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Studie

Wissenschaftler untersuchen den Einfluss von TV-Prominenten

Carsten Rave

Von Carsten Rave (dpa)

Di, 23. Oktober 2012 um 07:16 Uhr

Computer & Medien

Dieter Bohlen befiehlt seinen Kandidaten, sich niederzuknien, Heidi Klum lässt die Models schon mal einen Tintenfisch auf dem Kopf trage. Und Daniela Katzenberger?

Daniela Katzenberger  | Foto: dapd
Daniela Katzenberger Foto: dapd
Die gut bestückte Blondine redet gern mit der Kamera wie mit ihrer besten Freundin und enthüllt, warum sie am liebsten zu Hause auf Toilette geht und wie sie ihre beiden Brüste getauft hat.

Viele junge Menschen lästern über die TV-Prominenten ab, möchten aber trotzdem auch gerne solch einen Erfolg für sich verbuchen können wie die prominenten Helden, egal, ob sie auf Kosten anderer Karriere oder sich selbst lächerlich machen. "Hohle Idole" lautet die bereits resümeehaft klingende Überschrift der neuesten Studie des Medienwissenschaftlers Bernd Gäbler, die jetzt von der Otto Brenner Stiftung in Frankfurt veröffentlicht wurde.

Der 59-Jährige, der früher das Grimme-Institut in Marl leitete, sagt in einer seiner Thesen über Castingshows wie "Deutschland sucht den Superstar" mit Bohlen, "Germany’s next Topmodel" mit Klum oder die Dokusoap "Natürlich blond" mit Katzenberger: "Diese Sendungen bedienen das Motiv, nur die Stärksten würden überleben. Schwache ernten eher Häme als Mitgefühl. Die Shows sind damit ein Spiegelbild gesellschaftlicher Aggressivität." Klum & Co verbreiteten die Illusion, von ihnen könne man lernen, wie man berühmt und erfolgreich wird. Die Castingshows tun laut Gäbler so, als seien sie Exerzierplätze fürs Leben – Feuertaufen, durch die man hindurch muss, um dann abgehärtet im Leben zu bestehen. Die Werte, die offen oder versteckt propagiert würden, seien Egoismus und ein schon überwunden geglaubter Sexismus. Die Kandidaten lernten, dass erfolgreich nur sein werde, wer sich anpasse. Insbesondere Klums Modelshow erziehe zu Gehorsam.

Katzenberger wird von Gäbler vorgeworfen, sie gaukele ihrem Publikum vor, es handele sich bei ihr alles um eine dokumentarische Form des Fernsehens. "Viele finden, sie sei glaubwürdig und echt", schreibt Gäbler. Aber: "Von Daniela Katzenberger kann man lernen, wie man ohne irgendeine besondere Fähigkeit wie Singen, Tanzen oder Schauspielern dadurch berühmt wird, dass man in den Medien existiert."

Das Sein bleibt wichtiger als der Schein

Die Jugend sei sich unsicher, was die eigene Zukunft betrifft, so der Medienforscher weiter. "Die offiziellen Bildungszertifikate garantieren nicht automatisch einen hohen sozialen Status. Welches Können ist für einen guten Beruf nötig? Fragen der Selbstdarstellung, des Designs, des selbstbewussten Auftretens scheinen oft wichtiger zu sein als substanzielles, fachliches Können oder nachhaltiges Wissen. In diese Verunsicherung hinein wirken die Castingshows mit ihren vermeintlichen Weisheiten fürs Leben." Gäbler garniert seine Studie mit Zahlen, Tabellen und einigen Hintergründen, und, um den Duktus nicht zu trocken werden zu lassen, auch noch mit populistischen Bohlen-Sprüchen, wie zum Beispiel: "Wisst ihr, was der Unterschied zwischen euch und einem Eimer Scheiße ist? Der Eimer." Oder: "Damit kannst du Kakerlaken ins Koma singen." Das Fazit aber lautet ganz ernst: "Zu den Illusionen der TV-Unterhaltung gehört es, ein falsches Bild von der Leistungsgesellschaft zu zeichnen. Tatsächlich bleibt das Sein wichtiger als der Schein, sind Wissen und Können auch in einer googelnden Gesellschaft nicht obsolet geworden."

Was will denn Gäbler nun mit seiner Studie, die vermutlich von den angesprochenen jungen TV-Zuschauern nie gelesen wird, bezwecken? "Ich will eine Debatte darüber, über die Richtung, in die sich diese Art der TV-Unterhaltung entwickelt. Und ich möchte auch, dass jemand die Bertelsmänner dieser Welt – wenn große Reden gehalten werden über Werte und gesellschaftliche Verantwortung – daran erinnert, womit sie tatsächlich ihr Geld verdienen."
– Bernd Gäbler: Hohle Idole – Was Bohlen, Klum und Katzenberger so erfolgreich macht. OBS Arbeitsheft 72. Otto Brenner Stiftung, Frankfurt, 2012. 123 Seiten. Die Studie kann als PDF-Datei kostenlos heruntergeladen werden.

Ressort: Computer & Medien

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