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"Wir transportieren die Pferde mit einem Kran"

Julie Meenken, Klasse 9b, Deutsch-Französisches Gymnasium

Von Julie Meenken, Klasse 9b, Deutsch-Französisches Gymnasium (Freiburg)

Fr, 29. April 2022

Schülertexte

ZISCHUP-INTERVIEW mit Jan Kuntz, der ein Strahlentherapiezentrum für Tiere leitet, über kranke Hunde, ein besonders müdes Pferd und einen speziellen Bunker.

Ein Pferd wird nach der Strahlentherap...n,  um es in die Aufwachbox zu fahren.  | Foto: Michael Krosny
Ein Pferd wird nach der Strahlentherapie mit einem Kran angehoben, um es in die Aufwachbox zu fahren. Foto: Michael Krosny

Strahlentherapie bei Tieren – wie funktioniert das? Zischup-Reporterin Julie Meenken aus der Klasse 9b des Deutsch-Französischen Gymnasiums in Freiburg hat darüber ein Interview mit Jan Kuntz, dem Leiter des Strahlentherapiezentrums Equinox in Linsengericht (Hessen) geführt.

Zischup: Herr Kuntz, Sie sind Ingenieur, Rettungsassistent und Tierarzt. Was genau machen Sie beruflich?

Kuntz: Ich arbeite im Strahlentherapiezentrum für Kleintiere und Pferde Equinox in Linsengericht. Es ist das weltweit einzige Strahlentherapiezentrum, das explizit auf die Behandlung von Pferden ausgerichtet ist.

Zischup: Was machen Sie dort mit den Tieren?

Kuntz: Das sind Tiere, die in den meisten Fällen an einer Tumorerkrankung leiden. Die wird mit einer Strahlentherapie behandelt, um den Tumor zu kontrollieren und im besten Falle langfristig ein gutes und tiergerechtes Leben zu sichern.

Zischup: Wie kommt es zu solch einer Strahlentherapie?

Kuntz: Die Tiere werden meistens schon beim Haustierarzt oder in der Tierklinik sehr genau untersucht, denn irgendwie muss man auf die Diagnose Tumor erst einmal kommen. Dann kommen die Tiere zu uns zur Strahlentherapie. Dafür untersuchen wir alles, was wir für die Therapie noch brauchen, machen in den meisten Fällen eine Computertomographie und bestrahlen dann die Tiere. Im Gegensatz zu Menschen werden Tiere immer in Narkose bestrahlt, weil sie sonst nicht still liegen bleiben.

Zischup: Was machen Sie bei einer Computertomographie?

Kuntz: Anhand einer Computertomographie können wir in das Innere des Patienten schauen, es ist ein Verfahren, das auf Röntgen basiert. Das ist für uns ganz wichtig, weil wir so gut vorhersagen können, wie die Bestrahlung im Körper abläuft. Wir können dann sehr gut ausrechnen, welches Gewebe wir stärker schädigen und welches nicht so stark. Und natürlich wollen wir den Tumor sehr stark schädigen, deswegen ist die Computertomographie ganz entscheidend, um unsere Therapie darauf zu planen.

Zischup: Wie legen Sie die Tiere, insbesondere die Pferde, in Narkose?

Kuntz: Die Tiere bekommen einen Zugang, also einen kleinen Schlauch, in eine Vene, in ein Blutgefäß, und darüber können wir ihnen Medikamente geben, auch die Narkosemedikamente. Davor kommen die Pferde in einen speziellen "Ablegestand", damit es nicht einfach umstürzt. Einen Hund kann man einfach halten, dann bekommt er das Narkosemedikament und dann kann man ihn auf den Behandlungstisch legen, was bei einem Pferd natürlich nicht geht. Schwierig wird es nochmal beim Aufstehen. Dabei muss man sich viel Mühe geben, dass sie nicht in Panik geraten und flüchten wollen, bevor sie wieder so wach sind, dass sie auch wirklich sicher aufstehen können, sonst können sie sich verletzen. Deswegen ist das die Zeit, in der wir möglichst leise sind und, so gut es geht, eine stressfreie Umgebung für die Pferde schaffen.

Zischup: Wie geht es dann weiter?

