Steigende Lebensmittelpreise
Analyse: Edeka, Lidl & Co. zu mächtig - schlecht für Kunden
Die Monopolkommission warnt: Steigende Lebensmittelpreise nutzen vor allem Handel und Herstellern, Landwirten jedoch kaum. Einige Branchenverbände reagieren verwundert auf die Äußerungen.
Christian Rothenberg (dpa)
Fr, 21. Nov 2025, 15:25 Uhr
Wirtschaft
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Quelle: Deutsche Presse-Agentur (dpa).
Die BZ-Redaktion hat diese Meldung nicht redaktionell bearbeitet.
Bonn (dpa) - Bei Verbrauchern sorgen sie vielfach für Frust - die steigenden Lebensmittelpreise. Laut einem neuen Sondergutachten der Monopolkommission profitieren Lebensmittelhändler und -hersteller davon unverhältnismäßig stark, Landwirte jedoch immer weniger.
"Die Macht des Lebensmitteleinzelhandels und teilweise der Hersteller ist zulasten der Verbraucherinnen und Verbraucher deutlich gestiegen", sagte der Vorsitzende Tomaso Duso. Grund dafür seien zahlreiche Fusionen, zudem betätigten sich Händler zunehmend auch auf Herstellerebene. Der Handelsverband Deutschland (HDE) und der Bundesverband des Deutschen Lebensmittelhandels (BVLH) wiesen die Kritik zurück.
Wegen steigender Preise und der Bauernproteste hatte die damalige Bundesregierung die Kommission im vergangenen Jahr beauftragt, die Lebensmittellieferkette unter die Lupe zu nehmen. Das Gremium ist unabhängig und berät die Politik zu Wettbewerbspolitik, Wettbewerbsrecht und Regulierung.
Wettbewerb geschwächt?
Laut Statistischem Bundesamt kosteten Nahrungsmittel und alkoholfreie Getränke im Oktober in Deutschland 37 Prozent mehr als 2020. Die Gewinnmargen von Händlern und Herstellern stiegen seit über zehn Jahren, kritisiert Duso. Im gleichen Zeitraum hätten sich die Verbraucherpreise stärker erhöht als in vielen anderen EU-Ländern. Zudem gebe es Hinweise, dass Kostensenkungen nicht an Kunden weitergegeben wurden.
Die Schere zwischen Erzeuger- und Verbraucherpreisen geht dem Gutachten zufolge immer weiter auseinander. So seien etwa die Preise für Milcherzeugnisse im Supermarkt in den vergangenen Jahren deutlich stärker gestiegen als die Erzeugerpreise.
Rund 85 Prozent des deutschen Lebensmitteleinzelhandels werden von Edeka, Rewe, der Schwarz-Gruppe (Lidl, Kaufland) und Aldi kontrolliert. "Die hohe Marktkonzentration und steigende Preisaufschläge auf Lebensmittel durch Hersteller und Einzelhandel sind besorgniserregend", sagte Duso. Der Wettbewerb sei geschwächt.
Höhere Gewinne "ein Trugschluss"
Die Branchenverbände des Handels widersprachen den Äußerungen. Die Mitteilung der Kommission dramatisiere die Lage. "Der Wettbewerb im Lebensmittelhandel funktioniert", sagte Björn Fromm, BVLH-Präsident und HDE-Vize. Dass steigende Lebensmittelpreise zu höheren Gewinnen der Händler führten, sei "ein Trugschluss".
Den Preisanstieg begründete er mit höheren Kosten für Energie, Personal und Wareneinkauf. In einigen Fällen seien schlechte Ernten und weltpolitische Unsicherheiten die Ursache. Fromm sagte weiter: Im Wettbewerb könne es sich kein Handelsunternehmen leisten, "seine Margen auf Kosten der Kundinnen und Kunden zu erhöhen". Diese lägen im Lebensmittelhandel nur bei ein bis drei Prozent.
