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Schmutziger Donnerstag 2021

Wie erleben Narren aus dem Breisgau die Fasnacht in der Corona-Pandemie?

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  • Do, 11. Februar 2021, 12:00 Uhr
    Bötzingen

Narretei muss einfach sein – darin sind sich Fasnächtler aus der Region Freiburg einig. Die Breisgau-Redaktion hat bei einigen nachgefragt, wie sie die närrischen Tage in Zeiten von Corona verbringen.

Beate Höfflin Foto: Mario Schöneberg
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Rathäuser werden gestürmt, es wird getanzt und Konfetti geworfen, die Menschen tragen Häs oder ziehen als Hemdglunki durch die Dörfer – normalerweise. Am Schmutzigen Donnerstag geht es heute ruhiger zu als gewohnt. Wie geht es denen, deren Alltag in der fünften Jahreszeit sonst von der Narretei bestimmt ist? Haben sie ein Alternativprogramm?

BEATE HÖFFLIN, 47,
FASNET-KOMITEE BÖTZINGEN
"Hätte ma Fasnet, hätte ma ä Motto" haben sich die Bötzinger Narren heuer auf ihre Fahnen geschrieben. Die Guggemusiker der "Schnooge-Blog" und andere Gruppen bilden ein Komitee, um den Kappen-Abend am Fasnachts-Samstag auszurichten. Beate Höfflin gehörte 2020 zum 15. Mal zum Moderatorinnen-Team. Aufgewachsen in Achkarren stand sie schon als Zehnjährige bei den dortigen "Biggiträgern" als Gardemädchen auf der Bühne. Später hat sie selbst Garde-Choreografien einstudiert und bei der Breisacher Frauen-Gugge "Bajakl Schnäpfe" angeheuert, in der sie heute noch Posaune spielt. "Zeitweise war ich an Fasnacht in drei Vereinen gleichzeitig aktiv, das wurde dann doch etwas zu viel." Langweilig wird es auch in Corona-Zeiten nicht. "Wir sind noch da, wir machen trotzdem Fasnacht in und für Bötzingen. Da fehlt mir sonst wirklich etwas". Es muss zwar keine Halle dekoriert werden, doch der Aufwand ist nicht weniger. Mit Frank Schaub hat Beate Höfflin Musik und Videos für einen vierstündigen Abend auf Youtube ausgewählt und die Moderation vorbereitet. Gruppen, die sonst auf der Bühne stehen, haben extra Videos produziert. Und für das Publikum gibt’s einen Preismaskenball.

LINA JENNE, SIEBEN JAHRE,

EBRINGER SCHLOSSHEXEN

Das Häs anziehen, bei Umzügen mitlaufen und Süßigkeiten werfen, das macht der siebenjährigen Lina Jenne aus Ebringen am meisten Spaß an der Fasnacht. Schon seit sie ein Baby ist, ist sie bei den Umzügen dabei und läuft bei den Ebringer Schlosshexen mit, erzählt sie – so wie Mama und Papa eben auch. Wenn sie Süßigkeiten wirft – meist Bonbons, Lutscher oder kleine Tüten mit Gummibärchen oder Popcorn – dann sammeln sie die Kinder am Straßenrand auf, manchen gibt Lina die Süßigkeiten auch direkt in die Hand. "Die freuen sich dann", sagt Lina. Dass in diesem Jahr kein Umzug stattfindet, findet die junge Hexe schade, denn "alle Umzüge sind cool". Wobei natürlich der in Ebringen besonders toll ist, da dort Freunde am Straßenrand stehen und zuschauen. Ob die Lina wohl erkennen, wenn sie ihre Maske auf hat? "Wenn ich zu ihnen gehe, mache ich die Maske hoch, damit sie mich erkennen", erzählt Lina und grinst. Weil sie jetzt in die erste Klasse geht, hat sie sich in diesem Jahr besonders darauf gefreut, dass die Schlosshexen die Schule stürmen. Danach holen die Schulkinder mit den Hexen ganz traditionell die Kindergartenkinder ab – das weiß Lina von den letzten Jahren – und entmachten dann den Bürgermeister. Leider ist die Schulstürmung in diesem Jahr abgesagt. Fasnacht findet aber trotzdem für Lina statt – sie freut sich schon auf die Schatzsuche, die die Schlosshexen für die Ebringer Kinder vorbereitet haben, und ist gespannt auf das Fasnacht-Malbuch der Ebringer Zünfte.

