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Nordrhein-Westfalen

Wie wild darf ein Wisent sein?

  • dpa

  • Mi, 15. Juni 2016
    Panorama

Wisente gelten als bedrohte Tierart und sind vom Aussterben bedroht. Im Rothaargebirge in Nordrhein-Westfalen lebt seit drei Jahren eine Herde dieser Rinder-Art erstmals seit Jahrhunderten wieder in freier Wildbahn.

Wisente sind eine beeindruckende Erscheinung.   | Foto: dpa
Wisente sind eine beeindruckende Erscheinung. Foto: dpa

SIEGEN (dpa). Doch das europaweit beachtete Auswilderungsprojekt steht auf der Kippe. Mit ihrem Angriff auf eine Wanderin hat eine Wisent-Kuh vor drei Wochen dem Artenschutz-Projekt möglicherweise den Todesstoß versetzt.

Das Tier fühlte sich vermutlich von einer Gruppe Wanderer mit einem Hund bedroht und wollte sein neugeborenes Kalb schützen. Die Frau wurde von dem Wisent in eine Böschung gedrückt und leicht verletzt. An dem Vorfall entzündet sich nun eine Diskussion um den Fortgang des Projekts. "Ich möchte nicht die Staatsanwaltschaft im Haus haben und Fragen beantworten müssen, warum ich nichts getan habe", sagt der Landrat des Hochsauerlandkreises, Karl Schneider (CDU). Er forderte "geeignete Maßnahmen", damit sich ein solches Zusammentreffen zwischen Mensch und Tier nicht wiederhole. Als "Ultima Ratio" müsse ein Zaun gezogen werden. Doch den wird es nicht geben. "Ein Zaun widerspricht dem Ziel des Projekts, nämlich der Auswilderung", sagt der Landrat des benachbarten Kreises Siegen-Wittgenstein, Andreas Müller (SPD). Dann sei das Projekt gescheitert.

Die 100-prozentige Sicherheit, die Schneider fordere, könne es nicht geben, sagt auch der Sprecher des Projekt-Trägervereins Wisent-Welt-Wittgenstein in Bad Berleburg, Michael Emmrich. Ein Zaun nehme dem Projekt seinen Auswilderungs- und Artenschutz-Charakter: "Dann wäre das das x-te Gehege in Deutschland."

Der Siegener Landrat will die für das Projekt Verantwortlichen in vier Wochen an einen Tisch bringen, um über die Konsequenzen aus dem Angriff zu entscheiden. Er hofft, dass dem Verein und den Wisent-Experten eine Lösung einfällt. Bis dahin will er die Debatte beruhigen. Das nordrhein-westfälische Umweltministerium in Düsseldorf, das die Wisent-Wiederansiedlung von Beginn an unterstützte, reagierte zurückhaltend auf die Querelen. Man biete an, auf Basis fachlicher und juristischer Einschätzungen mit den lokalen Verantwortlichen aktuelle Situationen zu analysieren und weitere Entwicklungsschritte zu beraten, teilte das Ministerium mit. Auch die Bezirksregierung in Arnsberg will die Vier-Wochen-Frist abwarten. Erst dann werde man die Situation einschätzen und bewerten.

Unterdessen streiten auch die Touristiker der Region über das Projekt. Während die Schmallenberger, in deren Wäldern die Frau angegriffen wurde, ihre Bedenken bestätigt sehen, habe der Tourismus in der gesamten Region von dem Interesse an dem Projekt profitiert, sagt Sauerland-Tourismus-Chef Thomas Weber.

Der Schmallenberger Bürgermeister ist zurückhaltend. "Man muss den Vorfall ernst nehmen", sagt er. "Aber man muss auch sagen, dass es seit der Freisetzung Hunderte ähnlicher Begegnungen zwischen Wanderern und Wisenten gegeben hat, die alle problemlos verlaufen sind."

Ressort: Panorama

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