Tischfußball-Profis

Am Kicker mit den Tischfußball-Weltmeistern Brauns und Müller

Zwischen weißen Wänden, Laminatboden, Neonröhren an der Decke: Frank Brauns und Thierry Müller sind Kicker-Profis und trainieren im Keller eines Hinterhofes am Kaiserstuhl.  

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Thierry Müller (links) und Frank Brauns üben  jeden Donnerstag im Keller.  | Foto: Krüger
Thierry Müller (links) und Frank Brauns üben jeden Donnerstag im Keller. Foto: Krüger
Der Ball scheint an den Füßen zu kleben, als wären an den Spielfiguren Magnete angebracht. Konzentrierte Blicke, keiner redet. Ticktack, ticktack – und zack, plötzlich knallt der Ball ins Tor. Alles geht so schnell, dass der Zuschauer am Tischkicker nicht sieht, ob der Ball im linken oder im rechten Tor einschlägt, ob der Mittelstürmer oder doch der Außenstürmer den Angriff abgeschlossen hat. Gut, dass Frank Brauns all die Bewegungen in Zeitlupe nachspielen kann, die kurz davor in Bruchteilen von Sekunden erfolgt sind. Sebastian Krüger hat zugesehen.

Tischfußballer mit Ehrgeiz

Der 34-jährige Frank Brauns ist Tischfußballspieler. Als junger Erwachsener zog er durch Freiburgs Kneipen, spielte im Eimer, im damaligen Pic, in der Beatbar, im Sportpark und auch in der Boulderhalle Blockhaus. Doch er kickerte nicht zwischen Schnitzel und Bier. Er spielte Tischfußball mit dem gleichen Ehrgeiz, mit dem andere Leistungssport treiben. "Fünf Stunden am Tag, sechs Tage die Woche", sagt Brauns. Fleiß sei die wichtigste Voraussetzung. "Wer so viel trainiert wie ich, der kann auch ohne Talent ein richtiger guter Tischfußballer werden." Nach fünf Jahren sei er so weit gewesen, auf höchstem Niveau mitzuhalten. Doch er hielt nicht nur mit, er setzte Maßstäbe, wurde in mehreren Disziplinen Welt- und Europameister. Es gibt keinen Titel, den er nicht geholt hat.

Es ist Donnerstagabend, ein Hinterhof in Weisweil am Kaiserstuhl. Als Thierry Müller, 45, auf sein Grundstück einbiegt, empfangen seine Hunde ihn mit Gebell. Auch Brauns wartet schon vor Müllers Haustür. Sie essen ein paar Chips und ab geht’s in den Keller. Müller ist von Bayern nach Baden-Württemberg gezogen, arbeitet in einem Ingenieurbüro – und hat noch mehr Titel gewonnen als Brauns. Der Keller ist sein Trainingsraum. Weiße Wände, Laminatboden, Neonröhren an der Decke. Würde er den Kamin anheizen, könnte es sogar gemütlich werden. Doch so bleibt der Raum kühl, schlicht, funktional.

Nach einigen Aufwärmrunden stehen Passübungen an. Beide stehen nebeneinander. Müller spielt den Ball aus der Abwehr mit einem strammen Pass in die vorderste Reihe. Dort nimmt Brauns die Bälle an. Er dreht den Griff ein wenig nach links, um den Effet des Balles abzufedern, in dem Moment, in dem er ankommt. "Das richtige Timing bei der Annahme der Bälle ist wichtig, damit sie nicht verspringen", erklärt Brauns. Vor der Übung hat er die gegnerischen Figuren mit einer Klemme fixiert. "Das ist die Grundstellung der Verteidigung", sagt er. "Die Linien zum Tor sind zugestellt, ein direkter Abschluss aus der Abwehr ist unmöglich." Die Grundstellung erlaube es jedoch, Pässe in die Gasse zu spielen. Stelle der Gegner hingegen die Passwege zu, öffnen sich die Linien zum Tor.

Mentale Stärke ist wichtig

Die beiden spielen keinen Rasenfußball, aber am Tisch üben sie immer wieder neue Spielsituationen, benutzen Fachbegriffe für Schusstechniken und das Verhalten der Torhüter. Auf dem Niveau seien die Spiele taktisch geprägt. "Oft entscheiden Nuancen über Sieg oder Niederlage", so Brauns. Und die mentale Stärke. Sobald einer verunsichert sei, weil ein, zwei Dinge nicht klappen, werde er überrollt.

Mittlerweile stehen Torabschlüsse auf dem Programm. Brauns umfasst mit seiner rechten Hand den Griff, ohne ihn mit seinem Daumen zu umschließen. Sein Stürmer befindet sich in Rückenlage, kontrolliert den Ball, tänzelt von links nach rechts. Und dann geht es schnell, ehe der Ball im Tor liegt. Um Schwung zu holen, lässt er den Griff über den Handballen ins Handgelenk gleiten und zieht dann blitzschnell die Hand wieder hoch.

Selbst mit dem Kicker-Nachwuchs können sie es aufnehmen

Kennengelernt haben die beiden sich auf Turnieren. "Anfangs waren wir Konkurrenten. Aber ich habe Frank schnell gemocht", so Müller. Aus Gegnern wurden Freunde und Trainingspartner. Dabei üben sie im Gegensatz zu früher nur noch ein- bis zweimal die Woche. Brauns verdient sein Geld als Erzieher in einer Freiburger Kita. Theoretisch könne man von dem leben, was man als Tischfußball-Profi verdient, sagt er. Denn jedes Wochenende fänden irgendwo Turniere mit Preisgeldern statt. Doch mit ihren Kindern und ihren Familien sei das kaum zu vereinbaren.

Ihre Glanzzeiten liegen schon fünf bis zehn Jahre zurück. Dennoch ist Brauns amtierender Deutscher Meister und Müller gewann vor zwei Wochen die südbadische Meisterschaft im Einzel. Mit dem Nachwuchs können sie es locker aufnehmen, sagen beide unisono. Überhaupt der Nachwuchs. Zwischen 2006 und 2012 galt Südbaden als Hochburg im Tischfußball. Mittlerweile habe sich die Szene nach Hamburg und Berlin verlagert, sagt Brauns. Hier fehle es an Vorbildern, die täglich in die Kneipen gingen, um die jungen Spieler anzustacheln – so wie die beiden es früher getan haben.

Und wenn man sie so reden hört, offenbart sich ein Generationenkonflikt.

Müller sagt: "Durch die Globalisierung des Tischfußballs kam es zu einer Vereinfachung der Systeme." Ein Satz, wie aus einem Soziologieseminar. Was er meint, veranschaulicht Brauns: "Viele Nachwuchsspieler beherrschen weniger Varianten, spielen diese aber in Perfektion." Sie würden versuchen, das Risiko zu minimieren, spielten dadurch kontrollierter, aber auch berechenbarer. "Ich suche immer nach neuen Lösungen, muss mein Spiel schön finden", so Brauns. Und Müller ergänzt: "Wir sind halt Straßenfußballer." Und Romantiker.
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