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Forschen & helfen

Wie Studierende der EFH Flüchtlingen helfen wollen

Frank Zimmermann
  • Do, 23. Juni 2016
    Freiburg

Wissenschaftliche Analyse und praktische Flüchtlingshilfe miteinander zu verbinden, diese Aufgabe hat sich eine Gruppe von Studentinnen der Evangelischen Hochschule (EH) vorgenommen. Sie führte Interviews mit geflüchteten Männern und Frauen in der Unterkunft am Dietenbachpark.

Studentinnen der Evangelischen Hochsch...8211; und versuchen, ihnen  zu helfen.  | Foto: privat
Studentinnen der Evangelischen Hochschule haben Flüchtlinge in der Nachbarschaft der EH befragt – und versuchen, ihnen zu helfen. Foto: privat

WEINGARTEN. Ihr Ziel war es, das Freizeitverhalten und die Bedürfnisse der Flüchtlinge zu erforschen. Doch dabei sollte es nicht bleiben: Die elfköpfige Projektgruppe bot den Geflüchteten anschließend auch ihre Hilfe im Alltag an.

"Wir hatten am Anfang viele Ideen und den Impuls, sofort zu handeln. Wir haben dann aber gemerkt, dass wir uns erst einen Überblick verschaffen müssen, um dann Angebote zu entwickeln", sagt Studentin Margit Wörner, die an der EH Soziale Arbeit studiert und Mitglied der Projektgruppe "Geflüchtete Menschen in Weingarten" ist. Diese wird von Günter Rausch, Professor für Gemeinwesen und Flüchtlingsbeauftragter der EH, geleitet. Ziel war es, das Freizeitverhalten der Flüchtlinge zu analysieren und die Bedürfnisse in ihrer neuen Umgebung. Was die Unterkunft am Dietenbachpark besonders macht, ist die Lage nahe an Park und See: Das unterstütze die Kultur der Flüchtlinge, beispielsweise die Tradition des Picknicks, sagt Hannah Ricksgers vom Flüchtlingssozialdienst des Roten Kreuzes in der Weingartener Unterkunft.

Die elf Studentinnen befragten 13 Flüchtlinge aus Syrien und eine Frau aus Albanien, und zwar in drei Gesprächsgruppen: einer gemischten, einer nur mit Frauen und einer nur mit Männern. Die aus der Auswertung abgeleiteten Thesen sollen Ehrenamtlichen in der Flüchtlingsarbeit, aber auch Studierenden der Sozialen Arbeit und professionellen Flüchtlingshelfern nützlich sein. Denn noch wissen hierzulande viele nichts oder sehr wenig über Gebräuche, Traditionen und Hobbys in den Herkunftsländern. Welcher Sport ist bei ihnen beliebt? Welches Essen? Welche Musik? Welche Art von Theater? Die Studentinnen stellten folgende Thesen auf:
» Wie Europäer haben auch die Befragten das Bedürfnis, ihre Freizeit aktiv – zum Beispiel künstlerisch oder sportlich – zu gestalten. Allerdings sei den Geflüchteten teilweise nicht bekannt, dass es in Freiburg dafür viele Angebote gibt.
Je näher die Freizeitangebote an ihrer Unterkunft liegen, desto leichter fällt den Geflüchteten die Teilnahme. Wichtig: Die Angebote sollten nachmittags oder abends sein, den Vormittag nutzen die Schutzsuchenden am liebsten für sich oder für Behördengänge, Deutschkurse oder Arzttermine.
» Um Freizeitangebote überhaupt wahrnehmen zu können, braucht es eine Kinderbetreuung. Der Bedarf sei hoch, sagt Studentin Margit Wörner.
Die Frauen wünschen sich nach Geschlechtern getrennte Sprachkurse und Freizeitangebote, beispielsweise Kochen, Stricken oder Häkeln nur für Frauen.
» Die Geflüchteten wünschen sich mehr Kontakte: zu Angehörigen, anderen Geflüchteten in der Unterkunft und Freiburgerinnen und Freiburgern. Oft verhindert die Sprachbarriere intensivere Gespräche. "Soziale Kontakte haben einen hohen Stellenwert für die Geflüchteten", vor allem die zur Großfamilie, sagt Studentin Margit Wörner. Die fehle den Menschen, gerade jetzt im Ramadan.
» Die Flüchtlinge, vor allem jene ohne jegliche Englisch- und Deutschkenntnisse und mit niedrigem Bildungsniveau, wünschen Hilfe bei der Bewältigung von Alltagsaufgaben. Es besteht der Wunsch nach Orientierung und Hilfe, um hiesige Abläufe, Strukturen und Kulturen besser kennenzulernen, etwa beim Einkaufen oder der Wohnungssuche.
Die Geflüchteten wünschen sich nach unterschiedlichen Niveaus gestaffelte Sprachkurse und berufsvorbereitende Bildungsangebote, auch mal Bücher auf Englisch und Arabisch. Letzteres, weil sie wollen, dass ihre Kinder die Sprache ihrer Heimat nicht verlernen.

Dass Hilfsangebote zum Teil nicht angenommen werden, müsse man akzeptieren lernen, sagt die 25-jährige Studentin Adina Schettler. Erfahrung damit machte die Gruppe selbst: Als sie mit geflüchteten Frauen morgens um neun zum Einkaufen verabredet waren, erschien niemand am Treffpunkt. Dabei hatten sie an alles gedacht, hatten eine Kinderbetreuung organisiert und eigens einen Sprachführer mit Bildern erstellt. Der Fehler der hilfsbereiten Studentinnen: Sie missachteten ihre eigenen Forschungen (siehe These 2). Nachdem sie zwei Stunden gewartet und immer wieder Bewohner der Unterkunft angesprochen hatten, gingen sie schließlich mit einigen Frauen einkaufen und Eis essen. "Wenn man mit den Menschen nicht schon eine ganze Weile in Kontakt steht, ist es schwierig, mit ihnen ins Gespräch zu kommen", sagt Sozialarbeiterin Hannah Ricksgers: "Wäre ein Dolmetscher, den sie kennen, dabei gewesen, wären sie sicher mitgegangen."

Entmutigen lassen sich die Studentinnen nicht: Sie haben einen zweiten Anlauf zum gemeinsamen Einkaufen genommen und planen für Juli ein Sommerfest in der Flüchtlingsunterkunft.

Unterkunft Weingarten

In den Wohncontainern am Dietenbachpark leben zurzeit 101 geflüchtete Menschen aus unterschiedlichen Herkunftsländern, die Mehrheit aus Syrien und dem Irak sowie aus Albanien, Afghanistan und Algerien. Außerdem leben in der 2014 entstandenen Unterkunft Menschen aus Somalia, Georgien, Kosovo, Marokko, Eritrea und Sri Lanka. Familien machen den überwiegenden Teil aus.

Ressort: Freiburg

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Do, 23. Juni 2016: PDF-Version herunterladen

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