: "Die Jugendlichen stehen schon schwer auf in der Früh. Der freie Nachmittag ist ihnen aber noch wichtiger als das späte Aufstehen".
Erleichterung verspricht die Zeitumstellung auf die Winterzeit am 27. Oktober, bei der die Uhren eine Stunde zurückgestellt werden. Anders die Sommerzeit, bei der die Uhren vorgestellt werden und alle eine Stunde früher aus den Federn müssen. Der Lehrerverband ist entschieden gegen eine permanente Sommerzeit, wie sie im Rahmen einer Abschaffung der Zeitumstellung EU-weit diskutiert wird. Kinder müssten dann viel länger bei Dunkelheit in die Schule gehen, sagt Meidinger. Dabei spielt das Tageslicht eine entscheidende Rolle für die Leistungsfähigkeit. Nicht die Uhrzeit beeinflusse die innere Uhr, sondern die Zeit, die man dem Sonnenlicht ausgesetzt sei, sagt Joachim Ficker vom Schlafmedizinischen Zentrum in Nürnberg. "Es soll möglichst viel natürliches Licht auf die Netzhaut treffen." Das mache wacher und leistungsfähig. Und noch einen Tipp für verschlafene Teenager hat er: Zu Fuß zur Schule gehen. "Das langt, um unsere innere Uhr zu synchronisieren, um unserem Organismus ein klares Startsignal zu geben: Jetzt ist Morgen."
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