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Auf den Spuren der englischen Schüler

Barbara Odrich-Rees

Von

Mi, 04. Oktober 2017

Oberried

Eine britische Autorin verarbeitet das Unglück des Jahres 1936 bei Hofsgrund in einem Theaterstück.

Die Theatergruppe am Eton-Stein: Pamel...Hainmüller und Maria Loy (von links).   | Foto: Odrich-Rees
Die Theatergruppe am Eton-Stein: Pamela Carter, Nina Peters, Michael Billenkamp, Bernd Hainmüller und Maria Loy (von links). Foto: Odrich-Rees
OBERRIED. Die englische Theaterautorin Pamela Carter erfuhr vor einem Jahr durch einen Bericht im britischen Guardian vom Tod fünf englischer Schüler am Schauinsland 1936. Sie las den Artikel von Kate Conolly, die die Nachforschungen von Bernd Hainmüller über das tragische Unglück zum 80. Jahrestag 2016, zusammenfasste. Daraus möchte sie nun ein Theaterstück machen, das im kommenden Jahr in Freiburg uraufgeführt werden soll. Ihre Recherchen führten sie vor kurzem an den Ort des Geschehens – auf den Schauinsland und nach Hofsgrund.

Besagtes Unglück geschah am 17. April 1936, als 27 englische Schüler mit ihrem Lehrer von Freiburg über den Schauinsland bis nach Todtnauberg wandern wollten. Sie brachen in Schuluniformen mit kurzen Hosen, Kniestrümpfen, Halbschuhen, Shirts, dünnen Jacken und wenig Proviant zu dieser Wanderung auf. Schon am Morgen begann es zu schneien, doch der Lehrer schlug die Warnungen der Einheimischen in den Wind. Die Gruppe verlief sich mehrfach, bis sie den Kamm am Schauinsland erreichte. Nur das Glockenläuten rettete einen Großteil der Klasse vor dem sicheren Tod. Einige Schüler waren aber bereits so erschöpft und unterkühlt, dass sie es nicht schafften. Zwei Schüler erreichten den Krämerladen von Hofsgrund und schlugen Alarm. Die Anwesenden organisierten sofort die Rettung der Schüler mit mehreren Einheimischen und Hornschlitten zum Abtransport der Verunglückten. Im Gasthaus Hof wurden sie aufgewärmt und ärztlich versorgt. Die Nationalsozialisten schlachteten diese Rettungsaktion für ihre Zwecke aus – als deutsch-englischer Kameradschaftsdienst der Hitlerjugend.

Pamela Carter verdaute gerade den Brexit, als sie von dieser Geschichte las. Da sie in der Nähe der betroffenen Grand School wohnt, kam ihr die Idee, die Hilfsaktion in einem Theaterstück zu verarbeiten. Sie recherchierte Einzelheiten und kontaktierte Historiker Bernd Hainmüller. Auch fand sie Unterlagen und Tagebücher der Schüler zu diesem Unglück.

Besagte Schule sollte die Schüler auf eine höhere Laufbahn vorbereiten. So vertiefte sie sich in die Pädagogik und den Lebensstil der damaligen Zeit. Carter forschte auch, was aus den Schülern geworden ist. Viele überlebten den Krieg nicht.

Über den deutschen Suhrkamp-Verlag erhielt der neue Intendant des Freiburger Theaters, Peter Carp, Wind von dem geplanten Theaterstück und traf sich mit Pamela Carter in London. Die beiden vereinbarten einen Ortstermin. So fuhren Pamela Carter, Bernd Hainmüller, Chefdramaturg Rüdiger Bering, Dramaturg Michael Billenkamp, Regisseur und Produktionsleiter Bastian Kabut und Lektorin Nina Peters vom Suhrkamp-Verlag zunächst die Wege, die die Schüler in Freiburg-Günterstal gegangen sind, ab und schwebten mit der Schauinsland-Bahn auf den Freiburger Hausberg. Dort empfing sie eine Hofsgrunder Abordnung. Da an diesem Tag die Sonne schien und man eine klare Sicht bis zu den Alpen hatte, konnten sich die Gäste Nebel und Schneesturm schwer vorstellen.

Das Unglück in Hofsgrund ist seit damals in allen Familien präsent. Jeder kennt die Geschichte von den Eltern oder Großeltern. Leider leben keine Zeitzeugen mehr. Aber die Einheimischen konnten den Gästen die gefährlichen Wetterbedingungen genau schildern. An der Kappler-Wand konnten sie den Verlauf des steilen Irrweges zum Teil sehen. Vom Kamm bis zum Dobelsee, wo der Kramerladen war, sind es immer noch fast zwei Kilometer, die damals im tiefen Neuschnee zurückzulegen waren. Vom Eton-Stein aus konnten die Gäste die Breite und Länge der Strecke ermessen, die die Retter absuchen mussten. Am Engländer-Denkmal entdeckten die Gäste einen Kranz mit einer Inschrift in englischer Sprache. Sie besuchten auch die Tafel, in der Hofsgrunder Kirche, die von den englischen Eltern gespendet wurde.

Im Bürgerhaus trafen sie Ortvorsteher Hanspeter Rees, der die Geschichte nochmals zusammenfasste. Mit dem 80. Jahrestag des Unglücks sollte auch die Geschichte richtiggestellt werden, dass es nicht die Nationalsozialisten waren, die die Schüler gerettet hatten, sondern die Hofsgrunder Bevölkerung. Diese Klarstellung war ihm wichtig.

Ressort: Oberried

  • Veröffentlicht in der gedruckten Ausgabe der BZ vom Mi, 04. Oktober 2017:
  • Zeitungsartikel im Zeitungslayout: PDF-Version herunterladen

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