Belagerungsring vor der Bustür

Täglich kämpfen sich rings um Freiburg tausende von Menschen durch den Dschungel des öffentlichen Personennahverkehrs.  

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Etwa 10 000 Kilometer legt ein Fahrgast aus dem näheren Umland von Freiburg pro Jahr in öffentlichen Verkehrsmitteln zurück. Im Durchschnitt. Für die JuZ beobachteten zwei jugendliche Mitarbeiter die alltäglichen Abenteuer auf den diversen Fahrten durch den Nahverkehrsdschungel.

"Meine Damen und Herren auf Gleis 7", ertönt eine Durchsage, "bitte steigen Sie ein. Vorsicht an den Türen, der Zug fährt jetzt ab." Blöd ist, wenn einen diese Durchsage auf der Höhe von Gleis 2 ereilt und man wollte den Zug auf Gleis 7 noch erwischen. Anders Brigitte Gerd aus Lübeck, die gerade Urlaub in Hinterzarten macht - und pünktlich im Zug saß und die ungeduldig auf die Abfahrt wartete: "Endlich, wurde auch schon höchste Zeit!" Ihr Sitznachbar aus Seebruck, der nach einem langen Arbeitstag an der Drehmaschine jeden Abend diese Durchsage hört, murrt: "Mir wisse doch, dass de Zug fahrt!"

Aber egal ob pünktlich oder verspätet: ärgerlich kann beides sein. Da kann es auch schon mal passieren, dass man seine allerletzten Kraftreserven für einen Sprint durch die Unterführung mobilisiert hat, nur um dann von derselben netten Bahnhofssprecherin zu erfahren, dass der Sprint völlig umsonst war, weil der Zug nämlich auf Anschlussreisende vom ICE aus Hamburg wartet.

Fährt der Zug dann endlich ab und man hat es vielleicht sogar geschafft, einen Sitzplatz zu ergattern, dann bestimmt zwischen dröhnenden geschäftsmännischen Typen oder neben zwei Damen, die sich im unüberhörbaren Flüsterton über alles Mögliche aufgeregt unterhalten. Oder man befindet sich im Beschallungsbereich einer Gruppe Girlies, die das ganze Abteil in voller Lautstärke über ihre nicht vorhandenen Gewichts- und Beziehungsprobleme informieren. Vor solchen Unbillen ist man auch nicht gefeit, wenn man stehen muss. Dann allerdings kommt erschwerend das Gedrängel der Stehenden hinzu, weil sich sämtliche im Wagen vorhandenen Gepäckstücke im Gang aufzutürmen scheinen - in den meist viel zu schmalen Ablagen ist einfach kein Platz.

Ganz anders gestaltet sich der Nahverkehrsdschungel in den Straßenbahnen und in den Bussen. Vorausgesetzt man schafft es einzusteigen. Denn nicht selten hat man das Gefühl, dass der Fahrer mit dem Anfahren genau solange wartet, bis man den Finger auf dem Türöffner hat - und haargenau dann anfährt. Die hinter der Scheibe schauen mitleidig. Man selber hat das Nachsehen. Aber dank der kurzen Intervalle, in denen Busse und Bahnen fahren, dauert es nicht lange und man ist doch drin. Und da fällt dann gleich mal das grundsätzlich unterschiedliche Beschleunigungsverhalten von Zügen und Bussen auf. Während ein Zug gleichmäßig beschleunigt, lassen sich Busse augenscheinlich fast ausnahmslos ruckartig in Bewegung setzen - da kann das Stehen richtig gefährlich sein. Glücklicherweise gibt es hier, abgesehen von den ohnehin durch Fülle gedämpften Stoßzeiten, meistens genügend Sitzplätze. Das hält allerdings so manche alte Damen nicht davon ab, genau den Platz zu fordern, auf dem man selbst sitzt. Hat man ihn nicht von sich aus angeboten, gibt's stumm anklagende Blicke oder halblaute Kommentare: "Keinen Respekt vor dem Alter".

"Wenn der letzte Bus weg ist, fängt in Freiburg die Party erst an." Kerstin Winterhalter, Fahrgast

Abenteuerlicher als alles andere ist bei Bus und Straßenbahn das Aussteigen. Ganz klar: am Engpass vor der Türe bleiben alle, die nicht raus wollen garantiert so stehen, dass sich alle anderen an ihnen vorbei quetschen müssen. Irgendwann hat man sich bis zur Schwelle vorgekämpft, aber weiter kommt man kaum: draußen hat sich nämlich eine Menschentraube gebildet, die einfach nicht begreift, dass keiner rauskommt, wenn man einen Belagerungsring um die Türe aufstellt.

Cooler geht es da bei den Bussen der SBG zu: hier gibt es eine klare Ein- und Ausstiegs-Ordnung. Und die Fahrer halten auch noch mal für den einen Abgehetzten, der es nicht mehr rechtzeitig zum Bussteig geschafft hat, um dann - sanft! - zu beschleunigen. Aber auch für die Überlandbusgäste gibt's Nerviges im ÖPNV-Dschungel. So beklagt sich Miriam Steiert, eine Studentin aus Burg am Wald: "Vor allem wenn die anderen draußen im Regen stehen, steigen immer die zuerst ein, die sich erst noch nach ausgiebiger Beratung einen Fahrschein kaufen müssen."

Dass man seine Regiokarte dem selben Busfahrer morgens und mittags vorzeigen muss, findet der 14-jährige Jochen Hochleitner überflüssig. Und Kerstin Winterhalter aus Oberried bemängelt die wenigen Busse, die noch zu später Stunde Freiburg in Richtung Umland verlassen: "Wenn der letzte Bus weg ist, fängt in Freiburg die Party erst an!"

Busse haben übrigens - wie die Straßenbahnen - den Vorteil, dass sie "klassenlose" Verkehrsmittel sind. Im überfüllten Zug kommt auch schon mal ein Schaffner und scheucht alle, die vor den Abteilen der 1. Klasse stehen in die noch überfülltere 2. Klasse. Allen voran die Raucher, die ohnehin nicht viele Raucherabteile in den Zügen finden. Genügend aber, um den vielen Nichtrauchern das Leben schwer zu machen, denen die schlecht abgetrennten Raucherabteile zuwider sind. Von dort aus dringt der kalte Qualm gerne bis in die angrenzenden Abteile vor - und Fenster zum Lüften gibt's nicht - oder die Mitreisenden beklagen sich wegen Durchzug.

Nichts desto Trotz: ans Ziel kommen alle, sicher sowieso und zuverlässig häufig auch. Zuverlässiger jedenfalls als durch ewige Staus und endlose Parkplatzsuche. Und dazu kommt: selbst die tägliche Fahrt mit Zug, Bus und Straßenbahn ist immer auch eine kleine Reise. Und wenn einer eine Reise tut, dann hat er auf jeden Fall immer was zu erzählen.

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