Als der Blues begann

ALS DER BLUES BEGANN: Sonntags? Nie!

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Samstag ist Selbstmord. So heißt ein Lied von Tocotronic, einer der besten deutschen Rockgruppen. Und darin singen sie von Ausgehzwang, Flohmärkten und Gartenarbeit. Aber noch viel schlimmer als der Samstag ist der zweite Wochenendtag: der Sonntag. Eigentlich ist der Samstag das pure Vergnügen im Vergleich zu diesen todlangweiligen Sonntagen.

Schon allein die strategischen Voraussetzungen sind schlechter als an jedem anderen Wochentag: Der Sonntag liegt genau hinter dem Samstagabend, was zur Folge hat, dass die Sonntagmorgen eigentlich immer erst um 12 Uhr mittags anfangen und das dann auch recht langsam. Der Kopf ist schwer und die zähen Brötchen vom Bäcker, der sonntags auch nur auf halben Touren arbeitet, liegen genauso schwer im Magen. Und wenn man dann am Frühstückstisch sitzt, natürlich alleine - wer frühstückt sonst auch so spät? - und zwischen den tausend Sonntagszeitungen eine auswählt, kommen die Erinnerungen an die glücklichen Kindertage wieder auf.

Damals waren auch die Sonntage erträglicher, da gab es die Sendung mit der Maus und Ausflüge mit der ganzen Familie. Da gab es noch Menschen, die einen gemocht haben, die für einen da waren. Aber jetzt sitzt man hier alleine rum und vielleicht klingelt mal das Telefon und ein vermeintlicher Freund ruft an, um zu hören, was man selbst wieder alles gemacht hat, und vor allem, um loszuwerden, was er, der Anrufer, alles wieder gemacht hat und wie lustig das alles doch war.

Hören will man das nicht unbedingt, es sind doch immer die gleichen Geschichten. Der Sonntagmittag wird dann meistens schläfrig im Bett oder vor dem Fernseher verbracht, wobei an Sonntagen wirklich überhaupt nur auf allen Sendern Tierdokumentationen und uralte Herkules-Filme kommen, die man alle schon an endlosen Sonntagen davor gesehen hat. Der Sonntag ist wirklich zu nichts nutze, es passiert einfach nichts. Zu allen kalten Jahreszeiten ist es besonders schlimm: alles grau und klamm und regnerisch. Im Sommer kann man sich wenigstens im Freibad müde in der Sonne räkeln.

Zu jeder Jahreszeit allerdings wird es sonntags irgendwie schneller dunkel, liegt wahrscheinlich daran, dass man so spät aufgestanden ist. Und es bleibt am Ende nur noch der "Tatort", ohne den der Sonntag einfach kein Sonntag wäre. Schließlich geht man ins Bett und plötzlich fallen einem alle Sachen ein, die man heute eigentlich hätte erledigen müssen und die man wieder nicht gemacht hat. Egal, dann gibt's halt morgen keine Mathehausaufgaben und kein Englischreferat.

Aber das Schlimmste ist, man weiß genau, morgen fängt wieder der Ernst des Lebens an und das zeitlose Rumgammeln hört wieder auf. Aber irgendwie hat das auch was Beruhigendes, augenscheinlich ist Sonntag nicht nur Selbstmord und vielleicht brauchen wir alle eben haargenau diese Sonntage!

Sebastian Lehmann

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