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Gutachten

Zootiere bekommen mehr Platz - dennoch Kritik von Tierschützern

Bernhard Walker
  • Do, 08. Mai 2014
    Panorama

Neues Säugetiergutachten legt Standards für Tierhaltung fest / Sie gelten auch für private Halter / Tierschützer üben Kritik.

Hagenbeck beherbergt Deutschlands einzige Walross-Gruppe.  | Foto: dpa
Hagenbeck beherbergt Deutschlands einzige Walross-Gruppe. Foto: dpa

BERLIN. Wie viel Auslauf braucht ein Nashorn? Und wie groß muss das Badebecken eines Eisbären sein? Solche Fragen der Tierhaltung klärt das Säugetiergutachten. Das Gutachten aus dem Jahr 1996 hat die zuständige Expertengruppe nun überarbeitet und die Neufassung am Mittwoch in Berlin vorgestellt.

Galt zum Beispiel für Giraffen bisher die Regel, dass sechs Tiere ein Außengehege von 500 Quadratmetern haben sollen, ist nun für vier Giraffen eine Fläche von 1000 Quadratmetern vorgesehen. Für ein Eisbärenpaar verdoppelt sich die Fläche auf 400 Quadratmeter. Walrosse sollen in einem Wasserbecken von mindestens 300 Quadratmetern Größe abtauchen können. Zwei Nashörnern stehen mindestens 1000 Quadratmeter Außengehege zu. Das Gutachten nennt Mindestanforderungen für die Haltung. Es ist weder ein Gesetz noch eine Rechtsverordnung. Wenn allerdings die zuständige Landes- oder Kommunalbehörde vor Ort Zoos, Tierparks oder Wildgehege prüft, dient es als konkrete Umsetzung des Tierschutzgesetzes.

Dass es mehr als drei Jahre gedauert hat, die Fassung von 1996 zu novellieren, ist nicht weiter erstaunlich. In der Expertengruppe waren unter anderen der Tierschutzbund wie der Verband der Zoo-Direktoren beteiligt. Und wie sich auf ihrer gemeinsamen Pressekonferenz zeigte, sind sie in vielen Fragen uneins – sie haben sogar jeweils ein "Differenzprotokoll" zum Gutachten erstellt.

So sagte James Brückner vom Tierschutzbund, dass das neue Gutachten zwar die Lebensbedingungen einiger Tierarten verbessere. Einen wirklichen Fortschritt gebe es aber nicht. Es bleibe weiterhin möglich, Delfine in Gefangenschaft zu halten, was Brückner ablehnt, weil dabei immer wichtige biologische Bedürfnisse dieser Tiere verletzt würden. Auch beklagte Brückner, dass die neuen Flächenvorgaben für Menschenaffen, Bären oder Großkatzen wie Löwen klar hinter dem zurückblieben, was aus Tierschutzgründen nötig sei. Bei vielen Tierarten, so Laura Zimprich vom Verein Animal Public, sei der Tierschutz den wirtschaftlichen Interessen der Zoo-Vertreter geopfert worden.

Dagegen betonte Theo Pagel, der Chef des Verbands deutscher Zoodirektoren, dass nur die Zoos von Duisburg und Nürnberg zusammen 19 Delfine hielten. Die meisten Tierparks erfüllten schon heute die Vorgaben des novellierten Gutachtens. Was Eisbären anbelange, müssten nur wenige der zehn Zoos, in denen Eisbären leben, Änderungen vornehmen. "Auch wir sind Tierschützer", so Pagel. Man dürfe nicht vergessen, dass die weitaus meisten Tiere in Privathaushalten lebten. Auch für sie seien die Vorgaben des Gutachtens verbindlich. Inzwischen lebten viele Bürger mit Tieren zusammen, die man 1996 noch nicht hätte kaufen können. Das reiche von exotischen Nagern über Reptilien bis hin zu Stinktieren.

Matthias Triphaus-Bode von der Tierärztlichen Vereinigung für Tierschutz wies darauf hin, nicht allein die Flächengrößen zu betrachten. Mindestens ebenso wichtig sei, wie eine Fläche aussehe – ob der Bodenbelag angemessen sei, ob es Ruhezonen gebe, ob zum Beispiel Affen klettern und schwingen könnten oder ob für Giraffen immer mineralhaltige Lecksteine bereit stünden. Bei dieser so genannten Lebensraumbereicherung bringe das Gutachten große Verbesserungen.

Dass das Gutachten nur dann Folgen hat, wenn die Behörden die Regeln in Kontrollen auch durchsetzen, räumte Maria Flachsbarth, Staatssekretärin im Bundesagrarministerium, offen ein. Berlin habe aber keinen Überblick, wie dies vor Ort funktioniere. Der Bund, so die CDU-Politikerin, sei für den Tierschutz eben nicht zuständig.

Erklär's mir: Wie viel Platz brauchen Tiere im Zoo?

Viele Kinder – und auch viele Erwachsene – gehen gerne in den Zoo. Weil es etwas anderes ist, ein Tier in echt vor sich zu haben und es auch zu hören und zu riechen, statt es nur am Bildschirm zu sehen. Früher wurden Löwen und Affen in engen Käfigen bestaunt. Doch den Tieren ging es dabei oft nicht gut – denn in diesen Käfigen konnten sie vieles nicht tun, was für sie wichtig ist: Toben, neue Sachen entdecken oder mit anderen zusammen sein. Moderne Zoos geben den Tieren deshalb viel mehr Platz. In den Gehegen wird versucht, ihre natürliche Umgebung ein bisschen nachzubilden. Ob das reicht? Tierschützer sind sich da nicht so sicher. Denn auch ein großes Gehege ist im Vergleich zur Wildnis klein. Auf jeden Fall geht es den Tieren im Zoo aber heute viel besser als früher.

Ressort: Panorama

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Do, 08. Mai 2014: PDF-Version herunterladen

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