Kuntz: Die Tiere werden auf den Behandlungstisch gelegt – dafür brauchen wir einen großen Kran. Diesen können wir in der ganzen Halle herumfahren. Wir hängen die Pferde mit den Füßen nach oben an den Kran, bringen sie dann auf den Patiententisch und fahren sie damit zu dem Bestrahlungsgerät. Dieses befindet sich in einem besonderen Raum, weil wir nur den Tumor bestrahlen wollen und sicherstellen müssen, dass die Kollegen keine erhöhte Strahlendosis abbekommen. Dieser Raum heißt bei uns Strahlentherapieraum oder Bunker, Letzteres, weil die Betonwände außenrum bis zu vier Meter dick sind, um sicherzustellen, dass die Strahlung im Raum bleibt. Wenn die Tiere dann an dem Gerät sind, werden sie genau positioniert, so wie wir das für die Bestrahlung geplant haben. Ganz oft wird dann nochmal eine Computertomographie gemacht, um das zu überprüfen. Dann schließt sich ein 40 Tonnen schweres Strahlenschutztor, um eben auch wieder den Strahlenschutz in der Umgebung zu sichern, es darf natürlich während der Bestrahlung niemand bei dem Tier sein.

Zischup: Wie findet die eigentliche Bestrahlung statt?

Kuntz: Wir verwenden ionisierende Strahlung, entweder schießen wir sehr hochenergetische Elektronen auf das Gewebe oder wir bestrahlen mit sehr energiereicher Röntgenstrahlung.

Zischup: Wie sieht Ihr Arbeitsalltag aus?

Kuntz: Da ich das Strahlentherapiezentrum leite, habe ich relativ viele organisatorische Aufgaben. Zu diesen zählen das Sprechen und Aufklären mit den Tierbesitzern und deren Haustierärzten, um den optimalen Behandlungsplan zu erstellen. Oft haben wir schon mehrfach telefoniert, bis wir einen Termin zur Strahlentherapie ausmachen, da gerade die Pferde auch mal 1500 Kilometer Anreise haben. Dann arbeite ich natürlich tiermedizinisch, das heißt, ich plane, wie die Patienten bestrahlt werden sollen. Wir nehmen auch Proben aus dem Tumor, um festzustellen, um welchen es sich handelt, wir untersuchen, ob er schon gestreut hat, und betreuen natürlich die Patienten.

Zischup: Gab es schon mal unvorhergesehene Komplikationen?

Kuntz: Natürlich gibt es immer Situationen, die nicht so sind, wie man sie vorher geplant hat. Zum Beispiel hat sich ein Pferd vor dem eigentlichen Narkosestand hingelegt, es war zu müde, um weiterzulaufen, und so mussten wir die Narkose eben dort machen.

Zischup: Gab es einen besonderen Patienten, den Sie nicht vergessen werden?

Kuntz: Es gab einen Hund, der einen Tumor in der Nase hatte und dadurch ganz schlecht Luft bekam. Da muss man sich überlegen, ob eine Strahlentherapie zielführend ist, oder ob das so schlimm ist, dass man den Hund vielleicht doch einschläfern muss. Wir hatten uns entschieden, dass wir mit der Strahlentherapie beginnen und dann schauen, ob es hilft. Bei diesem Patienten ist der Tumor bei den ersten Strahlentherapien nicht sehr viel kleiner geworden, aber schon dadurch hat der Hund viel besser Luft bekommen. Das freut einen und ist schon ein bisschen besonders.



Zischup:
Sind die Tiere nach der Strahlentherapie geheilt?

Kuntz: Das können wir nicht garantieren, die Tumore können, wie bei Menschen auch, wiederkommen. Allerdings können wir oftmals die Lebensqualität der Tiere deutlich verbessern und das Wachstum des wiederkehrenden Tumors verlangsamen.

Zischup: Wie teuer ist solch eine Strahlentherapie?

Kuntz: Das kommt auf die Tumore an und wie diese behandelt werden, aber es ist natürlich insgesamt ein sehr aufwendiger Prozess. Die Behandlung kostet sowohl bei Hunden als auch bei Pferden mehrere tausend Euro.

Ressort: Schülertexte

  • Veröffentlicht in der gedruckten Ausgabe der BZ vom Fr, 29. April 2022:
  • Zeitungsartikel im Zeitungslayout: PDF-Version herunterladen

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