MARKUS SCHWÄR, 46,
HÖLLENZUNFT KIRCHZARTEN
"Wir werden die Zeit zusammen schaffen, denn uns Narren vergeht niemals das Lachen." Treffender könnte das Fasnetsmotto der Kirchzartener Höllenzunft die Saison nicht beschreiben. "Wir hatten das Programm für die närrischen Tage komplett in trockenen Tüchern", sagt Oberzunftmeister Markus Schwär, "das Plakat war schon druckreif gestaltet". Für den Umzug am Fasnetsundig hätten sich bis Anfang Dezember mehr als 40 Teilnehmergruppen angemeldet. Doch weder Proklamation noch Narrenbaumstellen fanden statt. Bürgermeister Andreas Hall, Ehrenordenträger der Zunft, habe sie darin bestärkt, alles andere sei nicht vertretbar. "Doch wir haben voller Hoffnung verkündet: Die Fasnet selber wird nicht abgesagt", sagt Obernarr Schwär, dem wie seiner Frau und den zwei Kindern schon etwas fehlt. "Normal hätte ich ab Schmutzigen Dunschdig bis Aschermittwoch Urlaub und viel Spaß beim Rathaussturm, bei den Schülerbefreiungen, beim Brauchtumsabend und Umzug oder dem Besuch im Altenheim." Froh sei er, dass Höllenzunftfahnen den Ort närrisch zierten, und am Fasnetsamschdig werde coronagemäß der "Narrenspiegel" verkauft. "Aber nächstes Jahr holen wir alles nach, und dann schallt tagelang das Narri-Narro durch unseren Ort."

MARTIN HERR,59,

WELSCHKORNGEISTER DENZLINGEN
Die Idee war schon geboren, das Kostüm geschneidert und auch wenn, wie seit 24 Jahren, Martin Herr am Text noch bis kurz vor knapp hätte feilen müssen, der Denzlinger Büttenredner war bereit für seinen Auftritt bei der Fasnet der Welschkorngeister. "Jetzt sitze ich allein daheim, lasse den Sektkorken knallen." Die Szenerie, die der Maler dem Publikum hätte ausmalen wollen, wird Realität: Fasnet am Küchentisch – das Abstandhalten war ein roter Faden seines Beitrags. "Die Motivation ist im Keller", sagt der 59-Jährige, der schon lange in Denzlingen lebt. Eine Büttenrede nur vor Kamera und Mikrofon, eine Online-Bütt, kam für den geborenen Gutacher, dem die Fasnet in die Wiege gelegt wurde, nicht in Frage. "Wir leben ja auch von der Reaktion des Publikums, vom Lachen und Kreischen an den richtigen Stellen und der Spontanität aus dem Saal", betont er für sich und seine Kollegen. Das werde bei den im Fernsehen gezeigten Sitzungen ohne Publikum mehr als deutlich. Das Schunkeln, das Singen und auch schon die Vorfreude auf die fünfte Jahreszeit fehlen ihm sehr. "Das Kribbeln vor dem Auftritt, die Sorge, ob es klappt und die Rede auch ankommt, das Lampenfieber hätte ich lieber gehabt, als alles, was jetzt ist." Das eigene Zuhause ist närrisch geschmückt, und die Hoffnung aufs kommende Jahr, in dem die Zunft ihr 50-jährige Bestehen feiern kann, bleibt. Nach der Fasnet ist eben vor der Fasnet.

HEINZ REHM, 63,
GLOTTERPIRATEN GLOTTERTAL


Piraten sind eher grobe Genossen, auch hart im Nehmen, doch in diesem Jahr ist den Glotterpiraten eher zum Heulen. "Es ist schon ein komisches Gefühl, zum ersten Mal seit 30 Jahren sitze ich an Fasnacht zuhause", sagt Heinz Rehm (im Bild rechts). Sonst hatte die Gruppe mit ihrem Piratenschiff auf Lkw und Hänger bis zu fünf Umzüge zwischen Fasnachtsfreitag und -dienstag geentert. "Eigentlich hätte der jährliche TÜV im Dezember angestanden, den machen wir jetzt und dann auch, wenn notwendig, anstehende Reparaturen", sagt der Vorsitzende der Glotterpiraten. So werde die ungewollte Pause sinnvoll genutzt, denn das Schiff auf Rädern ist auch unterm Jahr auf großer Fahrt. "Wir vermieten es an den Heuboden in Umkirch, wenn der zur Beachparty einlädt, und im Sommer 2019 war unser Boot auf einem Schiff auf dem Bodensee unterwegs", berichtet der 63-Jährige. 30 Mitglieder habe der Verein, rund 20 fahren regelmäßig mit. "Jetzt sitzen die alle daheim, weil ja auch untereinander feiern nicht geht", sagt der Sexauer, der bis 1994 einen Hof im Glottertal gepachtet hatte. Über die Finanzen macht er sich keine Sorgen. Die Mitglieder zahlen einen Jahresbeitrag von 250 Euro, und bei den Sponsoren hofft er auf Treue, auch wenn der Wagen nicht rollt. So seien Unterhaltungskosten und Stellplatzmiete gedeckt. Antrittsgeld für Umzüge, die jetzt ausfallen, gebe es so oder so nicht.

Ressort: Bötzingen

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Do, 11. Februar 2021: PDF-Version herunterladen

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