Laut einer Auswertung des bundeseigenen Thünen-Forschungsinstituts sind die Preissteigerungen bei Lebensmitteln weniger von steigenden Margen im Handel als von höheren Produktions- und Einkaufskosten getrieben. Der starke Preisanstieg seit 2021 hänge auch mit Kriegen, gestörten Lieferketten, dem Klimawandel und der fortschreitenden Verschlechterung der Böden zusammen. Das weltweite Angebot an Agrarrohstoffen werde knapper.
Gutachten kritisiert Übernahme von Kaiser's Tengelmann
Die Monopolkommission fordert im Gutachten auch eine strengere Kontrolle künftiger Zusammenschlüsse. "Der verbleibende Wettbewerb in den Lieferketten muss dringend geschützt werden", heißt es. Fusionen könnten die Verbraucherpreise demnach weiter in die Höhe treiben. Die 2016 erfolgte Übernahme von Kaiser's Tengelmann durch Edeka hat aus Sicht der Experten negative Folgen gehabt. Der damalige Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel hatte dem Deal zugestimmt.
Deutschlands größter Lebensmittelhändler Edeka verteidigte das Vorgehen. "Nur durch die Übernahme der Standorte konnte ihre wirtschaftliche Zukunft gesichert werden. Wir haben diese Märkte wieder wettbewerbsfähig aufgestellt", sagte ein Sprecher der Edeka-Zentrale.
Anlass zur Sorge sieht die Monopolkommission auch darin, dass die Händler zunehmend selbst Lebensmittel produzieren und direkt mit Landwirten verhandeln - das verschaffe ihnen zusätzliche Macht. Eigenmarken haben in den vergangenen Jahren an Bedeutung gewonnen. Wegen der allseits gestiegenen Preise griffen Verbraucher hier häufiger zu.
So reagiert die Lebensmittelindustrie
Die Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie (BVE) reagierte positiv auf das Gutachten. Es bestätige im Wesentlichen die Kritik und Sorge der Branche, sagte der stellvertretende Hauptgeschäftsführer Peter Feller. "Das bestehende Oligopol im Lebensmitteleinzelhandel" führe zu Beeinträchtigungen in der gesamten Lebensmittellieferkette.
In der Nahrungsmittelindustrie sieht die Monopolkommission den Wettbewerb jedoch ebenfalls schwinden. Als Beispiel wird im Gutachten die geplante Fusion von Arla Foods und der DMK Group genannt. Dadurch würde die größte Molkereigenossenschaft Europas entstehen. BVE-Vize Feller betonte, über 90 Prozent der Akteure in der Ernährungsindustrie seien kleine und mittlere Unternehmen.
Die Monopolkommission hält es für sinnvoll, entschiedener gegen Machtmissbrauch vorzugehen. Die zunehmende Marktkonzentration mache eine effektivere Aufsicht nötig. Duso fordert zudem bessere Bedingungen für die Landwirtschaft. Bürokratie müsse abgebaut werden. Kriterien für Agrarsubventionen sollten sich stärker an Produktivität, Innovation und Nachhaltigkeit ausrichten.
Verbraucherschützer für Preisbeobachtungsstelle
Der deutsche Bauernverband drängt darauf, die Stellung der Landwirtschaft zu stärken. Die Ergebnisse des Gutachtens zeigten "den massiven Druck, der auf den landwirtschaftlichen Betrieben lastet", sagte Präsident Joachim Rukwied. Die dominante Stellung des Lebensmitteleinzelhandels lasse wenig Spielraum für ausgewogene Verhandlungen zwischen den Akteuren.
Der Verbraucherzentrale Bundesverband forderte die Bundesregierung indes auf, für mehr Transparenz bei den Lebensmittelpreisen zu sorgen. "Verbraucher müssen darauf vertrauen können, dass sich die Preise entlang der Wertschöpfungskette – vom Bauern bis zum Supermarkt – fair bilden", sagte Vorständin Ramona Pop. Es sei deshalb nötig, eine Preisbeobachtungsstelle einzurichten - nach dem Vorbild von Ländern wie Frankreich und Spanien.
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